Der Stadtwanderer trifft auf seinem Spaziergang zwischen dem Schönegg- und Schmelziquartier auf reife Zitronen, unbewohnte Prachthäuser und interessante Menschen.
Der Schöneggrain, ein kleines gepflastertes Strässchen, ist steil und könnte als Bergetappe in einer Radrundfahrt etwas abgeben. Gepflegte Rasenflächen, auf Terrassen und Balkonen stehen Kübelpflanzen. Ländlermusik ertönt aus einem offenen Fenster. Kurz nach der markanten Kurve steht das Haus von Antoinette und Walter Ris. 58 Sekunden hat der 71-jährige Walter Ris in seinen besten Tagen von der Rebgasse bis zur Haustüre gebraucht. Vor der Garage, die als Werkstatt eingerichtet ist, steht ein Zitronenbaum. «380 Zitronen war die Rekordernte», berichtet er und zeigt einige der reifen Früchte, die an die 400 Gramm auf die Waage bringen.
Gerne denkt er an lustige Stunden in der nahen Schönegg zurück, erinnert sich an Schönegg Marie, an Marie Blaser, die Uhrenarbeiterin, die fast ihr ganzes Leben dort verbracht hat und als Unikum bekannt war. Damals wirtete Familie Fankhauser im Restaurant. Am 1. Mai 1898 wurde die Gastwirtschaft Schönegg, die später den Namen «Schützenhaus» erhielt, feierlich eröffnet. Seit Jahren sind die Türen zu.
Seit über 30 Jahren im Quartier
Ris, der waschechte Grenchner, ist Uhrmacher und hat am Ende seiner beruflichen Tätigkeit in Moutier, er spricht von Münster, gearbeitet. Er war Disponent und hat Elektromotoren gebaut und lebt seit über 30 Jahren im Quartier. Die Einfamilienhäuser am Schöneggrain sind in den 1950er-Jahren gebaut worden. «Es hat sich wenig verändert», stellt er fest und ergänzt, dass er vor kurzer Zeit einen neuen Nachbarn bekommen hat.
Mit dem freundlichen Buschauffeur aus Deutschland hat er sich rasch angefreundet. «Ich bin ein Schöneggler und möchte hier so lange leben, wie es möglich ist», spricht er aus Überzeugung und geniesst die prächtige Aussicht. An der frisch gestrichenen Fahnenstange flattert die Schweizerfahne im Wind. «Immer an Pfingsten ziehe ich eine neue Flagge hoch», erzählt er, schmunzelt dazu und wird wohl diesen Anlass jeweils feiern.
Er und seine Schwester sind einzige überlebende Mitbegründer der Luna-Zunft. Das Fasnachtsblut fliesst noch frisch in seinen Adern. In der Garage hat er eine Maschine stehen, mit der er die Grenchner Plaketten fertigt.
Musik und Tanz
Am wuchtigen Holztisch auf der Schönegg-Terrasse sitzt Urs Saner. «Hier stand das runde Musikpavillon, das gegen den heutigen Parkplatz offen war», erklärt er und zeigt zum Kastanienbaum. «An Sonntagen spielten Grenchner Musikgesellschaften, die Konkordia, die Helvetia und die Eintracht», erinnert er sich. Am Ostermontag lud der Beizer eine Ländlerkapelle ein, Musik erfüllte das Quartier und es wurde getanzt.
Nördlich der Schönegg befand sich der Schiessstand, natürlich war die entsprechende Fläche damals noch unverbaut. Nach dem Schiessen haben manche Schützen mächtig geprasst und es war nicht selten, dass Kinder am nächsten Tag Karabiner und Langgewehre ihrer Väter in der Schönegg abholten.
Auch die Holzrutschbahn, die von der Schönegg Richtung Stadt führte, hat Saner noch in Erinnerung. «Ich bin «Schmöuziger», sagt das 1947 geborene Grenchner Urgestein, das seit seiner Jugend in der Schmelzi wohnt. «Die Schöneggler wurden von uns gehänselt», bemerkt er, weil sie jeweils an Wochenenden dem Schiesslärm ausgesetzt waren.
Schmelzi hat sich verändert
Yvonne Etienne kennt die Schöneggler und die Leute aus dem Schmelziquartier. «Die Wohnlage am Schöneggrain ist einmalig», sagt sie und schwelgt vom dortigen Ambiente. Bevor sie nach Südfrankreich übersiedelte, war sie an dieser Strasse wohnhaft. Nach 20 Jahren ist sie zurückgekehrt und lebt an der Sägemattstrasse, wo das Wohnen auch sehr angenehm ist. Unverständlich für sie, dass bei der Schönegg etliche Häuser leer stehen. Der Käufer der Liegenschaften will sie offenbar nicht vermieten.
Die Schmelzi hat sich stark verändert. Das ehemalige Zentrum, das Restaurant Bellevue, musste einer Überbauung weichen. Andere Neubauten und der rasche Strukturwandel in der Bevölkerung haben das Quartierbewusstsein beeinträchtigt.
Der als Zauberer berühmt gewordene Urs Saner hat viel zu erzählen. Er spricht von Köhlis Bierrossen, die mit dem Schleppen von Baumstämmen schnelle Schlittelwege pflügten. Er berichtet über die Steinsäge, über die Schmelzi-Zunft, von selbst gebauten Eisbahnen und vom beliebten Familienspiel im Freien, dem «Stötzle». Er hat noch etwas im Dorf zu besorgen und entfernt sich mit Chicco an der Leine über das «Lochgässli», wie man es nannte, das dann ins «Stinkwägli» einbog, welches fast bis zur katholischen Kirche führte.