«No Billag»
Diskussionsrunde mit Doris Leuthard: «Die SRG ist keineswegs ein viel zu grosser ‹Moloch›»

Das Forum du bilinguisme lud zu einer Diskussionsrunde in Biel zur «No Billag»-Initiative. Bundesrätin Doris Leuthard, Ständerat Hans Stöckli sowie Vertreter lokaler Medien machten dabei ihre Standpunkte klar.

Oliver Menge
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«Die Stadt Biel könnte ja bei der Finanzierung der Privatmedien mithelfen», schlug eine sichtlich gut gelaunte Bundesrätin Doris Leuthard vor, rechts Urs Gredig.

«Die Stadt Biel könnte ja bei der Finanzierung der Privatmedien mithelfen», schlug eine sichtlich gut gelaunte Bundesrätin Doris Leuthard vor, rechts Urs Gredig.

Oliver Menge

Zugegeben: «No Billag»-Befürworter hatten an diesem Abend einen schweren Stand im Volkshaus: Rund 200 Personen, darunter eine Ansammlung Medienschaffender und Verantwortliche von Regional- und Lokalmedien, wurde auf der Bühne präsentiert, was ein Ja zur «No Billag»-Initiative für regionale Medien bedeuten würde.

Eingeladen hatte das Forum du bilinguisme, das Forum für Zweisprachigkeit, dessen Direktorin Virginie Borel schon in der Einleitung auf die Besonderheiten der Medien im Kanton Bern und im Speziellen in Biel hinwies. Denn in keinem Kanton der Schweiz sind so viele Lokalmedien, Radios und Fernsehstationen von der Gebührenfinanzierung abhängig und erfüllen dafür ihren Teil des Service public.

Acht Sender – darunter die zweisprachigen Bieler Radiosender Canal 3 und Telebielingue, wie auch Telebärn, das zu den AZ Medien gehört – müssten bei einer Annahme der Initiative die Segel ganz oder teilweise streichen, erklärte Philippe Zahno, Präsident der Westschweizer Radiostationen, in seinem Referat.

Eine gut gelaunte Doris Leuthard

Die Vorsteherin des Uvek und oberste Kommunikationschefin, Bundesrätin Doris Leuthard, fühlte sich sichtlich wohl in diesem ihr freundlich gesinnten Ambiente. Sie wurde interviewt von Urs Gredig, Chefredaktor von CNN Money Schweiz, vormals Redaktor bei «10 vor 10» und Auslandkorrespondent bei SRF.

Das Klima sei sehr emotional, bestätigte Leuthard. Sie bedaure es, dass man hauptsächlich über die SRG rede und nicht über die lokalen und regionalen Medien. Denn immerhin gehe es um 21 private Radiostationen und 13 Privat-TV-Stationen, die von der Gebührenfinanzierung abhängig seien.

«Der Fokus lag zu wenig stark auf den regionalen Medien», so Leuthard, die mit ihrem Interviewer laufend von Deutsch ins Französische wechselte. Diese erfüllten einen wichtigen Teil im demokratischen Gefüge. Es gehe um die Solidarität innerhalb der Schweiz mit den verschiedenen Sprachregionen, darum, dass auch private Sender ihren Teil zur Information einer demokratischen Bevölkerung beitrügen.

Leuthard begrüsste es, dass man nun wegen der Initiative auch darüber spreche, wohin wie viel Geld fliesse, betonte aber auch, dass die SRG keineswegs ein viel zu grosser «Moloch» geworden sei, wie das immer wieder behauptet werde. Vielmehr sei die SRG seit fast zehn Jahren gezwungen, die Kosten immer wieder zu optimieren. Auch die künftige Gebührenfinanzierung zwinge die SRG dazu, 57 Millionen einzusparen, ein nicht zu unterschätzender Betrag.

Die Bundesrätin widersprach auch den von den Initianten vorgebrachten Argumenten, der Markt könne das regeln oder man könne mit Werbung auch im Regionalen die privaten Stationen finanzieren. Angesichts der Reichweite und des Werbemarktes höre sie von ihren Spezialisten immer wieder, das dies nicht möglich sei.

