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Der römische Gutsherr reibt sich verwundert die Augen, als er aufwacht: Vor seinem Anwesen sieht er zwei Segelflugzeuge, die lautlos in die Luft steigen, über die Witi gleiten und sanft auf einem seiner Felder landen.
Der römische Gutshof ist tatsächlich historisch belegt auf dem Eichholzhügel, ebenso fanden dort die ersten Segelflüge in der Uhrenstadt statt. Aber zwischen den beiden Geschichtskapiteln, den Römern und den Anfängen des Segelflugs liegen 1800 Jahre und die Aneignung des Fliegenkönnens durch die Menschen.
Kraft und Geschick sind gefragt
Käme der Römer aus der Ewigkeit zurück, wäre er gestern nicht mehr aus dem Staunen gekommen: Fliegen ist angesagt auf dem Eichholzhügel.
Neben dem Römerbrunnen entwickelt sich schon früh am Vormittag emsiges Treiben. Zwei Segelflugzeuge werden aus dem Anhänger gezogen und montiert.
Vor dem Fliegen sind Kraft und handwerkliches Geschick gefragt. Die Flügel werden am Rumpf montiert, das Höhensteuer wird befestigt. Wichtig ist das korrekte Anschliessen der Steuerruder.
Alles muss pingelig genau kontrolliert werden: Das Leben hängt buchstäblich an diesen Steuerseilen. Der Pilot steigt ins Cockpit, bewegt Steuerknüppel und Seitensteuer, ein Kamerad draussen an den Flügeln hält Querruder fest und kontrolliert auch die Ruder für Höhen- und Seitensteuerung auf ihre Funktionstüchtigkeit.
Das Szepter fest in der Hand
Wo einst der römische Gutsbesitzer das Sagen hatte, hält nun Willy Fahrni das Szepter fest in der Hand. Der Präsident der Oldtimer Segelflug Vereinigung Schweiz sorgt mit klarer Stimme, dass alles seinen geordneten Lauf nimmt.
Auf dem Boden ist die Schiene ausgelegt. Sie zeigt gegen die Witi, wo Felder auf die Landungen der Flugzeuge warten. An der Schiene befestigt ist eine Klinke, mit der über ein zweites Seil wiederum das Segelflugzeug verbunden ist.
Fahrni nimmt die Piloten zum Briefing. Beat Huber, Walter Schmid und Thomas Fessler schauen über den sanften Abhang des Hügels und besprechen die Flugtaktik.
Da eine Bise weht, entscheiden sich die Piloten für eine Linkskurve Richtung Osten und dann auf einem breiten und langen Grasfeld in Richtung Schrebergärten zu landen.
Andreas Fahrni hat das «Oldtimer-Blut» von seinem Vater Willy geerbt. Er unterrichtet die Helfer, die als «Gummihunde» das Seil ausziehen werden.
«Das Seil ja nie aus den Händen lassen», schärft er der Mannschaft ein. 20 Mann stellen sich am Seil bereit.
«Ziehen und secklen!»
Zuerst ist das Karpf-Baby des Oldtimer-Clubs Schänis an der Reihe. «Bereit! Ziehen, zieehhhen!» Die Stimme Andreas Fahrnis tönt über den Eichholzhügel hinweg. Das Seil strafft sich.
Jetzt kommt das Kommando: «Secklen!» Im Laufschritt legen sich die Gummihunde ins Seil - und Start. Andreas Fahrni, der am Flügel steht, hat die Klinke betätigt, das gelbe Karpf-Baby von 1945 schwingt sich lautlos in die Höhe.
Ein wenig Geradeausflug, dann die Linkskurve und Landeanflug Richtung Schrebergärten. Der Flug ist gelungen. Helfer wie Zuschauer klatschen freudig.
Flugzeug flohg 1945 zum ersten Mal
Nun wird die DFS Olympia Meise von Lokalmatador Thomas Fessler aus Bettlach an den Start geschoben. Das Flugzeug flog am Silvestertag 1945 zum ersten Mal unter Führung von Otto Sallaz.
Fessler hat das Flugzeug aus einer Scheune geholt, in langjähriger Arbeit restauriert und darf es nun hier fliegen. Konzentriert steigt der Alt-Kantonsrat ein und schnallt sich an.
Die Cockpithaube wird aufgesetzt und am Hügel unten stehen die «Gummihunde» wieder bereit.
Erneut schallen die Kommandos - und Sekunden fliegen Fessler und seine schöne «Meise» über der Witi. Sechs Starts gibt es an diesem Tag. Das 80-Jahr-Jubiläum der Segelfluggruppe Grenchen ist gelungen.