Grenchen
«Die Hauptaufgabe bleibt das Sammeln und bewahren»: Ein Blick ins Museumsarchiv

Das Kultur-Historische Museum Grenchen zeigt eine Sonderausstellung zum Inventarisieren – nicht ganz unbegründet.

Oliver Menge
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Angela Kummer mit einem der etwa 30 Bände von Hans Kohler, deren Inhalte auch inventarisiert werden müssen. Die Schwierigkeit: vieles ist eingeklebt, es handelt sich zum Teil nicht um Originale oder die Herkunft kann nicht bestimmt werden.

Angela Kummer mit einem der etwa 30 Bände von Hans Kohler, deren Inhalte auch inventarisiert werden müssen. Die Schwierigkeit: vieles ist eingeklebt, es handelt sich zum Teil nicht um Originale oder die Herkunft kann nicht bestimmt werden.

Oliver Menge

Wer ein Museum besucht, der tut das, um sich Dinge aus der Vergangenheit anzusehen, mehr über Kunstwerke zu erfahren, historische Gegenstände und Geschichte zu erleben. Zu diesem Zweck organisieren die Museen interessante und zeitgemässe Ausstellungen, organisieren Vortragsreihen, Workshops et cetera. «Schliesslich will man dem Publikum etwas bieten», bestätigt auch Angela Kummer, Leiterin des Kultur-Historischen Museums in Grenchen.

Aber – und das gehe oft etwas vergessen – «die Hauptaufgabe eines Museums ist und bleibt das Sammeln und Bewahren.» Das sei auch für das Kultur-Historische Museum nicht anders, «wir sind diesbezüglich kein Sonderfall», sagt Kummer. Und wie die anderen Museen hat auch das kleine Museum in Grenchen Mühe, die Ressourcen für eine systematische Inventarisierung seiner «Schätze» freizuschaufeln. «Weder unsere Geldgeber noch das Publikum wissen eigentlich genau, wie das bei uns läuft. Daher haben wir diese kleine Sonderausstellung im 1. Stock zusammengestellt, wo wir in Verbindung mit Workshops dem Publikum zeigen, wie die Gegenstände, die später vielleicht einmal ausgestellt werden, bei uns erfasst, fotografiert und inventarisiert werden.» Dabei können Teilnehmer den Museumsangestellten bei der Arbeit zur Hand gehen.

Das Sammlungskonzept ist klar beschrieben

Digitalisierung ist ein Muss

Das Kultur-Historische Museum hat schon lange damit begonnen, die Sammlung in einer elektronischen Datenbank zu inventarisieren. «Es gibt verschiedene Datenbanklösungen, manche sind sehr teuer und übersteigen das Budget kleinerer Museen, wie dem unseren. Wir verwenden die Software ‹culture web›, ein Projekt der europäischen Forschungsstelle Joanneum in Graz, wo noch weitere kleinere Museen angeschlossen sind.

Von jedem Stück wird ein Foto mit Farbkeil und Inventarnummer erstellt sowie alle wichtigen Daten erfasst: Herkunft, Alter, Beschreibung, Zwecke etc. «Langfristiges Ziel ist es, die ganze Sammlung in einem online Sammlungskatalog für alle zugänglich zu machen». (om)

Die Museums-Gesellschaft Grenchen begann schon früh damit, Gegenstände aus früheren Zeiten zu sammeln. Sie organisierte und bezahlte sogar Ausgrabungen, denn ein kantonsarchäologischer Dienst existierte damals noch nicht. «Vor allem in den 40er und 50er-Jahren wurden so Münzen, Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände aus der Zeit der römischen und mittelalterlichen Besiedlung der Gegend bei Ausgrabungen gefunden.»

«Das Kultur-Historische Museum Grenchen unterscheidet sich von anderen Museen insofern, als dass es bei uns in erster Linie darum geht, die Geschichte der Stadt und Region Grenchen zu dokumentieren», erklärt Kummer. Wie haben die Leute gelebt, womit haben sie gearbeitet, welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen hatten Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen. So ist auch das Sammlungskonzept klar formuliert: «Das Kultur-Historische Museum sammelt, erschliesst und konserviert gezielt dreidimensionales Kulturgut, welches die Geschichte der Stadt Grenchen exemplarisch dokumentiert. Wichtig bei der Auswahl der Objekte ist deren Aussagekraft als Repräsentant eines relevanten historischen Prozesses.»

