Auf der Brache des ehemaligen Gaswerkes der SWG soll bis 2023 ein Lern- und Weiterbildungscluster für Technikberufe entstehen. Als Investor und Mäzen fungiert Ernst Thomke.
Als vor zwei Jahren Swissmechanic Solothurn den Bau eines Ausbildungszentrums beim Bahnhof Grenchen ankündigte, bedeutete dies Morgenluft für die grosse Industriebrache beim Südbahnhof. Swissmechanic Solothurn, die ihre Lehrlingswerkstätte für überbetriebliche Kurse von einer alten Liegenschaft auf dem Von Roll-Areal Gerlafingen in den Neubau nach Grenchen zügeln wollte, kündigte damals schon an, dass man für das Projekt noch Partner und einen Investor suche. Beide Bedingungen sind jetzt erfüllt.
Denn Ernst Thomke, der in Grenchen wohnhafte Unternehmer und Erfinder der Swatch, wird das Gebäude finanzieren. Ankermieter werden die Höhere Fachschule für Technik Mittelland HFTM und Swissmechanic Solothurn sein. Wobei der Begriff «Ankermieter» zu relativieren sei, wie Michael Benker, Direktor der HFTM betont. «Die Miete in einem Renditeobjekt könnte sich unsere Schule nicht leisten. Das Engagement der Familie Thomke erlaubt, dass wir hier einziehen können.»
Denn die HFTM sei in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und stosse in den Räumen des Berufsbildungszentrums BBZ Grenchen an ihre Grenzen. Die Schule, die sich auf berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungsangebote der MINT-Berufe spezialisiert hat, sieht im Zusammengehen mit Swissmechanic Solothurn ein grosses Synergiepotenzial. «Wir werden froh sein, wenn wir den Maschinenpark von Swissmechanic für unsere Projekte mitbenützen können und werden unsererseits zeitgemässe Lernifrastruktur in modernen Hörsälen anbieten können.
Die HFTM bietet 400 Studienplätze für die berufsbegleitende Weiterbildung an, die Studierenden kommen fast aus der ganzen Schweiz mit Schwerpunkt Kanton Solothurn und Bern. Rund 130 Lehrlinge pro Jahr absolvieren heute ihre überbetrieblichen Kurse bei Swissmechanic Solothurn. Beide Player sind eng mit der Industrie verzahnt: Swissmechanic über die Lehrlingsausbildung und die HFTM über die Diplomarbeiten, die praxisbezogen im Umfeld des jeweiligen Arbeitgebers der Studierenden realisiert werden. «Über diese Diplomarbeiten, die jeweils anlässlich der Diplomfeier im Velodrome gezeigt wurden, konnte auch Ernst Thomke für das Projekt gewonnen werde» verrät Benker.
Bereits im Sommer 2023 soll der neue Campus seine Tore öffnen. «Der Campus Technik fördert die Nutzung von Synergien und den Wissenstransfer zwischen Bildung, Entwicklung und Wirtschaft. Wir schaffen ein stimulierendes Umfeld für all jene, die im Tech-Bereich lernen, entwickeln und arbeiten. Theorie und Praxis liegen Tür an Tür, das wird in dieser praxis- und wirtschaftsnahen Art schweizweit einzigartig sein», schreiben Michael Benker und Swissmechanic Solothurn-Geschäftsführer Enzo Armellino in einem Prospekt.
Es sind verschiedene Kompetenzzentren geplant, so zum Beispiel in den Fachgebieten Lehren und Lernen (z. B. mit Filmstudio für E-Learning), Leichtbau-Composite, Medtech, digitalisierte Fertigung und Gebäudeautomation.
Weitere Partner seien willkommen, ja nachgerade erwünscht, erklärt Benker und denkt dabei an Technologie-affine Firmen oder Startups, für die man die oberste Etage des viergeschossigen Baus mit Tiefgarage reserviert hat. Denkbar wäre beispielsweise eine Gebäudeautomationsfirma, die Kunden und Mitarbeiter gleich am Objekt instruieren könnte.
Für die Realisierung muss der geltende Gestaltungsplan angepasst werden, ebenso wurde ein Architekturwettbewerb mit fünf regionalen Büros gestartet, dessen Resultate im September erwartet werden. Das Gebäude soll als nördliche Begrenzung des Areals realisiert werden, so dass eine wirksame «Schallmauer» gegen das Bahngleis entsteht. Die Wohnnutzung im Gestaltungsplan soll neu nur noch 50 Prozent betragen. Insgesamt stehen im Gebäude 5500 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Im Parterre ist die Werkstätte mit dem Maschinenpark vorgesehen sowie ein Bistro. In den oberen Stockwerken sind die Labors und Hörsäle der HFTM eingeplant.
«Uns schwebt ebenfalls das Angebot eines «Maker Space» vor, ein Raum für Macher, den Tüftler und Entwickler gegen vernünftiges Entgelt für Versuche, Prototypen etc, nützen können», erklärt Benker. In diesem Raum könnte man auch Schulklassen empfangen und Jugendliche für Technikberufe interessieren. «Es wäre schön, wenn ein Sponsor aus der Wirtschaft uns bei diesem Anliegen unterstützen würde», meint Benker.
Während die Investition des Gebäudes gesichert ist, erhoffen sich die beiden Schulen für die Lancierung und Implementierung des gemeinsamen Campus einen Beitrag der öffentlichen Hand, allen voran der Stadt Grenchen als Standort. Die Rede ist von einer «Anschubfinanzierung» in noch zu bestimmender Höhe. Eine Vorlage dürfte noch dieses Jahr dem Gemeinderat zum Entscheid vorgelegt werden.
Benker und Armellino sind überzeugt, dass mit dem Campus Technik ein «Ort mit grosser Strahlkraft» entsteht, der ideal zu Grenchen als Technologiestadt im Grünen passen wird. «Er wird auch weitere technologisch interessante Arbeitsplätze anziehen und einen wichtigen Beitrag leisten zur Behebung des Fachkräftemangels in der Industrie.»