Grenchen
Die Flugsicherung auf dem Airport wird neu organisiert

Bis Mitte 2019 sollen drei verschiedene Betriebsarten von Flugverkehrsservices eingeführt werden und die Verantwortung für die Flugsicherung beim Flughafen liegen.

Oliver Menge
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Die Verantwortung für den lokalen Flugsicherungsdienst soll 2019 direkt auf den Flughafen übergehen.

Die Verantwortung für den lokalen Flugsicherungsdienst soll 2019 direkt auf den Flughafen übergehen.

Hanspeter Bärtschi

Letzten Herbst kam es auf dem Regionalflughafen Grenchen zu einem personellen Engpass bei Skyguide, der Firma, welche für die Flugsicherung zuständig ist. Das hatte sogar zeitweise die Schliessung des Flughafens zur Folge. Damit so etwas nicht mehr passiert, will man einige Massnahmen treffen, wie die Verantwortlichen des Flughafens in einer Medienmitteilung bekanntgaben: «Skyguide wird kurzfristig ihre personellen Ressourcen aufstocken, um damit den Flugsicherungsdienst auf dem Flughafen sicherzustellen.»

Bis Mitte 2019 sollen ausserdem flexible, jeweils auf die konkreten Bedürfnisse zugeschnittene Flugverkehrsservices – FlexATS – Flexible Air Traffic System – eingeführt werden. Folgende drei Betriebsarten für die Flugsicherung sind im Wechsel jeweils ganztägig – Randzeiten evtl. ausgenommen – vorgesehen: Fluginformationsdienst (Aerodrome Flight Information Service AFIS) als Grundausstattung, Flugverkehrsdienst (Air Traffic Control ATC) bei erhöhtem Flugverkehr oder bei Kundenbedarf, unkontrolliert mit einer obligatorischen Sprechfunkzone (Radio Mandatory Zone RMZ) bei geringem Flugverkehr an Schlechtwettertagen und Randzeiten. Instrumentenflugverkehr (Instrument Flight Rules IFR) ist bei jeder Betriebsart (AFIS, ATC, RMZ) gewährleistet. Das FlexATS soll schrittweise eingeführt werden.

Um Ostern kam es offenbar kurzzeitig zu kritischen Situationen, die von Beobachtern als «nicht mehr safe» bezeichnet wurden. Man hatte am Karfreitag damit begonnen, mit AFIS, also dem reinen Fluginformationsdienst zu operieren. Dies nicht zuletzt, um Kosten einzusparen und um der prekären Personalsituation bei Skyguide auf dem Platz Grenchen Rechnung zu tragen. Die Piloten in der Luft sind bei diesem Operationssystem auf sich selber gestellt und werden nicht von irgendwem in bestimmte Sektoren eingewiesen. Bereits am Ostermontag sei innerhalb von kurzer Zeit eine Situation entstanden, in der Mitarbeiter der Skyguide, die auf dem Flugplatz zu der Zeit lediglich eine beobachtende Rolle innehatten, eingreifen und AFIS ausser Kraft setzen mussten. Dies offenbar, weil ein Pilot eine für die anderen Verkehrsteilnehmer gefährliche Aktion durchführte, die weder angekündigt noch sinnvoll gewesen sei, wie dieser Zeitung zugetragen wurde.

Die noch bedeutendere Änderung wird allerdings ab 2019 erfolgen: Die Verantwortung für den lokalen Flugsicherungsdienst soll 2019 direkt auf den Flughafen übergehen. Die in diesem Jahr erfolgte Revision des Luftfahrtgesetzes macht dies ab 1. Januar 2019 möglich. Laut Conrad Stampfli, Verwaltungsrat des Flughafens, werde man den lokalen Flugsicherungsdienst als Auftrag an einen zertifizierten Flugsicherungsdienstleister weiterdelegieren. Die öffentliche Ausschreibung soll Mitte Jahr erfolgen. Laut Stampfli hätten sich aber bereits einige Interessenten gemeldet, darunter auch Skyguide. «Es haben auch Gespräche stattgefunden», sagt Stampfli. Der Flughafen Grenchen nutze damit die Möglichkeiten des nunmehr teilliberalisierten Marktes.

Grosse Kosteneinsparungen

FlexATS werde zu substanziellen Kosteneinsparungen führen und auch die gesamtschweizerische Flugsicherungsrechnung entlasten, sind die Verantwortlichen überzeugt. Die Flugsicherung bleibt aber defizitär.

Der Flughafen werde weiterhin auf Mittel aus der Mineralölsteuer angewiesen sein, aber in viel kleinerem Umfang als bisher.

