Stadtbummel
Denk Mal

André Weyermann
André Weyermann
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Landesstreik im November 1918: Menschen fliehen vom Münsterhof in Zürich nach Schüssen der Armee. HO

Landesstreik im November 1918: Menschen fliehen vom Münsterhof in Zürich nach Schüssen der Armee. HO

Wer in diesen Tagen über den «Zytplatz» flaniert, wird (hoffentlich) bemerken, dass dieser bereichert wurde. Das Solothurner Kulturprojekt «Verschiebungen 18/18. Eine szenografische Annäherung an den Landesstreik» erinnert mit verschiedenen Aktionen an die folgenreichen Ereignisse im November 1918 im Kanton Solothurn und befragt sie auf ihre Bedeutung für die Gegenwart. Dabei berücksichtigt das Projekt Aspekte, die in der kollektiven Erinnerung eher wenig Aufmerksamkeit erfahren haben. Zur Zeit erinnern drei Denkmale an verschiedenen Standorten im Kanton Solothurn an die prekäre Versorgungslage während der Kriegsjahre 1914–1918, welche ein wichtiger Auslöser für den Landesstreik vom November 1918 war. Federführend ist dabei die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, die dieses Projekt mit Unterstützung des Kantons Solothurn realisiert.

Das Denkmal auf dem Zytplatz zeigt eine junge Arbeiterin, der knapp gehaltene Text erinnert an die Lebensbedingungen vor einem Jahrhundert: Ein Kilogramm Kartoffeln kostete demnach 32 Rappen, der Stundenlohn der Arbeiterin betrug 27 Rappen. Prominent ist der ausgesuchte Standort insofern, als er sich direkt neben der Gedenktafel für die drei jungen Männer (Fritz Scholl, Hermann Lang, Marius Grosjean) befindet, welche während des Generalstreiks im Kugelhagel der Ordnungstruppen den Tod fanden.

Es ist bekannt, dass es in Grenchen zu Beginn des letzten Jahrhunderts immer wieder zu wüsten Auseinandersetzungen zwischen den Uhrenpatrons und der Arbeiterschaft gekommen ist. Und dennoch zeigt sich dem «Bummelnden» nur ein paar hundert Meter westwärts des erwähnten, temporären Denkmals (bis 15. Nov.) ein vermeintlich ganz anderes Bild. Am Abhang bei den Schulhäusern I und II strahlen verschiedene Gedenksteine dem aufmerksamen Betrachter entgegen und offenbaren Erstaunliches: «Dem lieben verstorbenen Prinzipal Adolf Schild-Hugi (1844–1915)» ist da zum Beispiel zu lesen. Gewidmet wurde diese Gedenkstätte für einen der Pioniere der Grenchner Uhrenindustrie ausgerechnet von «seiner Arbeiterschaft». «Stadtgrün» sei Dank, dass weitere Inschriften zu entziffern sind und diese ein durchaus differenziertes Bild von der Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern erlauben.