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«Auch der Löwen sollte abgerissen werden und an seiner Stelle war ebenfalls ein Hochhaus vorgesehen», Hochhaus-Erbauer Hans Schürer.
Das «Coop City»-Hochhaus, heute «Centro» genannt, erstrahlt in neuem Glanz. Das Wahrzeichen Grenchens seit den 1970er-Jahren wurde in den vergangenen Monaten aufwendig renoviert und energetisch saniert.
Bis Ende Jahr soll der Hochhaus-Teil ganz aus dem Gerüst kommen und danach werden auch noch die letzten Betonplatten im Sockelbereich ersetzt, wie vom für die Renovation verantwortlichen Architekten Aldo Bigolin (Büro Bigolin+Crivelli) zu erfahren ist. «Auch wenn das Ende absehbar, bleiben doch noch einige Details zu erledigen.»
Aus Anlass des bevorstehenden Abschlusses der Bauarbeiten trafen wir Hans Schürer (73). Er war als junger Architekt im Büro Hans Dietziker verantwortlich für die Realisierung des Bauprojekts. Schürer, ein waschechter Grenchner vom Scheitel bis zur Sohle, hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und das Leben lang geblieben, freut sich, wenn er auf die neue hellgraue Metall-Fassade des Centro-Hochhauses schaut.
«Die Renovation scheint mir ausnehmend gut gelungen. Insbesondere wenn ich dran denke, wie anspruchsvoll diese war: Zahlreiche Fenster, die Materialien Metall, Beton und Glas in engem Verbund: Das braucht Ideen für energetisch gute Resultate», zollt Schürer der Bauherrschaft und Bauleitung Respekt.
Er muss es wissen, hat er doch zusammen mit Hans Dietziker in den Sechziger- und Siebzigerjahren das Hochhaus geplant und realisiert. «Es war eine verrückte Zeit für Grenchen», erinnert sich Schürer. Schon damals habe das Hochhaus polarisiert. Und es sei auch beinahe nicht mehr gebaut worden, da die Uhrenkrise rasch ihre Schatten vorauswarf.
«Doch wir ahnten das und haben beim Vorliegen der Baubewilligung sofort losgelegt mit der Baugrube.» Der Point of no return war für die Bauherrschaft Coop Schweiz – heute noch Besitzerin des Gebäudes – überschritten.
Damals wie heute war Grenchen ein Flickenteppich aus alten und modernen Gebäuden. Die EPA stand bereits, das Gebäude des späteren «Tropi» war ebenfalls im Bau. Die abgerissene Häuserreihe zwischen der Bettlachstrasse und der Solothurnstrasse umfasste eine alte Häuserzeile unter anderem mit dem Restaurant Ochsen und dem Schuhmacher Wülser.
«Auch der Löwen sollte abgerissen werden und an seiner Stelle war ebenfalls ein Hochhaus vorgesehen», erinnert sich Schürer. Doch dieses Projekt wurde im Unterschied zum Coop-City-Hochhaus gestoppt. Was in der Folge im Büro Dietziker für einiges Kopfzerbrechen sorgte, da man schon begonnen hatte, an der gemeinsamen Tiefgarage zu bauen.
Dietziker gestaltete die Zufahrtsrampe um, was eine etwas steile und enge Konstruktion ergab. «Als sie im Rohbau fertig war, hiess es, die Rampe zur Tiefgarage sei so nicht befahrbar. Dietziker drückte mir kurzerhand den Schlüssel seines grossen Mercedes in die Hand und sagte: zeig, dass es geht, fahr da runter!»
Das sei dann für ihn eine Stunde der Wahrheit gewesen. «Denn der Wagen und der Ruf des Architekten standen beide auf dem Spiel. Ich habs aber ohne Kratzer geschafft.» Die berüchtigte Rampe besteht heute nicht mehr. Das Centro-Parking wird vom zweiten Untergeschoss des Coop-Parkhauses her erschlossen.
«Der Bau des Hochhauses war für mich als junger Architekt, der erst noch aus dem Tiefbaubereich kam, eine Riesenchance», erinnert sich Schürer. Dietziker, der vor allem an ästhetischen Gesichtspunkten interessiert gewesen sei, habe ihm viel Spielraum gelassen.
Das Hochhaus wurde von der Baufirma Walter Emch gebaut und hat gemäss seiner Erinnerung damals etwa 12 Mio. Fr. gekostet. Schürer erinnert sich an Kontakte zu einem Bauführer namens Telenski. «Ein richtiger Haudegen, aber sehr erfahren und kompetent.
Ich habe einiges von ihm lernen können.» Den Baufortschritt hat Schürer auf Dias festgehalten, die heute wichtige Zeitdokumente sind.
Die Eröffnung nach rund drei Jahren Bauzeit habe jedenfalls alle mit Stolz erfüllt. Vor allem auch, dass er als so junger Mitarbeiter ein so grosses Projekt betreuen konnte erfreut Schürer heute noch mit Freude.
Er hatte nach der Schule zunächst eine Lehre als Eisenbetonzeichner im Grenchner Ingenieurbüro Cäsar Schneider gemacht. «Die Prüfung fürs Technikum bestand ich auf Anhieb, war aber als Tiefbauer unter lauter Architekten ein Exot», erinnert sich Schürer.
Arbeit fand er nach der Ausbildung sogleich in Hans Dietzikers Büro im Bachtelen. Dietziker, der ebenso talentierte wie umstrittene Architekt, war damals gerade mit dem Bau des Haldenschulhauses beschäftigt, an welchem Schürer auch noch mitarbeiten konnte. Hans Dietziker ist kurz vor Weihnachten dieses Jahr verstorben.
Hans Schürer blickt dankbar auf jene Zeit zurück bei einem «begnadeten Architekten, der aber menschlich nicht ganz einfach war.» Jedenfalls habe er nie wieder in seinem Berufsleben eine «so grosse Kiste» realisieren können. Umso mehr, als Schürer später wieder in den Tiefbaubereich gewechselt hat, zur Firma Zetter, für die er das Büro Biel leitete.
Auf dem Dach des Centro sind Gerüstbauer gerade am Aufräumen. Die Tür zur Terrasse ist offen. «Hier oben war ich seit Jahrzehnten nicht mehr, sagt Schürer und geniesst die Aussicht an diesem ersten sonnigen Wintertag Tag seit Wochen. «Man sieht auch, dass es in Grenchen noch immer viel Platz hätte für schöne Gebäude».