Die Geschichte der Wallfahrt in Büren stösst auch heute noch auf grosses Interesse. Das zeigte sich an der Buchvernissage.
Der Rathaussaal in Büren platzte fast aus allen Nähten. Grund für den grossen Publikumsaufmarsch war das neuste Werk des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern «Das mittelalterliche Marienheiligtum von Oberbüren». Gemeinderat Marcel Steinmann zeigte sich erstaunt und erfreut darüber, dass das Interesse an der Wallfahrt in Büren und den Ausgrabungen auf der Chilchmatt, die zwischen 1992 und 1998 stattgefunden haben, immer noch so gross sei. «Das Interesse ist ja nicht nur regional gross, sondern sogar über die Landesgrenzen hinaus», betonte er.
Auch Hans Ulrich Glarner, Vorsteher des kantonalen Amtes für Kultur, hob die besondere Bedeutung der Ausgrabungsstätte und der Wallfahrt, die im 15./16. Jahrhundert in Büren stattgefunden hatte, hervor. «Ich bin immer stolz, wenn ich archäologische Ergebnisse präsentieren darf. Dass mich die geschichtlichen Ereignisse emotional so stark berühren, kommt aber eher selten vor.»
Berührend ist die Geschichte der Wallfahrt in Oberbüren in der Tat. Denn der sanfte Hügel hoch über dem Überschwemmungsgebiet der Alten Aare scheint die Siedler schon früh angezogen zu haben. Eine bei den archäologischen Untersuchungen entdeckte Grube mit Scherben deutet auf eine erste Siedlungstätigkeit in der späten Bronzezeit hin (1200–1000 v. Chr.).
International an Bedeutung gewann Büren ab 1470, als die Wallfahrt einsetzte. Von weit her pilgerten damals trauernde Eltern zur Muttergottes von Oberbüren, um sich von ihren totgeborenen Kindern zu verabschieden. Über 2000 Kinder sollen es gewesen sein. Denn im Mittelalter durfte ein Totgeborenes nicht christlich begraben werden, wenn es ungetauft war. Und in Oberbüren gab es Hilfe. «Büren war ein Ort geworden, an dem die Seelen tot geborener Kinder gerettet wurden», erklärte Peter Eggenberger, Mitautor des Buches. Diese wurden für kurze Zeit «zum Leben erweckt», getauft und kirchlich bestattet. Dafür sollen die toten Körper der Kleinkinder in einem Nebenraum der Kirche über glühenden Kohlen erwärmt worden sein. Im Chor der kalten Kirche wurde ihnen danach ein Federchen über die Lippen gelegt, das sich mit der warmen Luft nach oben bewegte, was man als sichtbares Lebenszeichen deutete.
In den Neunzigerjahren konnte der Archäologische Dienst des Kantons Bern das Wallfahrtszentrum in Oberbüren untersuchen. Dabei wurden 250 Kinderskelette erfasst – «ein wissenschaftlich einmaliger und unermesslich wertvoller Fund, der sowohl die Mitarbeitenden vor Ort wie auch die zahlreichen Besucher aufwühlte», erklärte Susi Ulrich-Bochsler, Anthropologin und Mitautorin des neusten archäologischen Werks. Der grösste Anteil der gefundenen Kinderskelette seien bei ihrem Ableben in der 28. bis 37. Lunarwoche und zwischen 18 und 55 cm gross gewesen. «Bei einem grossen Teil der 210 gut bestimmbaren Skelette handelte es sich um Fehl- und Frühgeburten.»
Historikerin und Mitautorin Kathrin Utz Tremp hielt fest, dass die Wallfahrt, die damals herrschte, «keineswegs ein wüster Aberglaube» war, sondern «das Resultat der Christianisierung in ganz Europa». 60 Jahre lang florierte das Geschäft mit der Wallfahrt und Büren war ein «Ort der Therapie, des Brauchtums und des Business». Die Wallfahrt wurde schliesslich im Zuge der Reformation ab 1528 verboten. In Oberbüren steht zur Erinnerung an die damaligen Ereignisse seit 2003 das Denkmal «die Feder». Umrahmt wurde die Buchvernissage durch die Mittelalter-Spiellüt Jeannine und Jonathan Frey.