Sanierung
Das neu sanierte Grenchner «Schlössli» sucht jetzt Mieter

Die Villa des Grenchner Uhrenpatrons Arnold Baumgartner wird dieses Jahr 100-jährig. Auswärtige Investoren haben jetzt das Gebäude stilvoll renoviert und vermieten darin mehrere Wohnungen.

Andreas Toggweiler
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In die Villa der Industriellen-Familie Baumgartner wurden sechs Mietwohnungen eingebaut.

In die Villa der Industriellen-Familie Baumgartner wurden sechs Mietwohnungen eingebaut.

Andreas Toggweiler

«Ich habe eine Schwäche für schöne alte Gebäude und möchte diese vor dem Verfall retten», erklärt Investorin Denise Spörri, die zusammen mit ihrem Mann Engelbert Spörri von Greng (FR) aus ein kleines Immobilienimperium mit Liegenschaften in der ganzen Schweiz dirigiert. So habe sie sich gefreut, dass sie jetzt das Grenchner «Schlössli» ganz habe erwerben können. Damit wurde der Weg frei für eine Sanierung und Umbau des repräsentativen Gebäudes an einer der schönsten Wohnlagen der Stadt.

Ab 2010 wurde geplant, gesucht, bewilligt, organisiert, recherchiert und gebaut. Das Berner Büro Matti Ragaz Hitz Architekten AG wurde der Umsetzung beauftragt. Diese Woche konnten die sieben neu entstandenen Wohnungen erstmals besichtigt werden. Architekt Stephan Mezger ist es dabei gelungen, den historischen Charakter der Fabrikantenvilla zu erhalten, was an kleineren und grösseren Details ersichtlich ist.

Fassade mit Sonnenuhr
15 Bilder
Wohnküche
Tür mit farbigen Glasfenstern
Restaurierte Wendeltreppe
Historische Details wie dieser Boden wurden erhalten
Kleine Wandmalerei
Ehemaliges Atelier von Ferdinand Kaus
Entreebereich
Das Schlössli von Süden
Dachwohnung
Aussicht auf die Stadt
An der Umgebung wird noch gearbeitet
Blick gegen Norden
Weitere Liegenschaft der Investoren an der Kastelsstrasse
Der City Nord Komplex gehört denselben Investoren und soll ebenfalls saniert werden

Fassade mit Sonnenuhr

Andreas Toggweiler

Auge fürs Detail

So wurde beispielsweise eine eiserne Wendeltreppe aufwendig auf heutige Sicherheitsstandards «aufgerüstet», Verglasungen, Stein- und Holzböden und sogar einzelne Fresken zeugen von vergangener Grösse, die jetzt mit modernen Materialien und Haustechnik kombiniert wird. An der Besichtigung zollten die Gäste dem Projekt Anerkennung. Auch Stadtbaumeister Daniel Gäumann sprach von einem «vorbildlichen Projekt». «Der Umgang mit der Bausubstanz zeugt von Sachkenntnis und Respekt gegenüber den historischen Materialien und Oberflächen.»

Der Ostteil der Villa an der Waldeggstrasse 14 wurde in den Jahren 1914 bis 1915 durch den Architekten Otto Stalder aus Grenchen im Auftrag von Unternehmer Arnold Baumgartner erstellt. Der Anbau im Westen erfolgte 1932, das Atelier entstand 1933. Diese beiden Gebäudeteile wurden 1945 in Wohnbereiche umfunktioniert.

Arnold Baumgartner (1865–1950) war der Gründer der Uhrenfabrik Baumgartner Frères und brachte die Firma zur Blüte. Nach dem Tod seiner ersten Frau, mit der er drei Kinder hatte, heiratete Baumgartner ein zweites Mal und bekam noch ein viertes Kind. So wurde das Wohnhaus in unmittelbarer Nähe der Fabrik für die Familie allmählich zu klein. Der Neubau auf dem Grundstück über der Fabrik sollte als neues Zuhause dienen.

Für seine jüngste Tochter Irene realisierte Baumgartner 1932 den Anbau im Westen. Diese war mit dem Künstler Ferdinand Kaus liiert, für den ein Jahr später ein Atelierhaus auf dem Grundstück gebaut wurde. Kaus und seine Schwiegermutter hatten jedoch das Heu nicht auf der gleichen Bühne, was 1945 zum Auszug von Kaus und seiner Frau führte. In der Folge wurde dieser Hausteil von Baumgartners zweiter Tochter und deren Familie bewohnt und ging nach Arnolds Tod auch in deren Besitz über. Bis zum Verkauf im Jahr 2010 blieben der Westteil und das Atelier im Besitz der Nachkommen von Arnold Baumgartner.

Sogar industriell genutzt

Der Ostteil, also die ursprüngliche Villa, ging nach dem Tod von Arnold Baumgartner 1950 an seine Witwe, die bis zu ihrem Lebensende 1970 darin wohnte. Ihre Tochter Irene war an der Immobilie nicht interessiert und verkaufte sie an die damals sehr erfolgreiche Baumgartner Frères. Die Firma hatte keine Verwendung für Wohnraum und brachte ihre Abteilung für Maschinensteuerungen, die spätere Biviator AG, in den Räumlichkeiten unter. Die Biviator AG machte sich auf dem Gelände breit und mietete den Anbau und das Atelier als Produktionsräume hinzu. Nach dem Konkurs von Baumgartner Frères kaufte die Biviator AG den Ostteil der Villa und residierte darin bis zum Erwerb der Liegenschaft durch Claudio von Büren im Jahr 2010. «Aus familiären Gründen» musste dieser jedoch nach wenigen Monaten wieder verkaufen – an Denise Spörri.

Es entstanden 21⁄2- bis 51⁄2-Zimmer- Wohnungen und ein freistehendes Haus im ehemaligen Kaus-Atelier mit Wohnflächen zwischen 66m2 und 147m2. Die Mietpreise sind nur für Grenchner Verhältnisse hoch: Sie bewegen sich zwischen 1600 und 2800 Franken (netto). An städtischen Lagen mit vergleichbarer Aussicht wären sie hingegen sehr günstig.

Und jetzt das City Nord ...

Die Pläne der Familie Spörri in Grenchen sind noch nicht umgesetzt. Abgesehen davon, dass sie bereits einige weitere unspektakulärere Liegenschaften in der Stadt besitzt, die ebenfalls saniert wurden, werden jetzt die Kräfte auf das City-Nord-Areal fokussiert, den industriellen Teil des Baumgartner-Vermächtnisses. Das Areal gehört den Immo-Unternehmern schon länger und wird zurzeit an Gewerbe vermietet. «Mir würde die Realisierung von Loft-Wohnungen vorschweben», meint Spörri.