Aber vielleicht wolle ja die Stadt Biel den regionalen Sendern finanziell unter die Arme greifen, meinte sie mit einem Schmunzeln an Erich Fehr, den Stadtpräsidenten von Biel, gerichtet, der in der ersten Reihe sass. Wobei sie gehört habe, dass Biel ganz andere Probleme habe. Und als Interviewer Gredig schon Fehrs Geldbörse aufgehen sah, hatten die beiden die Lacher auf ihrer Seite.

Befragt nach ihrem eigenen Medienkonsum, ob sie zeitversetzt Nachrichten konsumiere oder ob sie ein Netflix-Konto besitze, meinte die Bundesrätin, dass sie keine Zeit habe, Filme zu schauen, sich aber die News meist zeitversetzt anschaue. Man dürfe nicht vergessen, dass 72 Prozent der Bevölkerung immer noch linear fernsehen würden. Ein weiteres Argument gegen die Initianten der «No Billag»-Initiative, die mit «verändertem Medienkonsum» argumentierten.

Ständerat Hans Stöckli (SP) und Thomas Juch, Co-Präsident «No Billag»-Komitee, Sophie Hostettler, Programmleiterin Telebielingue.

Ständerat Hans Stöckli (SP) und Thomas Juch, Co-Präsident «No Billag»-Komitee, Sophie Hostettler, Programmleiterin Telebielingue.

Oliver Menge

Debatte mit ungleichen Ellen

Es war schon das zweite Mal, dass der Jungfreisinnige Thomas Juch, Co-Präsident des Initiativkomitees «No Billag», in Biel eine Niederlage kassierte. Das erste Mal vor nicht allzu langer Zeit, als er Mitte Januar an der Delegiertenversammlung der Mutterpartei FDP Schweiz die Position der «No Billag»-Befürworter schmackhaft machen wollte. Die FDP Schweiz beschloss dann mit 204 gegen 82 Stimmen bei 12 Enthaltungen die Nein-Parole.

Juchs Argumente gegen die «Zwangsgebühr» konnten auch bei einem SP-Politfuchs wie Stöckli nicht punkten, wenn auch dieser am Anfang der durch Sophie Hostettler, Programmleiterin bei Telebielingue, geleiteten Debatte etwas müde wirkte. Kein Wunder, war er doch direkt von den Olympischen Spielen in Pyeongchang angereist.

Stöckli war der Meinung, die Forderung Juchs, nur jene sollten Gebühren bezahlen müssen, die auch das entsprechende Angebot nutzen, führe zu einer Entsolidarisierung. Das sei im Bundesrat, im Parlament und auch im Ständerat klar erkannt und deshalb dieser Ansatz deutlich verworfen worden. Nur zwei Parlamentarier hatten sich für die Annahme ausgesprochen, wobei der eine später sogar eingeräumt habe, er habe falsch abgestimmt.

Infos mit Abo? – Gibt es nicht

Juch verwies wiederholt darauf, dass man durchaus mit Abo-Systemen operieren könne und sobald die SRG den Markt nicht mehr beherrsche, eine grosse Chance für eine Medienvielfalt bestehe, weil dann regionale Medien in die Lücke springen könnten. Dem entgegnete Stöckli, dass sich nirgendwo auf der Welt Informationssendungen durch Abonnemente finanzieren liessen und kleine frankophone Sender nicht überleben könnten.

Stöckli hielt dem Argument des veränderten Konsumverhaltens bei den Medien entgegen, dass niemand davon spreche, dass die Inhalte erst einmal hergestellt werden müssten, und das falle ja bei einer Annahme der Initiative auch weg.

Der Einwand der Moderatorin, es gebe einen Sender in Kanada, der seine Moderatorinnen oben ohne arbeiten lasse, und der habe offenbar ein Publikum gefunden, wirkte beim ersten Hinhören etwas deplatziert, war aber im Grunde treffend.

In der abschliessenden Runde diskutierten Vertreter nationaler und regionaler Medien, unter anderem Gilles Marchand, Generaldirektor SRG, Marc Friedli, Geschäftsführer Telesuisse, Pierre-Yves Moeschler, Präsident SRT Bern, und Julien Grindat, publizistischer Leiter Telebielingue und Canal 3. Das eindeutige Fazit: Ein Ja zu «No Billag» hätte für regionale Medien mehrheitlich negative Folgen.