Grenchen
Die «Gränchner Gosche» zieht die Lokalprominenz durch den Kakao

Seit heute steht das «unzensurierten Intelligenzplatt» an ausgewählten Lokalen für einen Fünfliber zum Verkauf. Träfe Sprüche, geschüttelte Reime und hochkarätige Karikaturen prägen das Blatt

Oliver Menge
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Oliver Menge

Um es gleich vorwegzunehmen: Die «Gränchner Gosche» spart auch in ihrer 72. Ausgabe nicht mit deftigen Seitenhieben und derben Sprüchen. «Ufaufäu» findet sich Herr und Frau Grenchner im fasnächtlichen , dem offiziellen Orkan der Faschingszunft Grenchen, mancherorts. Aber: Im Gegensatz zu den vergangenen «Umgängen», wie die «Gosche» ihre jährlichen Ausgaben bezeichnet, bemerkt man, dass nicht allzu viel Schwerwiegendes tatsächlich schiefgelaufen ist in der Uhrenstadt am Jurasüdfuss. Wenigstens aus Sicht der «Goschen»-Schreiber.

Die Fasnachtszeitung fällt aus der Sicht des Betrachters etwas «milder» aus als auch schon. Insbesondere ein Merkmal der aktuellen Ausgabe fällt auf: Die Nachbarn aus Solothurn bekommen dieses Mal ihr Fett nicht weg. Nicht, «nur ein wenig», nein, gar nicht. Ist das die berühmte Altersmilde? Nun denn, es wird sich zeigen, ob die Soledurner auch so gnädig sind, wenns um den «Erzrivalen» Grenchen in ihren Fasnachtsblättern geht.

Dem Zeitgeist entsprechend

Mit Befriedigung kann die Redaktion feststellen, dass die Artikel dieser Zeitung den Fasnächtlern übers Jahr offenbar viele Themen-Inputs und Steilvorlagen geliefert haben. Die «Gosche»-Macher haben sich grosse Mühe gegeben, das berühmte Haar in der Suppe zu finden. Und wie schon so oft, wurden sie auch dieses Jahr fündig und verteilten viele «Kopfnüsse». Welche, wollen wir an dieser Stelle natürlich nicht verraten, höchstens andeuten.

Wie immer beginnt Göschi mit einem ungereimten Rundgang durch die Stadt. Diesmal im Zentrum. Das Göschi wird Opfer des heute herrschenden Zeitgeistes: Keiner hat mehr Zeit für einen gemütlichen Schwatz. Genüsslich wird die gehetzte, vorwiegend weibliche und rastlose Lokalprominenz, die am Markt angetroffen wird, durch den Kakao gezogen.

Auch sonst geizt das Blatt nicht, auffallenden Bewohnern dieser Stadt eine Karikatur und ein paar Zeilen zu widmen. Es gibt sogar «vielseitige und erfolgreiche» Personen, die sich glatt durchschaut fühlen dürften, wenn sie ihr Konterfei im Blatt entdecken. Die Zeichner Leo und Co. haben einmal mehr ganze Arbeit geleistet und bringen die Dinge in die Höhe und auf den Punkt, reduziert auf das Wesentliche. So zum Beispiel auch in einer Zeichnung zu den Reaktionen auf den umstrittenen Dok-Film, der halb Grenchen nächtelang den Schlaf raubte.

Die Politik als Zielscheibe

Erwartungsgemäss kommt die Politik an die Kasse: Gewichtiges Thema auf einer Doppelseite ist der Gesamtgemeinderat, der sich hinter einem Steuerrad versammelt hat und einen gemeinsamen Kurs fahren will. So geschehen letzten Herbst, als man «Kompass» beschloss und alle vorgaben, am selben Strick zu ziehen. Die «Gosche» weiss, dass dem mitnichten so ist, sondern vielmehr jeder der Protagonisten ein eigenes Motivationszügli fährt.

SVP-Doyen Ivo von Büren – Ehre, wem Ehre gebührt – erhält sogar sein eigenes Värsli. Und natürlich fehlen auch einige träfe Sprüche zu Stapi François Scheidegger nicht in der heutigen «Gosche». Sogar seinem Vorgänger werden ein paar Zeilen gewidmet, aber keine Tränen nachgeweint.

Das Hôtel de Ville ist, wie so oft, ebenfalls Zielscheibe der Fasnachtsschreiber. Und die krähenden Krähen, die das Titelbild der «Gosche» zieren. Im Stadthaus sei wegen des Geschreis an einen gesunden Schlaf nicht mehr zu denken. Und vor dem Krähenmist, der vom Himmel falle, könne sich eh keiner schützen.

Für Gutinformierte

Die diesjährige «Gosche» setzt teilweise ein gehöriges Mass an Wissen über die Begebenheiten in der Stadt übers Jahr voraus. Auf manchen Seiten operieren die «Goschen»-Schreiber mit Kürzest-Informationen, einzelnen Anekdoten und zweizeiligen Kalauern – Letztere übrigens ein Highlight.

Themen wie das undichte Dach des Velodromes – e hufe chlini schwarzi Löcher –, die nicht rutschige Plastik-Eisbahn, der Pilot im russischen Kampfflieger, der einen Umweg über die Kantonsstrasse machte, die leidige und noch nicht abgeschlossene Diskussion zum Blumenschmuck auf dem Friedhof, der neue Talk «Ganz unger üs» und Kunstausstellungen mit missinterpretierten Installationen werden thematisiert. Auch die neue Parking-App und die Geschichte rund um die Namensänderung der Schlachthausstrasse werden in der «Gosche» verarbeitet. Ein lesenswertes Muss für jeden Grenchner, jede Grenchnerin.

Das Blatt ist für einen Fünfliber an ausgewählten Verkaufsstellen erhältlich.