Die Geschichte der Uhrenindustrie bildet dabei einen thematischen, die zweite Hälfte des 19. und das 20. Jahrhundert bilden zeitliche Schwerpunkte. Gesammelt werden besonders Objekte aus der Nachkriegszeit bis ca. 1970 mit Bezug zu Grenchen.

Aber woher kommen die Stücke? «Für gezieltes Suchen fehlen uns die Ressourcen», sagt Kummer. Im Budget sind für die Sammlung gerademal 2000 Franken jährlich vorgesehen. Damit wird auch die Inventarisierung finanziert. Das Meiste werde dem Museum geschenkt. «Wir haben im Schnitt pro Woche eine bis zwei Anfragen von Personen, die uns einen Gegenstand, ein Bild oder sonst etwas geben möchten, falls wir Interesse haben», sagt die Museumsleiterin. Oft sei das dann mit einem Besuch und einer Sichtung verbunden. Handle es sich um grosse Gegenstände oder heikles Material, müsse in der Regel der Stiftungsrat darüber entscheiden, ob man das Stück in die Sammlung aufnehmen wolle.

Oft komme es auch vor, dass bei Vereinsauflösungen Dinge angeboten würden, wie zum Beispiel Flaggen oder Siegerpokale eines Schützenvereins, die nicht eigentlich ins Sammlungskonzept des Kultur-Historischen Museums passen, dafür aber in ein Spezialmuseum. Oder in anderen Fällen, wie bei manchen Grenchner Uhrenfirmen, verfügten diese über umfangreiche Sammlungen von Bestandteilen oder Maschinen, die besser erst einmal dort bleiben, wo sie sind. «Wir können dann beispielsweise für eine Sonderausstellung darauf zurückkommen.» Man arbeite auch eng mit dem Stadtarchiv und weiteren Museen und Archiven zusammen.

Was hingegen immer von grossem Interesse sei, seien Stücke aus alten Grenchner Familien, die dem Museum überlassen würden, wenn jemand sterbe, ein Haus geräumt werde oder ähnlich. «Wir dokumentieren das Leben der Menschen in unserer Region, da müssen persönliche und Familiengeschichten Platz haben», erklärt Kummer. Das Sammeln werde so manchmal regelrecht zur detektivischen Arbeit.

Der Platz ist das grosse Problem

Ein Grossteil der Sammlung des Kultur-Historischen Museums ist in einem Depot eingelagert, in Räumen der Zivilschutzanlage des Haldenschulhauses, die im Fall einer ausserordentlichen Katastrophe auch als Schutzraum für die Grenchner Kulturgüter dient. In den 80er- und 90er-Jahren wurden die Bestände zusammengetragen, denn man habe überall in der Stadt an verschiedensten Orten Dinge eingelagert. Prominentes Beispiel war das Segelflugzeug «Zögling», das letztes Jahr von Thomas Fessler und seinem Team restauriert und zu seinem zweiten Jungfernflug gebracht wurde: Er war jahrzehntelang im Heizungsraum im Schulhaus II eingelagert.

In anderen Kellern lagerten beispielsweise landwirtschaftliche Geräte und viel Material, das weder beschrieben noch genau bestimmbar war. «In den Jahren 2006 bis 2008 haben wir die Bestände ein erstes Mal umfassend eruiert und uns bei manchen Stücken dazu entschieden, sie entweder an Museen weiterzugeben, zu deren Sammlungskonzept sie passen, oder sie mussten entsorgt werden, weil ihnen die Zeit und die unsachgemässe Lagerung zu arg zugesetzt hatten.»

Am liebsten wäre Kummer, wenn im Rahmen eines Neubaus, beispielsweise eines neuen Verwaltungsgebäudes, Depotraum für alle Grenchner Museen geschaffen würde.