Grenchen
Diese Jungs springen später fürs Vaterland

Bei Skydive in Grenchen finden vier Wochen lang die militärischen Vorkurse für Fallschirmaufklärer statt. Das Programm ist taff, doch die Jungs sind ehrgeizig. Von rund 300 Kandidaten wird höchstens ein Dutzend als Fallschirmaufklärer brevetiert.

Oliver Menge
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Trockenübung Absprung
22 Bilder
Üben am Boden
Packen des Fallschirms
Ein Kursteilnehmer bereitet sich vor
Die richtige Haltung im freien Fall
Die Leinen müssen richtig liegen
Kontrolle der Ausrüstung vor dem Sprung
Kontrolle beim Packen
Instruktor Fabian Binggeli erklärt, wie man in der Luft korrigiert
abgehoben
Region Grenchen aus der Luft
Vorkurs für Fallschirmaufklärer in Grenchen
Ready go
Der Instruktor kontrolliert die Haltung vom Flugzeug aus
Wo ist er bloss?
Instruktor springt hinterher
Kursteilnehmer im Anflug
Kursteilnehmer im Anflug
Landung
Das Team in Weiss-Schwarz trainiert für die Schweizer Meisterschaft
Im Steilflug nach unten
Die Welt ist nicht mehr gerade

Trockenübung Absprung

Oliver Menge

«Wären wir nicht ein Super-Team, würden wir unter Umständen nicht durchhalten», sagt Chandra aus dem Rheintal, einer der acht jungen Männer in einer kurzen Pause vor der nächsten Übung. Zwar sind die 17 bis 19-Jährigen aus der ganzen Schweiz freiwillig hier und investieren einen Grossteil ihrer Ferien, aber dennoch absolvieren sie ein strenges, militärisches Tagesprogramm, das ihnen alles abverlangt: Um 6 Uhr aufstehen, Morgensport, duschen, mit dem Velo von Arch, wo sie in der Zivilschutzanlage untergebracht sind, nach Grenchen ins Fussballstadion, Frühstück, danach Theorie oder Sprungvorbereitungen, Briefing für den ersten Absprung, Springen, Fallschirm packen, Debriefing, Theorie, Mittagessen und am Nachmittag dasselbe Programm, zum Teil mehrmals. «Streng, aber es fägt», meint einer. Nur das Aufstehen bereite ihm Mühe, meint ein anderer: «Aus dem Tiefschlaf musst du gleich auf 300, das fällt nicht immer leicht.»

Strenge Auslese

Die acht Jungen absolvieren den ersten von zwei Vorkursen, die Voraussetzung für eine militärische Laufbahn bei den Fallschirmaufklärern sind. Und diese zweiwöchigen Kurse finden bei «Skydive Grenchen» statt, werden von Instruktoren des Klubs durchgeführt. Einer von ihnen, Fabian Binggeli aus Murten, ist selber bei der Fallschirmaufklärerkompanie 17 und erklärt das Auswahlverfahren: Nach der Anmeldung absolvieren die Kandidaten körperliche und medizinische Tests, bevor sie zu den «Sphair»-Kursen - so die Bezeichnung der fliegerischen Vorkurse - zugelassen werden.

Nach den Vorkursen wird nochmals selektioniert. In einem Eignungstest werden die physischen und psychischen Eigenschaften festgestellt, das Verhalten geprüft. Besteht man diesen Test, ist man Anwärter auf eine Rekrutenschule als Fallschirmaufklärer. Dort geht die harte militärische Ausbildung weiter, denn das Einsatzgebiet eines Fallschirmaufklärers liegt ungefähr 200 Kilometer inner- und ausserhalb der Landesgrenzen. Er arbeitet in kleinen Teams oder ist auf sich selber gestellt. Seine Aufgabe besteht darin, unbemerkt nachts ins Einsatzgebiet zu gelangen und dort Informationen zu beschaffen und zu übermitteln. Die Rekruten werden deshalb auch in Survival-Techniken trainiert.

Nach 43 Wochen Ausbildung zum Unteroffizier und Bestehen des «Ironman», werden die Rekruten als vollwertige Mitglieder der Fallschirmtruppen brevetiert. Die Fallschirm-Privatlizenz erhalten sie allerdings schon nach den Vorkursen.

