Zwei Frauen mit unterschiedlicher Lebensgeschichte aus zwei verschiedenen Generationen gemeinsam auf der Bühne. Iris Minder und Sandra Sieber hinterfragen in «blauer Nacht» mit «L’homme fatal» die Rollen von Mann und Frau.
Als Dekor dienen Fotos des Grenchner Fotografen Fabian Flury, der seine Betrachtungsweise mit einer Serie stimmungsvoller Bilder in Szene setzt. Die beiden Protagonistinnen - die Regisseurin Iris Minder steht selber auch als Schauspielerin auf der Bühne - haben zusammen ein Stück entwickelt, das sich mit der Identitätssuche als Frau befasst.
Dem Stück liegt eine Kurzgeschichte Henry Millers zugrunde. «Das Lächeln am Fusse der Leiter» aus dem Jahr 1947 erzählt die Geschichte des Clowns August, der sich nicht damit zufriedengeben will, die Leute, sein Publikum jeden Abend zum Lachen zu bringen, sondern ihnen echte Glückseligkeit schenken will.
Er verausgabt sich dabei, ohne mehr als nur Gelächter zu ernten. Er flieht aus der Welt, die er einst kannte, und auf der Suche nach seiner Selbstverwirklichung erkennt er, dass seine Selbstfindung Utopie bleibt. «Das war der Ansatz für unser Stück», erklärt Sandra Sieber.
«Ein Clown mit Maske, darauf reagieren die Leute immer speziell. Der Clown in Millers Stück erlebt eine Identitätskrise. Dieses ‹Gerüst› verwenden wir und füllen es mit persönlichen Inhalten».
Workshop statt Bühnenstück
Das Stück sei kein eigentliches Theaterstück, betont Minder, sondern eher als Werkschau zu verstehen. «Die 50er-Jahre haben uns eine Menge an Zwängen und Forderungen bezüglich der Rolle, welche die Frau zu spielen hat, gebracht.» Die Frau musste sich jahrzehntelang hinter einer Maske verstecken, und alle ihre Tätigkeiten und ihre Arbeit waren auf die Bedürfnisse des Mannes ausgerichtet.
Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, musste sie oft eine Rolle spielen und sich selber nicht nur unterordnen, sondern sogar verleugnen.
Minder und Sieber versuchen, diese Masken und Zwänge auf der Suche nach der Freiheit zu hinterfragen und abzuwerfen. Dabei gewähren sie dem Publikum sehr persönliche und intime Einblicke in ihre eigene Vergangenheit und ihre persönlichen Erfahrungen.
Mit einer Wut im Bauch
«Wir haben bei der Entwicklung unseres Bühnenstücks mit einer Wut im Bauch auf die Ungerechtigkeiten gegenüber den Frauen begonnen. Aber im Lauf der Zeit und je weiter wir mit der Arbeit an unserem Stück kamen, desto ausgeglichener wurden wir.
So verstanden wir auch schnell, dass nicht nur die Frau, sondern auch der Mann die Maske an Forderungen ablegen darf», so Minder. «Wir geben auch keine Antworten und liefern keine Rezepte», sagt sie, und Sandra Sieber ergänzt: «Wir erzählen unseren Traum vom Leben.
Nicht als Fiktion, aber auch nicht als ‹Seelenstrip›. Das Stück soll nicht schwer sein und auf humorvolle und witzige Art mit spielerischen Elementen an die Thematik herangehen. Das Publikum wird dabei mit einbezogen.»
Minder zurück auf der Bühne
«Eigentlich war ursprünglich eine strikte Rollenverteilung vorgesehen: Iris führt Regie und ich spiele auf der Bühne», erklärt die Schauspielerin Sandra Sieber. «Aber ich habe sie überzeugen können, dass es durchaus Sinn macht, wenn sie nicht bloss im Hintergrund agiert, sondern sich auch persönlich einbringt und auf der Bühne steht.
Iris Minder hat einen anderen Hintergrund und eine andere Vergangenheit als ich, das macht die Sache ungleich spannender und öffnet ein weites Feld», so Sieber.
«Eigentlich hat Sandra darauf bestanden, dass ich auch auf der Bühne stehe, und das macht mich schon sehr nervös. Seit 2005 ist es das erste Mal», sagt Minder. Aber sie lasse sich darauf ein, weil es spannend sei, zwei Generationen mit völlig unterschiedlichem Lebensweg in einer Thematik zu verweben.
Vorstellungen am 8. September im Rahmen der blauen Kulturnacht Grenchen um 19 Uhr und 20 Uhr in der «Innovation», Bielstrasse 1.