19 Kinder klettern, kämpfen, tanzen, balancieren und zeigen Mut. Wir haben uns angeschaut, wie es im Kinder-Camp zu und her geht
«Der ganze Turnhallenboden ist Sumpf. Jetzt müsst ihr schauen, dass ihr möglichst keine nassen Füsse bekommt und die Runde schafft, ohne abzustehen.» Sportlehrer Stephan Linder, der Wochenchef des Kinder-Camps, das in der Doppelturnhalle bei der Schwimmhalle durchgeführt wird, ermuntert die Kinder in seiner Gruppe, die Kletterpartie in Angriff zunehmen.
«Wir haben am Montag an den einzelnen Posten geübt und gelernt, wie man beispielsweise eine Sprossenwand hochklettert und auf der anderen Seite wieder runter. Oder wie man sich an einem Seil festhält und die Stangen hochklettert.» Gestern nun galt es, die verschiedenen Posten zu einem Parcours zu verbinden und so in der Halle ringsherum zu klettern, ohne den Boden zu berühren.
Ein schräges Bänklein hoch, über die Sprossenwand, dann über den Stufenbarren und Böckli wieder über eine Sprossenwand zu den Stangen, wie Tarzan am Seil auf ein Bänklein schwingen und dann entweder über einen weiteren Barren oder über Reckstangen balancierend zum Fensterbrett.
Dort entlang klettern und als krönender Abschluss: Schwingen von einem Ring zum anderen. «Hier geht es um Geschicklichkeit, Kraft und Ausdauer, aber vor allem auch um Mut. Viele Kinder trauen es sich ganz einfach nicht zu und müssen sich zuerst einmal überwinden», erklärt Linder, der den Kindern bei manchen Posten Hilfe leistet.
Tatsächlich sind unter den Kindern grosse Unterschiede feststellbar: Während die einen flink wie Wiesel über die Geräte turnen, haben andere schon bei den einfachsten Kletterübungen grosse Mühe. Aber keiner wird ausgelacht oder gehänselt.
In der anderen Halle spielen die Kleineren bei Sportlehrerin Sonja Wyss derweil Hase, Rüebli und Bauer: Die Hasen-Kinder versuchen, die am Boden liegenden Rüebli-Kinder hinter die sichere Linie zu ziehen, bevor die Bauern-Kinder sie erwischen. Fairplay wird grossgeschrieben, wie bei jedem Wettkampf.
Die Kinder werden in dieser Woche spielerisch an eine breite Palette verschiedener Sportarten herangeführt: Auf dem Programm stehen neben Ballspielen und Leichtathletik auch Judo, Capoeira, Klettern und Hip-Hop, Sportarten, die im «normalen» Sportunterricht an den Schulen weniger Platz finden, erklärt Gabi Schibler, die Verantwortliche für das Kinder-Camp, das erstmals in Grenchen durchgeführt wird. «Wir haben immer eine Kampfsportart und etwas aus dem Bereich Tanz im Programm.»
Hier sei das Kreative wichtig, damit Kinder in der Schule ihre volle Leistungsfähigkeit entwickeln können. «Oft wird unterschätzt, wie wichtig Bewegung und Sport für die kognitive Entwicklung des Kindes ist», erklärt Schibler.
Es gehe also nicht nur darum, etwas gegen Übergewicht zu tun. Man verspricht sich auch, bei den Kindern das Interesse am Sport zu wecken und so auch indirekt den Nachwuchs der lokalen Sportvereine zu fördern. Ein Grund, weshalb auch Thomas Hagmann vom Judoklub Grenchen als Leiter tätig ist.
Das Angebot richtet sich an Kinder zwischen 6 und 12 Jahren. Das ideale Alter, denn wenn die Phase verpasst werde, in der Kinder Bewegungsabläufe besonders einfach erlernen, entstünden automatisch Widerstände gegen jegliche sportliche Aktivität.
«Dann entstehen Sportmuffel, die schnell jede Beweglichkeit verlieren – und das führt früher oder später zu gesundheitlichen Problemen.» Durch das polysportive Angebot erhielten die Kinder die Möglichkeit, diejenigen Sportarten auszusuchen, die ihnen am meisten Spass machen.
Da für viele Familien in den Sportferien Schneesport nicht mehr im Vordergrund stehe, fehle den Kindern diese Gelegenheit, sich in der Natur austoben zu können. Weil auch viele Eltern geradezu ungesunde Sicherheitsbedenken hätten, liessen sie ihre Kinder nicht mehr alleine draussen oder gar im Wald spielen, sich bewegen und Dinge ausprobieren.
«Unsere Gesellschaft und die Gesetzgebung sind geprägt von vielen kleinen Verboten. Bewegungsräume für Kinder verschwinden: Man darf nicht auf dem Rasen spielen, nicht auf Bäume klettern und so weiter.»
Die Folge: Kinder, die sich kaum mehr zu bewegen wüssten. Auch Fernsehen und Gamen sei für Kinder äusserst attraktiv und eine Herausforderung für Eltern, die ihre Kinder zu sportlicher Aktivität motivieren möchten.
Selbst die Schule sei hinderlichen Zwängen unterworfen: «Früher ging der Klassenlehrer mit seiner Klasse ins Schwimmbad, um zu schwimmen.» Mittlerweile müssten es schon zwei Lehrpersonen sein, und zwar mit Brevet. «Das hat zur Folge, dass viele Lehrpersonen einfach den Schwimmunterricht sein lassen», sagt Schibler.
Apropos schwimmen: Für nächstes Jahr überlegt man sich, zusätzlich zu den Turnhallen auch die Schwimmhalle zu nutzen. Doch jetzt werden die 19 Kinder erst einmal ihre Abschlussshow einstudieren, die sie ihren Eltern und Geschwistern am Freitag zeigen werden.