Ob die Acht, die den Vorkurs 1 in Grenchen momentan absolvieren, jemals Mitglieder der Kompanie 17 werden, könne man jetzt noch nicht sagen, meint Binggeli: «Von rund 250 bis 300 Kandidaten für den ersten Vorkurs, absolvieren rund 90 den zweiten Vorkurs. Von diesen werden rund 60 für die Rekrutenschule angemeldet, 30 bis 40 absolvieren die RS und zwischen 7 und 12 werden schliesslich als Fallschirmaufklärer brevetiert.»

Vorkurse: Schon lange Tradition

Seit etwa 1986 führt der Paraclub Grenchen jährlich die militärischen Vorkurse durch. «Eine Win-win-Situation», meint , René Glücki, Präsident von «Skydive». Die zivile Ausbildung sei effizienter und vor allem kostengünstiger, als das für die Luftwaffe je möglich wäre. «Wir organisieren alles: Unterkunft, Verpflegung, Instruktoren.» Die Kursteilnehmer bezahlen 250 Franken, den Rest übernimmt der Bund. Skydive könne so einen Teil der Fixkosten finanzieren und das Flugzeug besser auslasten, denn gleichzeitig finden auch private Sommerkurse statt. «Wir konnten mit dem neuen und grösseren Absetzflugzeug PAC die Flugbewegungen gegenüber früher schon deutlich reduzieren - etwa um 200 Bewegungen im Jahr.» Und das sei auch hinsichtlich der Lärmproblematik wichtig. «Denn obwohl die PAC deutlich leiser ist als der Vorgänger, ist sie Einigen immer noch zu laut.» (om)

Sieben Stunden Fallschirmpacken

Aber dennoch: Man spürt förmlich, dass der Ehrgeiz sie gepackt hat. Zwischen den Sprüngen, den Briefings und Debriefings gibt es viel Theorie. Und viel Praxis am Boden. Alleine rund sieben Stunden wurde das Fallschirm-Packen geübt, immer streng kontrolliert von den drei Instruktoren. «Den vierten Sprung machten wir mit dem selbstgepackten Schirm, das war schon etwas mulmig. Ich fragte mich, ob ich auch wirklich alles richtig gemacht habe, aber wir werden ja sehr streng kontrolliert», erzählt Chandra.

Auch die Haltung in der Luft will geübt sein. «Die normale Haltung des Menschen bei Gefahr ist die Embryostellung», erklärt der Instruktor. «Beim Fallschirmspringen ist genau das Gegenteil richtig: Das Kreuz wird beim freien Fall durchgedrückt, damit die Luft gleichmässig am Körper vorbeiströmt. Mit den Armen kann man die Richtung ändern. Eine andere Stellung verringert die Stabilität und man trudelt». Die richtige Stellung lernen die Jungs auf einer kleinen Platte und am Boden, wo sie den Ablauf des Sprungs wieder und wieder durchgehen. Jeder Handgriff muss sitzen. Denn in der Luft haben sie nicht viel Zeit: vier bis 18 Sekunden freier Fall, je nach Ausbildungsstand und Höhe, dann ziehen sie den Schirm.

«Nach rund 12 Sekunden hat man im freien Fall die Maximalgeschwindigkeit von 50 Metern pro Sekunde, rund 200 Stundenkilometer, erreicht», so Binggeli. Danach schwebt der Springer Richtung Boden, muss auf den Wind und die Umgebung achten und seinen Schirm ins Zielgebiet lenken. Auch das ist kein Zuckerschlecken: Kursteilnehmer Michael verschätzte sich vorgestern beim Landeanflug. Und statt auf dem vorgesehenen Feld zu landen, knallte er in den Hangar. Fazit: Ein Veilchen und ein lädierter Fuss. «Zum Glück passieren solche Unfälle äusserst selten», meinte einer der Instruktoren von Skydive, aber ärgerlich sei es natürlich trotzdem. Glück im Unglück: Michael kann am Montag den Kurs fortsetzen.

Der Vorkurs 1 dauert noch nächste Woche. Danach treten neue Jungs für zwei Wochen zum Vorkurs 2 an und verbringen ihre Ferien so in Grenchen.