Coronavirus
Ein zusätzliches Impfzentrum für die Bevölkerung der Region Grenchen ist für die Regierung kein Thema

Der Kanton will nur in Olten, Breitenbach und Solothurn kantonale Impfzentren betreiben. Auf eine Forderung der Gemeindepräsidentinnen von Bettlach und Selzach sowie des Stadtpräsidenten von Grenchen für ein zusätzliches Impfzentrum geht man nicht ein.

Oliver Menge
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Das ehemalige Notspital beim Sunnepark könnte einfach als Impfzentrum ausgebaut werden.

Das ehemalige Notspital beim Sunnepark könnte einfach als Impfzentrum ausgebaut werden.

Oliver Menge

Auf die gemeinsame Forderung von Grenchens Stadtpräsident François Scheidegger, Bettlachs Gemeindepräsidentin Barbara Leib­undgut und Selzachs Gemeindepräsdentin Silvia Spycher in einem Brief an den Solothurner Regierungsrat, in Grenchen ein weiteres Impfzentrum zu eröffnen, antwortete Frau Landammann Susanne Schaffner mit einer Absage.

Die vom Kanton verfolgte Impfstrategie sei darauf ausgerichtet, dass in allen Regionen des Kantons für die jeweils impfberechtigten Personen und letztlich für die gesamte Bevölkerung ein ausreichendes und zugängliches Angebot an Impfmöglichkeiten bestehe. In Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen würden bereits heute in einem Pilotprojekt als Ergänzung zu den kantonalen Impfzentren Breitenbach, Olten und Solothurn, dezentrale Impfangebote aufgebaut, heisst es im Schreiben der Regierung. Nach der Pilotphase sollten diese Angebote der Grundversorgung im Hinblick auf die Impfungen für die allgemeine Bevölkerung auch ausgebaut werden.

Der Satz, über den sich die drei Politiker wohl am meisten geärgert haben dürften: «die Standorte der Impfzentren sind regional ausgewogen und zugänglich für die Bevölkerung der jeweiligen Region. Der Aufbau eines weiteren Impfzentrums in Grenchen ist deshalb nicht geplant.»

Sowohl Scheid­egger als auch die beiden Gemeindepräsidentinnen Spycher und Leibundgut sind sehr erzürnt über die Antwort. Leibundgut bezeichnet das Schreiben als Affront gegenüber der Bevölkerung Grenchens und Umgebung, Spycher sagt, sie habe nichts anderes erwartet, und auch Scheid­egger verleiht seinem Missmut deutlich Ausdruck. Grenchen sei immer gerne bereit zu helfen, aber man werde vom Kanton einmal mehr im Stich gelassen. Aber er wolle nicht untätig bleiben. Offenbar überlegen sich die Verantwortlichen sogar einen Shuttledienst zur Reithalle in Solothurn, wenn der Kanton nicht einlenken wolle. Damit alte und gebrechliche Personen aus Grenchen und Umgebung nicht zuerst mit dem Bus zum Bahnhof, dann mit dem Zug nach Solothurn und dort wieder mit dem Bus in die Nähe des Impfzentrums in der Reithalle fahren müssten. «Nicht alle haben ein Auto oder können sich von Familienangehörigen hinbringen lassen.»

«Ausgerechnet jetzt, wo es wieder heisst, man solle zu Hause bleiben, zwingt der Kanton die über 75-Jährigen, den öV zu benutzen. Das macht wirklich sehr viel Sinn», meint Leibundgut etwas sarkastisch. Sie will weiterkämpfen und das Ganze noch vor die Gemeindepräsidentenkonferenz bringen. Denn sowohl sie als auch Scheidegger hätten sehr viele Telefonanrufe besorgter Bürgerinnen und Bürger erhalten, die am Anfang der Impfkampagne telefonisch nicht durchkamen und in der Folge direkt bei ihrer Gemeinde angerufen und um Hilfe gebeten hätten.

Das Problem der unterschiedlichen Impfstoffe

Es handelt sich bei diesem Pilot um die Grenchner Hausarztpraxis von Marcel Tièche, die an einem Samstag einen grossangelegten Versuch unternommen hatte und laut Angabe der Bettlacher Gemeindepräsidentin Barbara Leibundgut an die Grenzen des Machbaren gelangt sei. Sie war vor Ort eingeladen worden und meinte auf Anfrage, dass insbesondere im logistischen Bereich eine Hausarztpraxis für grossangelegte Impfungen mit vielen Leute ungeeignet sei. Jede frisch geimpfte Person muss nämlich eine Viertelstunde zur Überwachung vor Ort bleiben, und dafür fehle in einer normalen Praxis schlicht der Platz, auch wenn alle Masken trügen, aber trotzdem die Abstände einhalten wollten.

Zur Erinnerung: Der Kommandant des Zivilschutzes, Markus Böhi, hatte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Dienststellen und den Behörden der Stadt ein Konzept für ein Impfzentrum in der Zivilschutzanlage unterhalb des Sunneparks erstellt. Bei dieser kantonalen Zivilschutzanlage handelt es sich um ein ehemaliges Not-Spital von beträchtlicher Grösse und zum Teil bestehender Infrastruktur, das zwischenzeitlich auch als Asylbewerber-Unterkunft genutzt wurde. Mit grossem Parkplatz, einfacher Zufahrt, Anbindung an den BGU, der das gesamte Einzugsgebiet abdeckt.

Dort hätte man, so erklärt Grenchens Stadtpräsident François Scheidegger, die Möglichkeit, ein Impfzentrum mit wenig Aufwand aufzubauen, das auch von Hausärzten genutzt werden könnte. Und laut Barbara Leibundgut hätten sich bereits jetzt viele freiwillige Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen, pensionierte Ärzte etc. gemeldet, die bereit wären, bei den Impfungen zu helfen.

Hintergrund der Idee ist die Tatsache, dass der Covid-19 Impfstoff «Comirnaty» von Pfizer/BioNTech bei minus 70 oder kühler transportiert und dann vor Ort aufgetaut, verdünnt und verarbeitet, sprich verimpft werden muss. Diese Anforderungen übersteigen die Möglichkeiten in Hausarztpraxen. Der Covid-19 Impfstoff von Moderna hingegen ist für Hausarztpraxen geeignet. Der Kanton Zürich beispielsweise hat diese Woche in 6000 Hausarztpraxen begonnen, den Impfwilligen diesen Impfstoff zu impfen und verwendet in den kantonalen Impfzentren nur den Pfizer/BioNTech-Impfstoff, weil dort die Möglichkeiten zur Verarbeitung vorhanden sind.

Der Kanton Solothurn hingegen verimpft in seinen Impfzentren beide Impfstoffe, mit der Begründung, nicht genügend Impfstoffe für die in den Impfzentren angemeldeten Risikopatienten Ü-75 zu haben. Die Hausärzte gehen vorerst leer aus.