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Peter A. Schild wirkte einst als letzter amtlicher Edelmetall-Kontrolleur in Grenchen. Er testete als Beamter der Eidgenossenschaft die Qualität des Goldes, das die Uhrenindustrie verwendete.
Immer wieder begegnet man in Grenchen dem Ausdruck «Kontrollverein». So hat der Kontrollverein 1908 das Gebäude an der Bahnhofstrasse gebaut, das heute als Hôtel de Ville bekannt ist; das Grenchner Stadthaus mit dem Hauptsitz der Gemeindeverwaltung. Doch was ist mit dem ominösen «Verein» gemeint, der heute wohl nur noch älteren Grenchnern ein Begriff ist. Nicht einmal im Stadtwiki, das ansonsten zu vielen historischen Gegebenheiten rund um die Uhrenstadt Bescheid weiss, lässt sich ein Eintrag dazu finden.
Fündig werden wir bei Peter A. Schild. «Ich war der letzte Edelmetallkontrolleur Grenchens», erzählt der vitale Pensionär (79) mit einem wissenden Lächeln. Denn was es damit auf sich hat, ist eine Geschichte, die bis ins Jahr 1888 zurückreicht. Damals wurde im Zuge der Bemühungen um die Qualitätssicherung bei den Schweizer Uhren ein Gesetz erlassen, das die Kontrolle und Kennzeichnung von Edelmetallen vorschreibt. Der Vollzug wurde aber den betreffenden Branchen überlassen. Auch die «Interchangeabilité» sei damals ein Thema in der Uhrenbranche geworden, die Austauschbarkeit von Uhrenteilen, die erst eine Massenproduktion ermöglicht hat. Damals waren noch fast alle Uhren Taschenuhren.
So wurden in Biel oder Grenchen Organisationen gegründet, die mit eigenen Angestellten die für die Herstellung von Uhrenschalen (Gehäuse) verwendeten Edelmetalle auf ihre Reinheit prüften und zertifizierten. In Biel etwa zeugt das pompöse «Kontrollgebäude» am Zentralplatz von jenen Zeiten, in Grenchen das etwas weniger ambitiöse aber doch stattliche heutige Stadthaus.
«In Grenchen war der Kontrollverein eine Aktiengesellschaft mit vinkulierten Namenaktien», erinnert sich Schild. Sie besass zuletzt vor allem noch Gebäude und Land in der Stadt und wurde erst 2009 liquidiert. Schon 1933 wurden die Aktivitäten der Edelmetallkontrolle von der Eidgenössischen Zollverwaltung übernommen. Es war wieder mal Uhrenkrise.
Peter A. Schild arbeitete von 1962 bis 1989 als «Edelmetallprobierer» (so die offizielle Berufsbezeichnung) der Eidgenössischen Zollverwaltung in Grenchen. Es gab immer wie weniger Firmen in Grenchen, welche Uhrenschalen aus Gold, Silber oder Platin herstellten. Ein Kontrollamt vor Ort wurde damit überflüssig. Die Edelmetallkontrolle Biel übernahm dann die restlichen Funktionen.
Von 1989 bis zu seiner Pensionierung 2004 arbeitete Schild noch für den Zoll in Basel, wo er Leiter der Edelmetallkontrolle war. Heute lebt er in seinem Haus im Eichholzquartier, geht gerne auf Reisen und ist als Amateurfunker mit Gleichgesinnten in aller Welt in Kontakt.
Von seinem Grenchner Vorgänger bei der Edelmetallprüfung, Georges Tripet (1902-1980) habe er erfahren, wie das damals im heutigen Stadthaus so zu und her ging: «Die Arbeiter, alle mit entsprechenden Armschonern ausgerüstet, mussten am morgen früh schon an ihren Arbeitsplätzen parat sein, um die Muster der Uhrenfabrikanten in Empfang zu nehmen. Es herrschte offenbar ein strenges Regime.» Die Kontrolleure wurden selbst gut kontrolliert. Aus jener Zeit besitzt Schild ein Souvenir: die originale emaillierte Blechtafel, die einst am heutigen Hôtel de Ville hing und dort die Präsenz der eidgenössischen Amtsstelle verkündete.
Die klassische, weltweit angewandte Standardmethode für die präzise Ermittlung des Goldgehaltes nennt sich Dokimasie. Es ist auch die Methode, mit welcher Edelmetallprüfer Peter A. Schild in seinem Labor im Postgebäude Grenchen arbeitete (vgl. Haupttext).
