Grenchen einst und jetzt
Der Eisenbahnviadukt, der fast die ganze Stadt überquert

Der Oberdorfviadukt entstand gleichzeitig wie der Grenchenbergtunnel. Bei den Bauarbeiten der Strecke kam es zu über 1000 Unfällen, 12 davon tödlich. In einer losen Serie werden Orte und Gebäude und ihre Veränderung über die Jahre gezeigt.

Oliver Menge
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Die Centralstrasse hiess früher Oberdorfstrasse und war, zusammen mit der Kirchstrasse, die hauptsächliche Nord-Süd-Verbindung in der Stadt. Deshalb hatte man schon bei der Planung des Grenchenbergtunnels beschlossen, einen Bahnübergang mit Viadukten zu bauen, damit die Strassen nicht durch die Eisenbahn blockiert wurden.

1877 wurde die Strecke von Basel über Delémont–Moutier–Tavannes bis Biel eröffnet. Die «Jurabahn» verband die französische Ostbahn (EST) von Paris bis Bern. Bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg war diese schwierige Strecke mit vielen Kurven und steilen Passagen für Direktverbindungen unattraktiv, der Verkehr von Paris wurde hauptsächlich über die Strecke Paris– Pontarlier–Lausanne–Genf zum Simplontunnel und weiter nach Italien abgewickelt.

Zur Jahrhundertwende stand der Bau der Lötschbergbahn fest und man fand die Lösung für eine direktere Verbindung nach Bern im Bau einer Tunnelverbindung von Moutier über Grenchen nach Biel, was die Strecke erheblich verkürzte und vereinfachte.

Zum Unwillen der Bundesbahnen erhielt 1909 die Berner Alpenbahn-Gesellschaft Bern-Lötschberg-Simplon die Konzession für den Bau und Betrieb der Münster-Lengnau-Bahn (MLB) und ein Staatsvertrag zwischen Frankreich und der Schweiz sicherte die Beteiligung der EST mit 10 Millionen Franken an den Bau der 13 Kilometer langen Abkürzungsbahn.

Vier Jahre Bauzeit

Am 26. Oktober 1911 wurde der Bauvertrag unterzeichnet und die Bauarbeiten für den Tunnel begannen in Grenchen am 7. November. Durchstich war am 24. Oktober 1914 und am 1. Oktober 1915 wurde die Strecke dem Verkehr übergeben. Die Münster-Lengnau-Bahn gehörte von Anfang an der BLS Lötschbergbahn und sowohl die Anlagen wie auch der Tunnel wurde von ihr betrieben und unterhalten. Der Zugbetrieb hingegen erfolgte immer durch die SBB.

Gleichzeitig wurde in Grenchen der Oberdorfviadukt gebaut. Er führt mitten durch den oberen Teil der Stadt Grenchen und überquert die Oberdorfstrasse (heute Centralstrasse) und die Kirchstrasse. Drei Häuser mussten für den Bau weichen und wurden abgerissen.

Die ganze Länge des Oberdorfviadukts beträgt 291,7 Meter, wovon 160 Meter im Bogen von 500 Metern Radius verlaufen. Er besteht aus 26 Öffnungen mit Weiten zwischen 6 Metern und 20 Metern. Die Fundamente östlich der Oberdorfstrasse mussten wegen des schlechten Untergrunds auf Pfähle gestellt werden. Sämtliche Fundamente bestehen aus Beton, die Pfeiler aus Beton mit Bruchsteinverkleidung. Gerüste wurden nur für die Gewölbe errichtet. Die grösste Höhe über Boden beträgt 15,5 m.

Beim Bau des Grenchenbergtunnels und des Viadukts gab es total 1108 Unfälle, bei denen die betroffenen Arbeiter sechs oder mehr Tage arbeitsunfähig waren, 552 davon in Grenchen. 12 Unfälle verliefen tödlich, darunter deren 8 auf der Südseite in Grenchen.

Quellen: «Tripoli und der Tunnelbau 1911– 1915», Dokumentation für die Museumsgesellschaft Grenchen, zusammengestellt von Alfred Fasnacht; Wikipedia.