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Grenchner Metzgereien verkaufen nach Schliessung der Stadtchäsi Käse, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg.
Es ist wieder Raclette- und Fonduezeit - der Käse hat Saison. Natürlich freut sich niemand wirklich darüber, dass die Grenchner Stadtchäsi im Frühling dieses Jahres nach fast 90 Jahren zu machen musste. Doch könnte man annehmen, dass zumindest die beiden Metzgereien vom Chäsi-Aus profitieren müssten. Wieso?
Weil beide - sowohl die Metzgerei Guex gleich neben dem alten Chäsistandort, wie auch die Metzgerei Neuhaus an der Bahnhofstrasse - inzwischen neben Fleisch auch Käse verkaufen. Guex als unmittelbare Reaktion auf das Chäsi-Aus, Neuhaus seit über 10 Jahren. Alle Kunden, die vorher in der Stadtchäsi ihren Käse kauften, sollten den jetzt bei Guex oder Neuhaus holen. Allerdings trifft diese Schlussfolgerung nur halb zu. Die Chäsi-Schliessung wirkt sich auf die Metzger ganz unterschiedlich aus.
Des einen Freud...
Peter Neuhaus braucht sich nicht zu sorgen. Laut eigenen Angaben verkauft er seit der Schliessung der Stadtchäsi und durch die zu ihm Abgewanderten Kunden heute das Vier- bis Fünffache an Käse. Beim Fondue speziell soll es sogar das Achtfache sein. Warum der Boom: Neuhaus verkauft nicht irgendein, sondern das in Grenchen und der Umgebung wohl bekannteste Fondue: Das «Fischer's Fondue» des früheren «Käsepapstes» Fred Fischer, der bis zuletzt die Stadtchäsi geführt hatte.
Neuhaus hat Marke und Rezepte übernommen, vertreibt den Käse in Grenchen, Büren und Lengnau und lässt ihm im Untergeschoss der Metzgerei herstellen. «Viele Leute kommen extra wegen des Fondues und sagen, dass sie froh sind, dass es das Grenchner Fondue immer noch gibt», weiss Neuhaus.
Das Know-how fürs Fischer's Fondue hat er sich aber nicht nur in Form von zwei dicken Rezeptordnern geholt, sondern auch in der Gestalt von Kari Hug. Der 61-jährige Detailhandelsfachmann hat seit letztem Herbst bis zur Schliessung noch in der Stadtchäsi gearbeitet und dort die Fonduemischungen vorbereitet. Gelernt hat er die Kniffs noch bei Fischer Senior, wie er selbst erfreut feststellt. Kari Hug wohnt in Rothrist und führte in Wynau 30 Jahre lang einen Dorfladen, wo er bereits viel hinter der Käsetheke zu tun hatte.
Nun arbeitet er einen Morgen pro Woche bei Peter Neuhaus. Man kennt ihn auch in Solothurn, dort wirtet er im Sommer in der Badi. «Es war schade, dass die Chäsi zugegangen ist, wir hatten es wirklich gut», erzählt Hug. «Ich bin aber wieder in ein super Team gekommen und freue mich, hier arbeiten zu können.» Was das Geheimnis der «Fischer's Fondue» ist, verrät er freilich nicht. Nur, dass allein die Hausmischung aus zehn verschiedenen Käsesorten besteht. Zu kaufen gibt es als Fertigmischung ausserdem die Rezepte Rustico, Edelweiss, Moitié-moitié und Silberhorn.
Natürlich gehen nicht alle ehemaligen Kunden der Chäsi heute zu den Metzgern, viele gehen stattdessen zu den Grossverteilern. Das Stück vom Käsekuchen für die Metzgereien ist deshalb nicht riesig. Peter Neuhaus schätzt, dass nicht mehr als 25 Prozent der einstigen Chäsikunden heute bei ihm oder Guex einkaufen. Eines sei aber klar: Wahre Qualität gibt es beim Spezialisten, und nicht beim Grossisten.
... des anderen Leid
Weniger profitabel war das Chäsi-Aus für die Berufskollegen von der Metzgerei Guex. Als nach der Schliessung peripherstes Fachgeschäft im Zentrum haben Cornelia und Roland Guex nun noch mehr zu kämpfen. Weshalb, erklärt Cornelia Guex: «Fred Fischer hatte in seinem Geschäft auch viele Artikel des täglichen Bedarfs verkauft, da kamen die Leute noch bis zu uns rauf, kauften bei uns das Fleisch und in der Chäsi dann den Rest. Jetzt gibt es diese Möglichkeit nicht mehr, und die Leute gehen das Meiste im Zentrum beim Grossverteiler holen.»
Mit für Guex schlimmen Folgen: Die früheren Kunden der Stadtchäsi kommen erst gar nicht mehr an die Centralstrasse. «Dass wir jetzt Käse verkaufen, hat zwar neue Kundschaft gebracht, ist aber nur Schadensminderung», erklärt Cornelia Guex. Zwar hat die Metzgerei nebst feinen Fondues aus der viel gerühmten Chäsi Oberbipp auch regionale Joghurts und exklusive Käsesorten zu bieten (mal abgesehen von den eigenen Fleischspezialitäten), doch der Effekt ist zu gering. «Wir haben täglich vielleicht fünf Kunden mehr, die wegen der Milchprodukte kommen», sagt Guex, «aber eben auch 20 weniger jeden Tag, weil sie ohne die Chäsi überhaupt nicht mehr kommen.»
Den Teufel an die Wand malen, wollen Guex nicht. Dennoch gibt es keinen Zweifel, dass die Situation nicht einfacher geworden ist und es wohl auch nicht wird. Es seien aber nicht nur die Kunden, die für gute Qualität auch ein paar Schritte mehr als zu Coop oder Lidl auf sich nehmen dürften, finden die beiden. Dass es vor ihrem Laden immer noch keine Kundenparkplätze gibt, ärgert sie. Ein Missstand, für den selbst «Konkurrent» Peter Neuhaus Verständnis hat, denn ohne die neu erstellten Parkplätze an der Bahnhofstrasse ginge es ihm heute auch nicht so gut, sagt er. Cornelia Guex: «Es wäre wirklich an der Zeit, dass man das Parkplatzproblem endlich löst.»