Die Dokimasie beruht auf der Tatsache, dass Edelmetalle im Gegensatz zu den unedlen Metallen bei hohen Temperaturen praktisch nicht oxidieren. Man schmilzt deshalb das Analysegut mit Blei bei einer Temperatur von 1150 °C ein. Die unedlen Metalle der Legierung verbinden sich ebenso wie das zur Verflüssigung der Schmelze beigegebene Blei mit Sauerstoff, die dabei entstehenden Oxide werden von der porösen Wandung der Schmelztiegel aufgesaugt. Die Edelmetalle bleiben selektiv als metallisches Korn zurück. Mit Salpetersäure wird anschliessend das Gold vom Silber getrennt. (rrg)
Peter A. Schild, der ursprünglich bei der Firma Blösch den inzwischen verschwundenen Beruf des «Plaqueurs» erlernt hatte, arbeitete in der «neuen Post», dem 1956 erbauten und 2004 wieder abgerissenen Gebäude im Stadtzentrum. Dort befand sich sein Büro und ein Labor. Die Ausbildung zum Edelmetallkontrolleur hatte er zuvor in Genf absolviert. «Es war ein Beruf, der vor allem von Westschweizern ausgeübt wurde», erklärt er.
Seine Arbeitswerkzeuge waren eine hochpräzise Waage, Schmelztiegel und Chemikalien. Die Waage funktioniert mit Referenzgewichten für das entsprechende Edelmetall. Sie ist immer noch im Schilds Besitz und kann auf das Milligramm genau wägen. «Heute geht dies alles elektronisch und automatisiert», meint er.
Um die Reinheit der Edelmetalle (Gold, Silber, Platin, Palladium) zu bestimmen, mussten Proben des Metalls geschmolzen werden. Die Chemikalien (z. B. Salpetersäure) dienten dem Aufschluss von Legierungen (vgl. Kasten). Und das alles geschah im Postgebäude mit reichlich Publikumsverkehr, was heutzutage wohl kaum mehr denkbar wäre.
Mit Abstand am meisten wird in der Uhrenindustrie Gold von 18 Karat verwendet. Dieses besteht nur zu drei Vierteln aus Gold (750er-Gold), der Rest sind andere Metalle, welche die Legierung bearbeitbar machen, wenn man sie z.B als Uhrenschale verwenden wollte. Auch Platin sei gelegentlich verwendet worden, erklärt Schild; insbesondere bei der 1980 in Grenchen von ETA entwickelten flachsten Armbanduhr der Welt, wo, ähnlich wie später bei der Swatch, Teile des Gehäuses als Uhrenplatine dienten.
Früher interessierte beim Gold primär, ob es die nötige Reinheit hat. Selber Gold einschmelzen darf nur jemand, der dafür eine staatliche Schmelzbewilligung hat. «Wenn jemand mit eingeschmolzenem Gold daher kam und keine Bewilligung hatte, konnte man davon ausgehen, dass etwas lusch ist», erklärt Peter A. Schild. Auch die Uhrenfirmen brauchen solche Bewilligungen, wenn sie Abfälle aus Edelmetall einschmelzen. Sie ist auch für das Geldwäschereigesetz von Relevanz.
Vermehrt tritt heute vor allem bei Gold ein weiterer Aspekt in den Vordergrund: die Produktionsbedingungen bei der Erzeugung, bzw. Gewinnung des Golderzes. Letzte Woche hat Swissaid in einer Studie auf die Problematik der Lieferketten aufmerksam gemacht. «Nur wenn Raffinerien direkt von den Minen beziehen, können sie sicherstellen, dass sie sauberes Gold erwerben und dass Menschenrechte und Umwelt respektiert werden», meint Marc Ummel, Autor der Studie. Die Swatch Group verweist in ihrem «Sustainability Report» auf «eine klare Beschaffungspolitik auch in Bezug auf Edelmetalle». Diese würden nur von Lieferanten bezogen, welche «sich über die gesetzlichen und sämtliche Vorschriften der Finanzmarktaufsicht hinaus mindestens als zertifiziertes Mitglied des Responsible Jewellery Council (RJC) oder der London Bullion Market Association (LBMA) ausweisen können und auch die Zusicherung erbringen, dass die gelieferten Edelmetalle aus ethisch einwandfreien Quellen sowie konfliktfreien Regionen stammen», wie es heisst.
Weiter seien auch die Prozesse und Edelmetallverarbeitungen in den letzten Jahren in gruppeneigene Giessereien und Aufbereitungsanlagen verlagert worden, um die bereits gehaltenen Edelmetallbestände selber zu verarbeiten und Legierungen selber herzustellen und wieder zu rezyklieren. (at.)