Ein Dorf wird zur Stadt
Das ist der stilvolle Ort der letzten Ruhe in Grenchen

Weil der Friedhof im Osten von Grenchen zu klein war, wurde eine neues Projekt realisiert: Die Abdankungshalle und ein Gärtnerhaus. Der quadratische Bau liegt auf dem oberen Plateau des Friedhofs.

Oliver Menge
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Die Abdankungshalle mit dem grossen Vorplatz ist ein Werk des Zürchers Oskar Bitterli.

Die Abdankungshalle mit dem grossen Vorplatz ist ein Werk des Zürchers Oskar Bitterli.

Oliver Menge

In den 60er-Jahren wuchs die Stadt Grenchen ausserordentlich schnell. Der Boom in der Uhrenindustrie war dafür verantwortlich. Und wo viele Leute leben, da sterben auch viele: Der Friedhof im Osten der Stadt aus dem Jahr 1911 erwies sich bald einmal als zu klein und man beschloss, ihn nach Norden hin zu erweitern. Die Stadt schrieb 1965 einen Wettbewerb aus. Der bekannte Architekt Oskar Bitterli, der vor allem für seine modernen Sakral- und Schulbauten bekannt war, erhielt nach 10 Jahren Verzögerung den Zuschlag und realisierte die neuen Gebäude in den Jahren 1974 bis 1977: eine neue Abdankungshalle und das Gärtnerhaus. 1981 gestaltete der Solothurner Künstler Urs Flury beim Eingang ein Wandrelief aus Holz, Bronze und Beton.

Der Glarner Johannes E. Schweizer, einer der wohl bekanntesten Gartenarchitekten der Schweiz, realisierte die Umgebungsgestaltung. Schweizer hatte sich das Thema «Friedhofsgärten» zu eigen gemacht, wurde – so wird seine Arbeit in Wikipedia beschrieben – «zum führenden Vertreter der Friedhofsreform, die im Zeichen von ‹Schlichtheit und Gleichheit vor dem Tode› stand». Schweizer schuf insgesamt mehr als 70 Friedhöfe.

Die Abdankungshalle mit dem grossen Vorplatz ist ein Werk des Zürchers Oskar Bitterli.
7 Bilder
Die Abstände der Lamellen folgen der Modulor-Proportionslehre von Le Corbusier.
Abdankungshalle Grenchen
Abdankungshalle Grenchen
Abdankungshalle Grenchen
Abdankungshalle Grenchen
Abdankungshalle Grenchen

Die Abdankungshalle mit dem grossen Vorplatz ist ein Werk des Zürchers Oskar Bitterli.

Oliver Menge

Schulen, Häuser, Kirchen

Der Architekt Oskar Bitterli wurde 1919 in Aarau geboren. Nach einer Ausbildung als Zeichner bei den Basler Architekten von der Mühll und Oberrauch begann er das Architekturstudium an der ETH Zürich, das er 1945 abschloss. 1957 gründete er sein eigenes Büro in Zürich, mit dem er fünfzig Jahre lang tätig war. Bitterli lebt noch immer in Zürich.

Sein Werk umfasst Schulhäuser, Kirchen, Verwaltungs- und Wohnbauten, so zum Beispiel die Berufsschule Olten, Restaurierungen wie die Bergkirche Braunwald, die Kirche Wil ZH, das Kirchgemeindehaus Rapperswil-Jona und die Oberstufen-Schulanlage Allmend in Meilen.

Der Hanglage angepasst

In der Beschreibung des als schützenswert eingestuften Gebäudes in Michael Hanaks Buch über die Architektur der Nachkriegszeit im Kanton Solothurn heisst es: «Flach lagert die Abdankungshalle mit den Aufbahrungsräumen auf dem oberen Plateau des Friedhofes, der im Nordwesten des Gemeindegebietes angelegt wurde. Aus der Grundform der quadratischen Scheibe ist der höhere Saal über den ebenfalls quadratischen Grundriss etwas hinausgezogen. Der Glockenturm wiederum steht an der Ecke des Saalbaus als Würfel erkerartig vor. – Während der Saal weitgehend geschlossen bleibt, sind die Wände des niedrigeren Bereichs weitgehend verglast. Feste Betonlamellen, die in ungleichen Abständen vor die Fenster gestellt sind, verhindern den Einblick. Aus den dahinterliegenden Besuchergängen entlang der Fassade eröffnen sich schöne Ausblicke. ... – Bauten und Garten sind gut aufeinander abgestimmt und in die Hanglage eingepasst. Die Abdankungshalle wird charakterisiert durch die quadratische Rundform mit Flachdach. Charakterbildend wirkt auch die vorgesetzte Lamellenstruktur, deren unregelmässige Abstände der Modulor-Proportionslehre von Le Corbusier folgen. Zeittypisch wirkt ferner die Fassadenverkleidung mit vorfabrizierten Waschbetonplatten.»

Erst vor wenigen Tagen wurde das Flachdach fertig saniert, das Gerüst wurde wieder entfernt.