Rechnung der Stadt Grenchen schliesst besser als erwartet. Und: Die Kinderbetreuung soll privatisiert werden - das gab im Gemeinderat einiges zu reden. Für rote Köpfe sorgte eine Motion, die Doppelmandate für den Stapi verbieten will.
Nachdem Grenchen für 2009 erstmals seit neun Jahren wieder ein negatives Rechnungsergebnis verkraften musste, wird die Stadtkasse jetzt mit einem kleinen aber feinen Gewinn gestärkt. Konkret schliesst die Rechnung 2010 statt mit einem budgetieren Defizit von 0,3 Millionen Franken mit einem Gewinn von knapp 0,4 Mio. ab. Zum einen deshalb, weil nicht alle Investitionen realisiert werden konnten und die Ausgaben tiefer lagen als erwartet, wie Finanzverwalter David Baumgartner gestern vor dem Gemeinderat erklärte. Zum anderen ist der Gewinn höheren Steuererträgen bei den Juristischen Personen zu verdanken – diese steuern 17,2 statt 15,3 Mio. Franken bei. Anders bei den Natürlichen Personen: Hier fällt der Steuerertrag mit 40 Mio. um 1,7 Mio. Franken leicht tiefer aus als budgetiert.
Richard Aschberger (SVP) fordert mittels Motion ein Verbot von Doppelmandaten. Das Stadtpräsidium in Grenchen sei mit einer hohen Arbeitsbelastung verbunden, ein zusätzliches Amt als Stände- oder Nationalrat mit einer seriösen Arbeit kaum zu verbinden. An der gestrigen Gemeinderatssitzung musste er dafür einige verbale Ohrfeigen einstecken. SP-Gemeinderat Daniel Trummer sprach von einem «untauglichen und unseriösen Mittel, den Stadtpräsidenten loswerden zu wollen.»
Boris Banga, der seine Nationalratskandidatur inzwischen zurückgezogen hat, wertete den Vorstoss als persönliche Attacke und Wahlkampfwerbung der SVP und zeigte seinerseits die Vorteile einer Vertretung in Bern auf, was er anhand mehrerer konkreter Beispiele belegte. Doch nach der Meinung vieler Ratsmitglieder vergriff sich Boris Banga dabei arg im Ton. Er unterstellte Aschberger mangelnde politische Erfahrung. Politik sei vielfältiger als die Karosserie
einer Kühlhaube oder
eines Hecks, entgegnete er dem Motionär und Gründer der Autobrill GmbH für Oberflächenversiegelung. Stadtschreiberin Luzia Meister hatte zuvor erklärt, dass die Motion aus juristischer Sicht kaum umsetzbar sei. Heinz Müller (SVP) und Andreas Kummer (CVP) verurteilten den Ton Bangas dennoch scharf. Dieser gab sich unbeeindruckt und sagte: «Vielleicht war mein Tonfall grenzwärtig, aber ich habe es gern gemacht.» Das goutierten die Bürgerlichen allerdings nicht - die SP musste sich von der Mehrheit von SVP, CVP und FDP geschlagen geben. Die Motion wird in ein Postulat umgewandelt, das Verbot eines Doppelmandats weiterverfolgt. (fup)
Die Rechnung 2010 wird der Gemeindeversammlung am 30. Juni vorgelegt. Die Investitionsrechnung schliesst mit Nettoausgaben von 3,3 Mio. Franken; es resultiert ein Finanzierungsfehlbetrag von 0,39 Mio. Franken. Das Nettovermögen nimmt auf 9,9 Mio. Franken zu. Das Eigenkapital beträgt per Ende Jahr 32,7 Mio. Franken. «Die Finanzlage der Stadt bleibt nach wie vor ausgezeichnet», würdigte Finanzverwalter David Baumgartner. Gerade die Uhrenindustrie weise wieder volle Auftragsbücher auf. Der Finanzverwalter gab aber auch mögliche, unvorsehbare Schwankungen insbesondere bei der Exportindustrie zu bedenken.
Privatisierung der Krippen
Einiges zu reden gab gestern die Privatisierung der Kindertagesstätten. Ein neuer Arbeitsgruppenbericht gelangt zur Empfehlung, dass die Machbarkeit einer Privatisierung genauer überprüft sollte. Der Gemeinderat nahm davon Kenntnis. Eine Motion von CVP, FDP und SVP – über deren Erheblichkeit der Gemeinderat gestern ebenfalls zu befinden hatte – forderte konkret die Privatisierung der Kinderkrippen und war bereits einmal verschoben worden (wir berichteten). Der Gemeinderat hat nun gestern entschieden, die Privatisierung zwar weiterzuverfolgen, allerdings nicht in Form der Motion, da der Arbeitsgruppenbericht einigen Votanten als Entscheidungsbasis nicht genügte.
Ersatzmitglied Thomas Furrer (SP) etwa sprach von einem «Grundsatzpapier», aber nicht mehr. Zu viele Fragen seien noch offen. Urs Wirth stellte den Antrag, die Motion in ein Postulat umzuwandeln, damit weitere Abklärungen getätigt werden können. Dass die Privatisierung Chancen für eine qualitative Kinderbetreuung birgt und Bedarf besteht, war unbestritten. Andreas Kummer (CVP), Erstunterzeichner der Motion, stellte daraufhin den Antrag auf Umwandlung in ein Postulat, dem einstimmig stattgegeben wurde. Bis März 2010 soll abgeklärt werden, welche Anforderungen eine Privatisierung konkret mit sich bringt. Einzig Ersatzmitglied Heinz Müller (SVP) warnte noch, dass die Wirtschaft bei der Finanzierung von Betreuungsplätzen zu stark eingebunden würde. Kurt Boner, Redner und Leiter der Sozialen Dienste, betonte, dass eine Lösung ohne Wirtschaft nicht möglich sei, man auf «Zwangsmodelle» allerdings verzichten wolle.
Mehr Kosten im Sozialhilfebereich
Zähneknirschend genehmigte der Gemeinderat gestern auch den Nachtragskredit von 585000 Franken für Mehreingaben in den kantonalen Ausgleichsfonds für die Sozialhilfe (siehe gestrige Ausgabe). Der Entscheid fiel einstimmig.