In Grenchen konnte dem Hausärztemangel bisher Paroli geboten werden, wie eine kleine Umfrage unter Allgemeinpraktikern zeigt. Doch sicher ist eine Zukunftsprognose nicht.
Der Hausärztemangel in der Schweiz ist ein bekanntes und viel diskutiertes Thema. In Grenchen wurde der Einbruch des medizinischen Angebots zumindest für den Moment verhindert. In der Region Grenchen (dazu gehören Bettlach und Selzach) sind 23 Hausärzte beschäftigt. In den letzten fünf bis sieben Jahren haben acht Ärzte ihre Praxis aufgegeben, und es sind 10 neue Ärzte dazugekommen. In Selzach wurde erst kürzlich eine Gruppenpraxis eröffnet.
Im Moment sei die medizinische Grundversorgung in Grenchen gut, lassen sich mehrere Ärzte vernehmen, jedoch ist die Zukunft ungewiss, Nachfolger schwierig zu finden; etliche Ärzte nähern sich dem Pensionsalter oder haben dieses bereits überschritten. Paula Juillerat beispielsweise gibt an, spätestens 2019 aufzuhören. Da der Lift keine Rollstühle mehr transportieren könne, werde es keinen Sinn machen, einen Nachfolger zu suchen, jedoch werde die am selben Ort gelegene Zahnarztpraxis als Gruppenzahnarztpraxis weitergeführt.
«Fünf Ärzte in der Region Grenchen sind über 65, davon zwei über 70», erklärt Raphael Tièche. Vor vier Jahren hat er die Arztpraxis seines Vaters am Marktplatz übernommen und zu einer Gruppenpraxis mit drei Ärzten und einem Assistenten umgewandelt. Sein Vater ist einer der beiden über siebzigjährigen Ärzte in Grenchen. Die Pension hat er nach wie vor nicht angetreten. «Wie Erfahrungen zeigen, wünschen sich die Patienten Hausärzte, die ihre Muttersprache sprechen. Hausärzte aus dem Ausland, auch aus Asien, liessen sich leichter finden», weiss Tièche. Thomas Fluri, der vor ein paar Jahren die Praxis von Martin Walter übernommen hat, hat bereits nach einem Arbeitskollegen gesucht, er würde gerne Jobsharing machen. «Aber es ist ein Ding der Unmöglichkeit», hält er fest.
Astrid Pawlisz, die Präsidentin der hiesigen Ärztevereinigung, erhält hingegen jährlich ungefähr eine Spontanbewerbung. Sie führt mit drei Ärztinnen die Praxis Mylife an der Solothurnstrasse. «Wenn die Anforderungen ausreichen, würde ich den Bewerber oder die Bewerberin einstellen. Erst im September ist auf diese Weise eine neue Hausärztin in meiner Praxis eingestiegen. Es sind aber nach wie vor rund 100 bis 150 Stellenprozent frei.» Der Bedarf an Ärzten sei da. Pawlisz: «Das sieht man an neuen Patienten. Bei meinen Kolleginnen waren beispielsweise letzte Woche mehrere neue Patienten eingetragen. In einem Jahr werden sie wie ich voll ausgelastet sein.»
Im Buchegg sind mehrere Arztpraxen eingegangen, da keine Nachfolger gefunden wurden. «Grenchen ist nicht so das Problem, sondern eher das Umland», äussert sich Fluri. Wie auch andere Ärzte bestätigen können, reicht ihre Kundschaft bis in den Bucheggberg. Aber nicht nur dort gehen Arztpraxen zu, in einer grösseren Praxis in Bellach wird aus Altersgründen bald ein Arzt allein zurückbleiben. Und einer allein wird diese Praxis nicht stemmen können.
Ein weiteres Problem ist, dass weibliche Ärzte vermehrt Teilzeit arbeiten. «Bis ich ein Kind bekam, arbeitete ich 100 Prozent, nun arbeite ich noch die Hälfte», so Pawlisz. Rund 60 Prozent aller Ärzte sind Frauen. Das heisst, dass es in der Regel zwei Ärzte pro frei werdende Stelle braucht.
Ein weiteres Problem sind die Investitionen in die Praxis. Tatsache ist, dass der Nachfolger heute viel Geld in die Hand nehmen muss, um altes Inventar zu ersetzen, dazu kommt der administrative Aufwand, wie der Grenchner Arzt Raphael Tièche erklärt. Und schliesslich sei da auch die Teilzeitarbeit, die dazu führe, dass mehr Ärzte gebraucht werden, erwähnt auch er diesen Umstand. Eine Gruppenpraxis sei für einen jungen Hausarzt eigentlich attraktiv, da sich so das Problem des administrativen Aufwands löse, ausserdem wird im Team gearbeitet. Tièche: «Es können dort auch leichter Assistenzärzte ausgebildet werden. In den letzten Jahren haben wir sechs ausgebildet, vier arbeiten in einer Praxis, drei davon in Grenchen.»