Ein Grenchner, der ein besonderes Fahrzeug besitzt, ist Thomas Fluri. Er hat einen Morgan Classic Plus 4 gekauft, weil ihn die Mechanik fasziniert.
Oft sieht man den Hausarzt Thomas Fluri, der in Grenchen seine Praxis betreibt, auf einem Elektrobike. Ab und zu ist er aber auch im schnittigen, dunkelgrünen Morgan Classic Plus 4 unterwegs, den er sein eigen nennt, doch die meiste Zeit steht das edle Gefährt gut geschützt in der Garage. Zur Arbeit fährt er mit einem zweckmässigen Kombi, Hausbesuche und Besorgungen erledigen er oder die Angestellten mit dem Elektrobike.
Der gelernte Feinmechaniker, der seine Ausbildung bei Rolex absolvierte, auf dem zweiten Bildungsweg Medizin studierte und vor etwas mehr als drei Jahren die Praxis des Grenchner Hausarztes Martin Walther übernahm, ist kein Autonarr, wie er sagt. «Mein erstes Auto war ein VW Käfer. An diesem Fahrzeug habe ich auch selber viel rumgebastelt und geflickt, wenn es etwas zu flicken gab.» Aber bei den Nachfolgern sei das dann halt nicht mehr nötig gewesen, weil es in der Regel nichts zu flicken gab.
Der Umstand, dass im letzten Jahr in Grenchen das 10 000. Auto eingelöst wurde, veranlasst uns, näher hinzuschauen. Was meinen Politiker zur «Autostadt Grenchen», fragten wir im ersten Teil unserer Sommerserie. Wir wollen einige der besonderen Fahrzeuge vorstellen, die auf Grenchens Strassen unterwegs sind. Heute sind wir bei Thomas Fluri und seinem Morgan Classic Plus 4.
Bisher erschienen:
- Der Jaguar SS von Urs Lerch aus dem Jahr 1937.
- Der Fiat 126 von Alex Kaufmann mit Jahrgang 81.
- Der Rolls Royce Phantom von Mathias Mühlemann.
- Der Morgan «Threewheeler» von Daniel Graf.
Fluri ist oft auf den Strassen unterwegs, nicht wegen der Geschwindigkeit oder wegen der Pferdestärken. «Man könnte mir irgendeinen unglaublich teuren Boliden mit unglaublich viel PS hinstellen, es würde mich nicht interessieren. Ich fahre einfach gerne. Fahre gemütlich, cruise durch die Gegend und lasse die Landschaft auf mich wirken, geniesse die Langsamkeit.»
Der Morgan biete auch einen Smile-Faktor in hohem Mass, so Fluri: «Vor allem Kinder winken ständig, wenn man vorbeifährt, weil die Form der eines klassischen «Autölis» entspricht. Und wenn ich den Wagen irgendwo abstelle, komme ich sofort mit Leuten ins Gespräch.»
Thomas Fluri steht auf Schnörkellosigkeit. Und er mag solide Handarbeit und Mechanik. Aus diesem Grund besitze er diesen englischen Sportwagen. «Der Morgan wird seit 1936 gebaut. Seit 1964 gibt es das Modell Plus 4 und es wird sozusagen unverändert bis heute serienmässig hergestellt.»
Tatsächlich stehen die Fahrzeuge der englischen Firma, die von Beginn an in Besitz der Familie Morgan ist, im Guinness-Buch der Rekorde für das am längsten in Serie produzierte Auto der Welt. Jedes Fahrzeug, welches die Fabrik in Malvern in Worcestershire verlässt, wird in Handarbeit hergestellt. Und ausser dem Motor von Ford und dem Getriebe von Mazda, ist eigentlich nichts «modern» am Morgan.
Das Auto besteht grösstenteils aus vier Grundmaterialien: Der Boden und der Carrosserie-Unterbau sind aus Eschenholz, das Chassis ist aus Stahl, die Carrosserie aus Aluminium und das Interieur aus Leder. Nur wenige Teile sind aus Gummi, nichts aus Kunststoff. «Das finde ich in der heutigen Welt faszinierend und einmalig. Keine Servolenkung, kein ABS, eine harte Blattfederung. Er ist keine Replika, sondern ein klassisches Fahrzeug, das seit Anbeginn so gebaut wurde und immer noch wird», so Fluri. Der Morgan fährt sich wie ein echter Oldtimer, ohne eigentlich einer zu sein. Der 150 PS starke Vierzylindermotor schnurrt dabei wie ein Kätzchen.
Auch längere Fahrten habe er unternommen: Zusammen mit seiner Partnerin cruiste er durch Frankreich bis nach Bordeaux und genoss die französische «art de vivre». «Ich versuche, auch meinen Patienten den Sinn fürs Langsame näherzubringen und das Leben zu entschleunigen. Denn die Hetzerei erachte ich als das Grundübel unserer modernen Zeit.»
Der Wagen verbraucht im Schnitt 6,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer, sei also doch recht sparsam, so Fluri. Der moderne, einfache Motor und das 5-Gang-Getriebe seien robust und gut zu unterhalten, «nur die Achse, die muss alle 2000 bis 3000 Kilometer geschmiert werden, das erledige ich in der Regel selber.»
Zu seinem 50. Geburtstag habe er von einem Freund eine wunderschöne, klassische, mechanische Uhr mit Handaufzug fürs Armaturenbrett geschenkt erhalten. Diese wird nun an einem Ehrenplatz im Armaturenbrett eingebaut.
Für Fluri ist besonders wichtig, dass die englische Firma ihrer Linie und Tradition treu geblieben ist. «Ich bin kein ‹Markenfan›, aber eine Marke steht immer für etwas. Und es gibt Marken, die ihre Linie verloren haben und nur ein Marketingprodukt darstellen. Eine gute Marke ist an ihren Produkten gewachsen – und nicht umgekehrt.»
Heute werde oft eine Marke geschaffen, um dadurch ein Produkt möglichst teuer an eine bestimmte Zielgruppe verkaufen zu können, oder noch schlimmer: «Eine alte Marke mit einer grossartigen Geschichte, die eigentlich abgeschlossen ist, wird für ein neues Produkt verwendet, das mit ebendieser Tradition nichts mehr zu tun hat. Ein weitverbreitetes Phänomen in der Autobranche.» Beim Morgan sei das eben nicht so.
Das Wichtigste aber, so Fluri schmunzelnd: «Der Morgan benötigt keine Updates. In 40, 50 Jahren wird es die heute modernen Autos als Oldtimer nicht mehr geben. Die Software wird fehlen, um die nötigen Updates zu machen. Also wird man die Autos einfach nicht mehr starten können. Der Morgan, der läuft dann aber immer noch, hoffentlich. Die solide Mechanik und die Tatsache, dass eben fast keine Elektronik verbaut wurde, machen ihn wertbeständig.»