Stadtbummel
Ein Shop-in-Shop-Konzept für die Stadtpolizei

Roger Rossier
Roger Rossier
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Felix Gerber

Im April vor einem Jahr stellte die Swisscom ihren Shop am Postplatz ein. Vor zehn Tagen verkündete die Migros-Tochter Ex-Libris, sie würde ihr Geschäft schliessen. Swisscom war mit den Erfolgs-Zahlen unzufrieden. Die Migros begründet ihren Entscheid mit dem Kaufverhalten der digitalisierten Gesellschaft. Stationäre Verkaufsstellen hätten es schwer, am Leben zu bleiben. Heute leiden praktisch alle Unternehmensmodelle, die Kundennähe und persönliche Beratung in den Vordergrund stellen, unter dem Online- Geschäft. Es trifft nicht nur den Fachhandel, auch Banken, Versicherungen und andere Dienstleistungsunternehmen sehen dieser Veränderung mit Besorgnis entgegen. Nur die aus dem Boden schiessenden Coiffeursalons und Nagelstudios scheinen vom Wandel der Zeit nicht betroffen ....

Was haben die eingangs genannten Unternehmensentscheide gemeinsam? Sie wurden nicht in Grenchen getroffen, beiden Unternehmensgruppen geht es gut. Nicht hier ansässige Entscheidungsträger untergraben damit die Bemühungen der Stadt und des Gewerbes, das Zentrum lebendig zu gestalten. Im Fall von Ex Libris teilt Grenchen das Schicksal mit 42 anderen Standorten. Wie es anders gehen kann, zeigt das Uhrengeschäft Bruno Bertini. Die gesteigerten kostspieligen Sicherheitsanforderungen und auch das Online-Kaufverhalten würden dafür sprechen, den Laden nach 22 Jahren zu schliessen und sich in den wohlverdienten Ruhestand zurückzuziehen. Der auch als Förderer vieler Grenchner Anlässe bekannte Bruno Bertini wählt einen anderen Weg und wird sein Geschäft im kleineren Rahmen in der nebenanliegenden «Team Papeterie» nach dem «Shop-in-Shop-Konzept» weiterführen.

So bleibt der Uhrenstadt Grenchen wenigstens ein Uhrenladen erhalten. Zum Glück: Stellen Sie sich vor, man könnte im Städtchen Gruyères keinen lokal hergestellten Käse kaufen oder Fondue essen ...

Noch stellt sich die Stadtregierung trotz finanzieller Schieflage gegen die Verschmelzung der Stadtpolizei mit der Kantonspolizei. Der Fusionsgedanke könnte nach dem Umzug der Kantonspolizei in das ehemalige SWG-Gebäude am Marktplatz an Boden gewinnen. Sollte man, weil man das Wort scheut, nicht von einer Fusion, sondern von einer Shop-in-Shop-Lösung sprechen? Die Eigenständigkeit behalten und gleichzeitig die Kosten senken, wäre das nicht die in der Managersprache viel gelobte Win-win-Situation?

Über etwas kann sich die Stadtpolizei bereits heute freuen. Das erste Mal seit 60 Jahren wird Italien im Sommer nicht an der Fussball-Weltmeisterschaft teilnehmen. Die Frauen werden die blauen Augen der Torwartlegende Gianluigi Buffon, die Männer seine Paraden und das Public Viewing den Zuschaueraufmarsch vermissen. Ganz sicher wird sich die Polizei weniger mit hupenden Autokorsos und den damit verbundenen Beschwerden herumschlagen müssen. Denn die gegen Italien siegreichen Schweden verfügen über keinen Buffon und ihre Anhängerschaft in Grenchner dürfte sich an wenigen Händen abzählen lassen.