Energiewende
Er besitzt ein eigenes kleines Wasserkraftwerk

Armin Meier hat im Oktober 2013 in Grenchen ein längst vergessenes Wasserkraftwerk zum Leben erweckt. Damit leistet er seinen eigenen Beitrag zur Energiewende.

Oliver Menge
Drucken
Armin Meier zeigt sein Kleinkraftwerk, links das Steuermodul, blau die Turbine, rechts der Generator.

Armin Meier zeigt sein Kleinkraftwerk, links das Steuermodul, blau die Turbine, rechts der Generator.

Oliver Menge

Armin Meier ist ein Idealist und ein Mensch mit einer Vision. 19 Jahre lang arbeitete er unter anderem in Grenchen als Energieberater der Repla GB, zeigte den Menschen, wie man Energie und Geld sparen kann. Er widmete auch seine Freizeit der Förderung von nachhaltiger Energie und erweckte ein längst vergessenes Wasserkraftwerk an der Wiesenstrasse erneut zum Leben.

Seit Mitte Oktober 2013 wird dort wieder Strom produziert, so wie das zwischen 1915 und 1965 bereits der Fall war – allerdings auf einer komplett neuen Anlage. Kommenden Samstag will Meier sein Kleinkraftwerk der Öffentlichkeit vorstellen, ein Werk, dessen Realisierung fast 10 Jahre gedauert und nebst vielen Nerven auch mehrere Hunderttausend Franken gekostet hat.

Umdenken ist gefragt

«Jeder kann seinen Beitrag zur Energiewende leisten», sagt Meier. Und wenn das einmal in den Köpfen sei, dann sei die Wende auch umsetzbar, davon sei er überzeugt. Er habe mit dem kleinen Wasserkraftwerk eine einzigartige Möglichkeit beim Schopf gepackt, die man nicht an vielen Orten in der Art und Weise umsetzen könne. «Hier war eigentlich alles schon vorhanden: das Wasser, die Zu- und Ableitungen, das Gebäude, in dem Turbine und Stromgenerator stehen.» Hier standen in der Tat früher schon einmal Turbinen, die Strom erzeugten.

Vor rund 100 Jahren betrieb man mit dem Strom den Tunnelventilator des soeben fertiggestellten Grenchenbergtunnels. Da man beim Tunnelbau eine grosse Wasserkaverne im Berg anbohrte, versiegte die ursprüngliche Quelle an der Oberfläche des Berghanges. Dafür konnte nun das Trinkwasser direkt in den Hauptquellen im Tunnel gefasst werden. Das Trinkwasser wurde in das heutige Turbinenhaus und von da in das Stadtnetz oder in die höher gelegenen Reservoire gepumpt. Auch dafür benötigte man den Strom des Wasserkraftwerks an der Wiesenstrasse. Betrieben wurde das Wasserkraftwerk damals wie heute mit jenem Wasser, das neben den grossen Quellfassungen in den Tunnel läuft und nicht mehr als Trinkwasser benutzt werden kann, sogenanntes Drainagewasser.

Ab 1965 sorgten die grossen Wasser- und Atomkraftwerke für die nötige Versorgungssicherheit, das Wasserkraftwerk an der Wiesenstrasse machte für die Betreiber keinen Sinn mehr, wurde fast vollständig demontiert und geriet in Vergessenheit.

Bis 2004 Meier eher zufällig auf das Kraftwerk stiess und die Idee hatte, es wieder zu beleben. Denn das im Tunnel gefasste Wasser floss noch immer, wurde jetzt allerdings in einer grossen Wasserleitung unter der Stadt hindurch in den Wytibach und anschliessend in die Aare geleitet.

Ein schwieriger Start

Grenchen war 2004 auf dem Weg, das Label «Energiestadt» zu erhalten und die Idee Meiers passte da ausgezeichnet. Aber sein Projekt hatte einen schwierigen Start: Es kam zu Verzögerungen bei der Planung aus diversen Gründen, die er heute öffentlich nicht mehr kommentieren will. Aber der Enthusiast musste neun Jahre lang kämpfen, bis er das alte Gebäude endlich kaufen und sein Projekt verwirklichen konnte. Am schwierigsten sei dabei gewesen, von allen, welche am Projekt mitreden oder mitbestimmen konnten, die nötigen Bewilligungen zu erhalten, insbesondere beim Kanton: So stand zum Beispiel einmal zur Diskussion, ob die im Wasser vorhandenen Mikroorganismen beeinträchtigt werden könnten.

Mikroorganismen, welche den Fischen als Nahrung dienen, könnten durch die Turbine zerstört werden. Notabene in Wasser, das direkt aus dem Berg kommt und nur auf etwa 90 Metern Länge an der Oberfläche offen fliesst und infolgedessen sozusagen keine Mikroorganismen mit sich führt. Weiter fragte man sich, ob das Kleinkraftwerk ein Sicherheitsrisiko darstelle oder ob ein anderer Investor mehr Vorteile bringen würde.

Als eine Abwasserleitung saniert wurde und man die Hochwassersicherheit neu lösen musste, nutzte Meier die Gelegenheit und schloss sein Kraftwerk an die neue Leitung an. Das gesamte Drainagewasser aus dem Tunnel läuft nun durch das Kraftwerk. Bei Hochwasser öffnet sich automatisch ein Schieber und leitet das überschüssige Wasser am Kraftwerk vorbei.

Strom für 50 Einfamilienhäuser

Nun läuft die massgeschneiderte, von Meier entworfene und von der deutschen Firma Ossberger produzierte Turbine und treibt einen Generator an, am selben Ort, wo früher auch schon die Turbine stand, nur ungleich viel kleiner und leistungsstärker. Denn mit den rund 400 Metern Entfernung zum Tunnelportal und einem Gefälle von rund 19 Metern fliessen im Schnitt 160 Liter Wasser pro Sekunde durch die Turbine. So produziert Meier mit seinem Kraftwerk rund 200 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Das entspricht dem Strom für etwa 50 Einfamilienhäuser oder dem Strom für Licht für 400 Wohnungen.

Man könnte mit dieser Menge an Strom 20 Millionen Kilometer auf einem E-Bike zurücklegen oder eine Million Kilometer in einem Tesla, einem amerikanischen, elektrischen Sportwagen. Wollte man dieselbe Menge Strom mit einem Ölkraftwerk erzeugen, benötigte man rund 60 000 Liter Öl pro Jahr. Der Strom wird ins Netz der SWG eingespeist, Meier erhält je nach Produktionsmenge eine variierende KEV, die kostendeckende Einspeisevergütung. Mit vielen Eigenleistungen sollte die Anlage in 25 Jahren amortisiert werden können.

Meier freut sich über das Erreichte, aber er sagt auch ganz klar: «Heute würde ich diesen Aufwand wohl nicht mehr auf mich nehmen.» Und wären Menschen, wie der ehemalige Stadtbaumeister Claude Barbey, nicht immer voll und ganz hinter seiner Idee gestanden, er hätte es wohl nicht geschafft, sagt Meier.

Ein nächstes Projekt hat der Energiefachmann aber doch noch: Das Wasser aus dem Tunnel hat ungefähr eine Temperatur von 14 Grad. Meier möchte diese Energie nutzen und dem Wasser die Wärme entziehen. Damit könnte man die umliegenden Gebäude heizen – angesichts der geplanten Neuüberbauung durch die Espace Real Estate in unmittelbarer Nachbarschaft eine interessante Idee.

Wasserkraftwerk an der Wiesenstrasse, südlich des Bahnviadukts, Tag der offenen Tür am kommenden Samstag von 9.30 Uhr bis 16 Uhr.