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Die Reitställe und das Tierheim Aarebrüggli in Grenchen sind wegen dem Coronalockdown geschlossen, Zutritt haben nur Pfleger und Besitzer der Tiere.
Mancher Hundehalter arbeitet dieser Tage daheim mit dem besten Freund zu Füssen, und wenn der Spaziergang länger ausfällt als sonst, freut das den Hund doppelt. Auch die übrigen Haustiere haben sich mit dem menschlichen Ausnahmezustand arrangiert. Probleme macht dieser hingegen in der professionellen Tierhaltung. Das zeigt sich deutlich beim Aarebrüggli. Beim Grenchner Tierheim und Tierasyl ist der Umsatz «komplett eingebrochen», wie Geschäftsführer Ivan Schmid sagt.
Weil niemand verreist, werden keine Tierferien mehr gebucht. Damit fehlen Schmid die Mittel, um heimatlose Tiere aufzunehmen, sodass er auf seine eisernen Reserven zurückgreifen muss, wie er sagt. «Auf Dauer funktioniert der Betrieb nur dank dieser Quersubvention», erklärt er. Die Anmeldung des Teams zur Kurzarbeit ist da kaum eine Hilfe, denn die 38 Tiere, die auf der Station leben, müssen weiterhin versorgt werden.
Er versuche, den Schaden zu begrenzen, indem abgesehen von seiner Familie derzeit nur ein Tierpfleger und die beiden Lernenden im Einsatz stünden. «Der Lehrauftrag und die Tierschutzaufgabe gelten weiterhin. Beides darf ich nicht vernachlässigen», so Schmid.
Dabei wünscht sich der Aarebrüggli-Chef mehr Unterstützung von der öffentlichen Hand. «Der Gesetzgeber hat die Erwartung an uns, dass wir Tiere in Not aufnehmen, und solche gibt es auch jetzt.» So habe zum Beispiel eine Polizeipatrouille am Palmsonntag einen Hund gebracht.
«Was wir hier tun, ist ein Spagat zwischen dem Notrecht und den Bedürfnissen», sagt Schmid. Bei den Bedürfnissen denkt er an Tiere und Menschen gleichermassen. Wo ein Konflikt entsteht, haben die Tiere Vorrang. Aus diesem Grund erteilt das Aarebrüggli dem Wunsch nach Tieradoptionen auf Zeit eine Absage. Und diejenigen, die jetzt ein Büsi oder einen Hund zu sich nehmen, werden daran erinnert, «dass es eine Zeit nach dem Ausnahmezustand geben und das Tier auch dann Betreuung brauchen wird».
Selbst Angebote, mit Hunden spazieren zu gehen, könne man nicht annehmen, sagt der Geschäftsführer des Tierheims. Hier kommen die Gesundheitsfrage und die Weisung ins Spiel, keine zusätzlichen Kontaktpunkte zu eröffnen. «Das ist eine brutale Erscheinung der Krise: Die Leute haben Zeit, doch die Tiere bleiben für sie unerreichbar.»
Dasselbe Problem hat Cordelia Weber, die Betreiberin der alten Reithalle: «Wir haben noch und noch Anfragen von Kindern, die im Stall helfen möchten.» Doch dieser ist Sperrzone. «Das tut mir in der Seele weh», sagt Weber. «Denn ohne die Kinder sind wir ein Ponyhof, Leben gibt es hier nur mit den Kindern.»
Zutritt haben neben den Angestellten nur die Pferdebesitzer, die ihrerseits teilweise noch im Jugendalter sind. Um für einen krankheitsbedingten Ausfall gewappnet zu sein, hält sich die Hälfte des Teams als Reserve ebenfalls vom Stall fern. Sie habe seit fast vier Wochen ohne freien Tag durchgearbeitet, sagt Weber. Doch das sei es ihr wert. «Immerhin habe ich die Gewissheit, dass jemand da ist, der weiss, wie der Betrieb läuft und was unsere 16 Ponys und Pferde brauchen.»
Entlastung bringt das schöne Wetter. Die Pferde seien täglich draussen, auf der Weide und auf dem Sandplatz. Da krisenbedingt die Weide nicht gedüngt werden konnte – nach der Düngung dürfen die Pferde sich dort längere Zeit nicht aufhalten –, wächst kein Gras mehr nach. Die Folge: Passanten strecken den Pferden Büschel von Grünzeug durch den Zaun. Weber bittet die Leute dringend, jegliche Fütterung zu unterlassen. Gefüttert würden die Pferde im Stall, draussen seien sie, um sich zu bewegen und Abwechslung zu haben.
«Manche Kinder wollten ‹ihrem› Pony einen Batzen ans Heu spenden. Eltern haben angeboten, die wöchentliche Reitstunde, die nicht bezogen werden kann, vom Abo abzubuchen», erzählt die Reithallenbetreiberin. «Das ist die schöne Seite an der Ausnahmesituation, jetzt zeigt sich unser Zusammenhalt.» Aus diesem Grund mag sie nicht jammern.
Auch im Stall Kronwall ist nichts von Untergangsstimmung zu spüren. Aufgrund der Grösse (aktueller Bestand: 44 Pferde) und der Tatsache, dass die Mehrheit Pensions- sowie Ausbildungs- und nicht Reitschulpferde sind, ist hier mehr los als in der alten Reithalle. Dennoch hat es Anpassungen gegeben. Die Besitzer haben die Weisung, die Pferde in den Boxen zu putzen statt auf der Stallgasse, damit die Distanz gewahrt bleibt. «Mit der Halle, dem Aussenreitplatz, der Galoppbahn und der Witi vor der Tür, kommen die Besitzer mit ihren Pferden problemlos aneinander vorbei», sagt Reto Schafroth, Mitinhaber des Betriebs.
Er ist überzeugt, dass die Pferde nach wie vor ausreichend Bewegung haben und von der Krise nichts mitbekommen. Was die Besitzer angeht, so hätten die wenigsten ihre Gewohnheiten im Stall geändert. Beim Stallteam würden jetzt neben der Kurzarbeit nach Möglichkeit Ferien bezogen. Dennoch machen sich der Ausfall der Reitstunden (nicht einmal Privatlektionen dürfen stattfinden) und die Absage des Concours im Mai finanziell empfindlich bemerkbar.
So sehr haben sich die Leute an geschlossene Attraktionen gewöhnt, dass sie selbst Orte meiden, die ihnen offenstehen. Das stellt Ueli Keller, Präsident des Ornithologischen Vereins Grenchen, fest. «Die Kleintiersiedlung im Eichholzquartier ist für die Spaziergänger weiterhin offen. Letzte Woche wurden zwei Geissli geboren, die jetzt aus dem Stall dürfen. Und wir haben neben Hühnern, Fasanen und Ziervögeln auch Minipigs», sagt Keller. Der öffentliche Weg vorbei an den 20 Parzellen sei mit der Abstandsregel gut vereinbar, wenn alle aufeinander Rücksicht nehmen. Zugänglich ist das Areal von 8 bis zirka 22 Uhr. In der Kleintiersiedlung macht es sich positiv bemerkbar, dass die Leute mehr Zeit haben und weniger Ablenkung durch andere Aktivitäten. «Wir haben Besitzer, die fast ständig da sind», sagt Keller. «Die Stimmung ist gut. Es zahlt sich aus, dass wir stets Wert auf ein gutes Miteinander legen.» (dd)