Stadtbummel Grenchen
«Darfs es bitzeli meh si?»

Andreas Toggweiler
Andreas Toggweiler
Drucken
Beim Kauf von Zigaretten wurde einer Frau Minzbonbons angeboten. (Archiv)

Beim Kauf von Zigaretten wurde einer Frau Minzbonbons angeboten. (Archiv)

KEYSTONE/MARCEL BIERI

Neulich regte sich mein Nachbar, nennen wir ihn Kari, furchtbar auf. «Darf es sonst noch etwas sein», werde er dauernd gefragt beim Einkaufen. «Dabei habe ich das erhalten, was ich wollte, und wenn ich noch was möchte, dann würde ich es auch sagen. Punkt.» Dauernd werde versucht, einem etwas Zusätzliches anzudrehen, das empfinde er als äusserst lästig.

Ich sagte Kari dann, dass ich das kenne, es mich aber eigentlich nicht störe. Und er kaufe offenbar immerhin in Grenchner Läden ein und nicht im Internet. Denn nur wo man persönlich bedient wird, ist eine solche Konversation überhaupt möglich. Nur schon an der Kasse im Supermarkt würde sie wenig Sinn machen.

Okay, meinte er, aber neulich habe er was gehört, was er sich nie hätte gefallen lassen: «Die Kundin vor mir kaufte Zigaretten am Kiosk, und da erfrechte sich doch die Verkäuferin zu fragen, ob sie nicht auch Minzbonbons brauchen könnte – «Sie als Raucherin». Ja, genau so habe sie es gesagt.

Nun ja, das ist dann doch etwas grenzwertig, musste ich einräumen. Oder was meinen Sie? Jedenfalls ist es zweifellos eine geschäftstüchtige Verkäuferin. Das erinnert mich an den Tante-Emma-Laden, neben dem ich aufwuchs. Dort fragte die Verkäuferin, wenn sie eine Scheibe Mortadella mehr abgeschnitten hatte, jeweils: «Darfs es bitzeli meh si?» Natürlich durfte es. Es war die Standardfrage überall dort, wo man die Lebensmittel offen und frisch kaufte. So Standard, dass es sogar ein Lied vom Trio Eugster gab.

Tempi passati. Alles ist heute sterilisiert, vakuumiert und in Plastik eingeschweisst. Einsam irren wir zwischen den Verkaufsregalen umher, überfordert mit den 400 Sorten Joghurt. Lost in Translation zwischen Parking Pay und Self Check Out. Machen wir uns nichts vor: Es ist die logische Folge unserer Einkaufsgewohnheiten. Wir wollen in Ruhe gelassen werden und lassen in Ruhe. Einen Wocheneinkauf tätigen, ohne ein Wort zu sprechen, ist heute problemlos möglich. Und das nicht nur im Internet.

Anfang Jahr, da kann es aber noch vorkommen, dass ich angesprochen werde vom Personal. Und auch hier bin ich im Gegensatz zu Kari mega froh darum. Tatort ist jeweils die Post. «Haben Sie schon eine Vignette?», ruft mir die Mitarbeiterin im Schalter in Erinnerung. Soll mir keiner sagen, wir seien nicht auf die Post vor Ort angewiesen.