Pionierrolle

Gemessen an den Flugbewegungen ist der Flughafen Grenchen der viertgrösste Flugplatz in der Schweiz. «Er ist nationaler Cluster für die Pilotenausbildung. Es ist deshalb wichtig, alle Betriebsarten der Flugsicherung bedürfnisgerecht verfügbar machen zu können, insbesondere zu Ausbildungszwecken. FlexATS wird dies ermöglichen», ist Stampfli überzeugt. Der Flughafen Grenchen übernehme mit diesem in der Schweiz bisher noch nicht, aber im Ausland bereits bewährten, Flugsicherungskonzept einmal mehr, wie schon oft in der Vergangenheit, eine Pionieraufgabe; bei Erfolg zum Nutzen der gesamten schweizerischen Luftfahrt, welche das kostengünstige FlexATS für andere Flugplätze übernehmen kann.

Gegenwärtig läuft zudem beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) ein Bewilligungsverfahren für Notfallsituationen. Bei personellen oder technischen Ausfällen soll künftig eine vorübergehende Schliessung des Flughafens, wie im Herbst 2017 vorgekommen, verhindert und der Weiterbetrieb minimal mit einer Radio Mandatory Zone RMZ sichergestellt werden. Die Flughafenverantwortlichen rechnen mit einem baldigen Entscheid.

Warum die Aufteilung der Kosten für die Flugsicherung vielen Leuten Kopfschmerzen bereitet

Die militärischen und zivilen Flugsicherungsdienste der Schweiz wurden 2001 zur Skyguide vereint. 2009 wurden die Gebühren für die Flugsicherung nach dem Prinzip der Kostendeckung neu geregelt und Quersubventionierungen zugelassen. Die internationalen Flughäfen Genf und Zürich finanzierten einen Teil der Regionalflughäfen, die ihnen noch heute den wenig lukrativen «aviatischen Überlauf» abnehmen, so zum Beispiel die Ausbildung künftiger Linienpiloten. 2013 wurde diese Quersubventionierung wieder gestoppt.

Grund war eine neue Regelung der EASA, der europäischen Agentur für Flugsicherheit, der auch die Schweiz angehört. Flughäfen in Osteuropa hatten für den Überflug über ihre Kontrollzone von den Fluggesellschaften horrende Gebühren verlangt und so ihre Infrastruktur am Boden finanziert. Dem setzte die EASA ein Ende. Die Schweiz, die die europäischen Regelungen eins zu eins übernimmt, verschärfte diese Regelung sogar und verpasste es, die Ausnahmeregelung der EU für kleine Regionalflugplätze – zu denen alle Schweizer Regionalflughäfen gehören würden – zu übernehmen.

Ein neues Konzept der Finanzierung der Flugsicherung hob die bestehende Quersubventionierung auf und teilte die Flughäfen und -plätze nach flugsicherungstechnischen Grundsätzen in Kategorien ein. Die Kosten prognostizierte Skyguide damals auf 28 Millionen Franken. Stattdessen wurden 35 Millionen daraus. Dadurch fehlen den Regionalflughäfen seit 2013 rund 7 Millionen jährlich.

Die Kosten für Flugsicherung werden den Regionalflughäfen pauschal aufgebrummt, auf den grossen Flughäfen Genf und Zürich werden den Fluggesellschaften pro Flug Rechnungen ausgestellt. «Dies widerspricht dem Verursacherprinzip, denn Bezüger der Flugsicherung ist der Operator und nicht der Flugplatz», so Conrad Stampfli, Verwaltungsrat des Flughafens Grenchen.

Die Kosten werden nach einem Schlüssel abhängig von den erhobenen Flugbewegungen verteilt. 25% aller Flugbewegungen – ohne die auf Landesflughäfen – fallen auf den Flugplätzen Kat II, also denjenigen mit Flugsicherung an. 75% auf den übrigen Flugplätzen und Flugfeldern. Die Kosten werden aber zu 100% Prozent auf die Flugplätze Kat. II überwälzt. Zu dieser Kategorie gehört auch Grenchen. Der Regionalflughafen Grenchen bezahlt aufgrund seiner Flugbewegungen 29% der generellen Flugsicherung aller Regionalflughäfen und Flugfelder, obwohl gerade einmal 7% der Flugbewegungen hier stattfinden. Das sind jährlich 2,9 Mio. Fr. von insgesamt 10,7 Mio. Fr. Dazu kommt, dass jeder Liter Treibstoff in Grenchen oder auf den anderen Regionalflughäfen mit einem Zollzuschlag belastet ist, im Gegensatz zu den internationalen, zollbefreiten Airports. (om)