Gewerbe
Ein alter Werbe-Stadtplan erzählt Grenchner Wirtschaftsgeschichte

Die Firmengebäude des Grenchner Wirtschaftslebens wurden am Ende der Neunzigerjahre vom Atelier Art & Design im belgischen Zele als dreidimensionale Abbildungen dargestellt. Heute kann sich fast niemand mehr an diese Pläne erinnern.

Daniela Deck
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Zahlreiche Firmengebäude wurden auf dem Plan detailgetreu nachgezeichnet.

Zahlreiche Firmengebäude wurden auf dem Plan detailgetreu nachgezeichnet.

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Wer erinnert sich noch ans Bastelatelier Fledermaus, an Sauvain Schriften & Reklamen oder an die Boutique Raegeboge? Ein Grossteil des Grenchner Wirtschaftslebens wurde Ende der Neunzigerjahre in der aufwendigen Produktion eines Firmenstadtplans von einem belgischen Grafikatelier auf Papier gebannt. Eine Spurensuche in der Grenchner Unternehmensgeschichte.

Man wähnt sich vor einem verfrühten Versuch von Google Streetview. Die dreidimensionalen Abbildungen der Firmengebäude sind detailliert und sauber ausgeführt, in Farbe, versteht sich. Es muss ein teures Projekt gewesen sein, für welches das Atelier Art & Design im belgischen Zele die Grenchner Unternehmer begeistern konnte. Denn die Nachfrage bei der Baudirektion ergibt, dass der Firmenplan nicht im Auftrag der Stadt realisiert wurde. Der Stadtplaner, Fabian Ochsenbein, vermutet: «Gründe für den Plan waren wahrscheinlich Werbezwecke und irgendjemand hat etwas daran verdient.»

Mit der Autobahn, aber ohne Industriezone Süd

Wer dieser Jemand war, liess sich nicht mehr in Erfahrung bringen, ebenso wenig wie das Erscheinungsdatum. Aus den spärlichen Erinnerungen einzelner beteiligter Gewerbler lässt sich lediglich schliessen, dass der Plan zwischen 15 und 18 Jahre alt sein muss.

Nach dem Prinzip «Hoffnung» figuriert bereits die Autobahn A5 auf dem Plan. Von der Industriezone Süd hingegen wusste damals noch niemand etwas. Wo sich in den letzten zehn Jahren eine Reihe von transportintensiven Betrieben angesiedelt hat, zeigt der Plan eine grüne Lücke.

Entsprechend liegt der Wert des umfangreichen Wandschmucks in der Momentaufnahme des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens kurz vor der Jahrtausendwende. Das Hôtel de Ville, das Kunsthaus und beide Bahnhöfe liessen sich nicht lumpen und präsentieren sich und ihre Vorzüge stolz. Zurückhaltend dagegen die Stadtpolizei, die mittels Namenszug ohne Gebäude wohl den Minimalbetrag beisteuerte. Verzerrt erscheint das religiöse Leben durch das Fehlen der Reformierten als einzige unter den Landeskirchen.

Der Zahn der Zeit

Wirtschaftlich gesehen ist die prominenteste Absenz diejenige der ETA. Doch mit ihren über 20 Werken in der Stadt liesse sich ein eigener Plan gestalten. Sonst ist entlang der Strassen bis hinaus zum Flughafen alles versammelt, was Rang und Namen hatte.

Die Firmen lassen sich in drei Kategorien einteilen. Solche, die mit allen Veränderungen fertig wurden und heute noch an derselben Adresse geschäften, solche, die umgezogen sind und schliesslich solche, die ihre Tätigkeit eingestellt haben. In die letzte Kategorie fallen diverse Boutiquen, aber auch Bäckereien, Blumenläden sowie etwa die Isco (Iseli & Co.) am Bodenrain. Umgezogen innerhalb der Stadt ist etwa die Firma W. Siegrist, nach Pieterlen die Zoohandlung Zbinden.

Biviator vor dem Verschwinden

Interessant ist das Schicksal der Firma Biviator Elektronische Steuer-Systeme. Nach dem Umzug nach Mörigen und der Fusion zu Biviator Industrie Elektronik steht der markante Begriff «Biviator» nun vor dem Aus. Vom Inhaber Rudolf Liechti ist zu erfahren, dass der Name nur noch bis Ende Jahr verwendet werde. Ausserhalb überlebt hat ebenfalls die Maschinenfabrik Giulianelli. Von der Lengnaustrasse ist sie beim Generationenwechsel nach Brügg umgezogen und wo sie nach wie vor Heissprägeteile fertigt.

Aus der Erinnerung getilgt

Nur wenige Firmen haben den Stadtplan behalten. Lange Zeit hing er im Restaurant Parktheater, bis er der Schliessung zum Opfer fiel. Die Spurensuche bei den einst beteiligten Firmen zeigt, dass sich heute fast niemand mehr an den Plan erinnern kann. Dabei verfügen die meisten Firmen sehr wohl über einen Repräsentanten, der zur Zeit der Entstehung bereits in der Firma war. Das bedeutet, dass die Grenchner Unternehmen in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre fleissig geworben und Präsenz markiert haben, wo es nur ging.

Als Zeitzeuge der wirtschaftlichen Vielfalt lässt sich das damalige private Projekt zur Verortung der Firmen nicht mit den handelsüblichen Stadtplänen vergleichen, auf denen die Firmen Werbeplatz kaufen und zum Dank als Ziffer dargestellt werden. Doch weder auf der Baudirektion noch im Stadthaus kann man sich derzeit eine Neuauflage nach belgischem Vorbild vorstellen.