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Mit chinesischen Uhren in der Schweiz ein neues Marktsegment erobern. Das wollen zwei junge Grenchner. Sie stammen aus einer bekannten lokalen Uhrendynastie.
Jennifer (25) und Julian von Burg (27) sind Nachkommen von Uhrenpatron George von Burg. Die aus Bettlach stammende Familie hat in Biel, Grenchen und auch weltweit Uhrenmarken bzw. -produktionen aufgebaut (vgl. Kasten). «Unser Urgrossvater hat als Uhrmacher gearbeitet, unser Grossvater George von Burg hat dann neben einer Schweizer Uhrwerkfabrik auch eine der ersten Gehäusefabriken in Fernost (Hongkong) aufgebaut, unsere Eltern haben sich dann im Bereich der Private-Label-Produktion spezialisiert und für andere Marken Uhren produziert», sagt die in Grenchen aufgewachsene Jennifer von Burg.
Nachdem sie Grenchen für ein Studium im Ausland verliessen – Jennifer studierte in Hamburg und Barcelona, ihr Bruder in München –, gründeten die Geschwister 2017 die Uhrenmarke Julien de Bourg. Die Firma ist in Küsnacht ZH domiziliert. 2018 gründeten sie einen Web Shop, auf dem sie ihre Uhren vertreiben. So wie das Dutzende auch tun. Das Spezielle ist, dass ihre Uhren aus China kommen und in der Schweiz verkauft werden, das Umgekehrte des in der Region üblichen also.
Das Ziel, das die beiden verfolgen, ist ehrgeizig. «Wir fertigen unsere Uhren in China, und dies ganz bewusst. Mit der Marke Julien de Bourg wollen wir die allgemein geltenden Regeln in der Uhrenindustrie durchbrechen und infrage stellen, indem wir beweisen, dass qualitativ hochwertige Automatikuhren nicht zwingend im oberen Preissegment angeboten werden müssen», meint Jennifer von Burg. «Unsere Vision ist es, das Handwerk, die Tradition und die Komplexität einer Automatikuhr zurück an jedes Handgelenk zu bringen.» Auf der Homepage wird denn auch die Funktion einer Automatikuhr erklärt – was nämlich bei der jüngeren Generation heute nicht mehr zum Allgemeinwissen gehört.
Die Uhrmacherfamilie von Burg, ursprünglich aus Bettlach, gehörte mitunter zu den frühen Rebellen in der stark reglementierten und kartellisierten Schweizer Uhrenindustrie in der Nachkriegszeit. Dies weil Firmen, die im Ausland investierten, oft von der heimischen Industrie boykottiert wurden. Dem entzogen sich betroffene Firmen nicht zuletzt durch weitere Investitionen in den Absatzmärkten selber. So machte George Josef von Burg nicht nur in Fernost Investitionen. In den 1950er-Jahren zog die Familie in die USA, um eine Zulieferfirma für Uhrenbestandteile aufzubauen, dies für amerikanische Uhrenhersteller. Der Schweiz blieben die von Burgs aber ebenfalls treu und gründete auch hier Uhrenfirmen, so im Jahr 1961 in Biel die Marke Claro Watch, welche stark auf Grenchner Zulieferer setzte. So bezog Claro gemäss eigenen Angaben Uhrenbestandteile von Baumgartner Frères, Ebosa SA und Ebauches SA Bettlach. Ende der 60er-Jahre wurde auch in Südkorea eine Uhrenproduktion etabliert, in welcher Uhrwerke der besagten Grenchner Marken, aber auch von anderen Schweizer Lieferanten mit einheimischen Arbeitskräften zusammengesetzt wurden.
In den letzten Jahren konzentrierte sich die Familie zunehmend auf das Private- Label-Geschäft, indem Uhren für Drittmarken hergestellt wurden. Die jüngste Generation (vgl. Hauptartikel) importiert jetzt Komplettuhren aus China. (at.)
In der Firma kümmert sie sich ums Uhrendesign und ums Marketing, ihr Bruder um die Zahlen und die Technik. Das Zielpublikum seien «urbane und qualitätsbewusste Männer (60 %) und Frauen (40 %) zwischen 20 und 35 Jahren». Es seien Leute, welche eine mechanische Uhr nicht als Investment sähen, sondern auf der Suche seien nach einer mechanischen Qualitätsuhr im Preissegment einer Quarzuhr.
Im Moment konzentriere man sich auf den Aufbau des Web-Versandes, mittelfristig habe man aber schon auch das Ziel, sich im stationären Handel zu platzieren, damit man die Uhren auch in die Hand nehmen könne.
Immerhin hat man sich auf edel aussehende, skelettierte Uhren spezialisiert, welche die Technik sichtbar machen. Von Burg betont, dass die Uhrwerke skelettiert aufgebaut und nicht nur graviert seien, wie man es bei billiger Importware auf einschlägigen Portalen sonst vorfindet. Die Uhren kommen mit einer zweijährigen Garantie und kosten 299 Franken.
Jennifer von Burg räumt ein, dass man ein Jahr nach Gründung des Webshops noch nicht vom Uhrenversand leben könne, obwohl man sich insbesondere in der Westschweiz schon einen Namen habe machen können. Sowohl sie als auch ihr Bruder seien nach wie vor bei Firmen und Aktivitäten ihrer Eltern involviert, welche inzwischen mehrheitlich in Hongkong leben.
Günstige mechanische Uhren gibts allerdings längstens Swiss made (z. B. von Swatch), auch wenn die Auswahl nicht riesig ist und das skelettierte Design hierzulande sonst tatsächlich nur im oberen Preissegment angeboten wird.