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Nach dem Raubüberfall im März gab es noch weitere Versuche, ihn auszurauben. Jetzt hat der Grenchner Goldschmied Oliver Leuenberger beschlossen, das Geschäft an der Bettlachstrasse aufzugeben.
Im März dieses Jahres wurde Goldschmied Oliver Leuenberger Opfer eines brutalen Raubüberfalls. Drei Männer stürmten in seinen Laden, bedrohten ihn mit einer Waffe, schlugen ihn nieder, schleiften ihn über den Boden, fesselten ihn mit Handschellen und räumten seinen Tresor aus, während einer ihm eine Pistole in den Nacken drückte.
Die Anklageschrift der Justiz läuft auf fünf Namen. Zwei der fünf Täter wurden einige Zeit später gefasst, gegen sie wurde ein Verfahren eröffnet und sie werden in Kürze vor Gericht gestellt. Die drei übrigen Täter seien noch auf der Flucht, aber namentlich bekannt, sagt Leuenberger. Das Verfahren gegen sie werde sofort wieder aufgenommen, sollten sie irgendwo erwischt werden.
Seit dem Überfall im März, bei dem die Täter, die offenbar alle aus Litauen stammen, in Grenchen Beute machen konnten, gab es laut Leuenberger weitere Versuche. Aus diesem Grund will er auf Ende Jahr sein Geschäft an der Bettlachstrasse aufgeben.
«Es sieht so aus, als sei ich ins Visier einer gut organisierten Bande geraten», sagt der Goldschmied, der mittlerweile seinen Laden nur noch an zwei Tagen pro Woche geöffnet hat.
Tatsächlich sei er bei diversen Gelegenheiten ausgespäht worden, habe mehrmals verdächtige Personen vor seinem Laden beobachtet, die sich untereinander mit Knopf im Ohr und Mikrofon in einem russisch klingenden Dialekt verständigt hätten. Zweimal seien Männer mit typischem Einschlag bei ihm im Laden gewesen und hätten sich auf Englisch nach Schmuck, Ringen oder Ähnlichem erkundigt. «Ich habe nie so aussehende englischsprachige Kundschaft.»
Leuenberger vermutet, dass diese Männer seinen Laden aufsuchten, um auszuspionieren, ob er alleine und ob der Tresor offen sei. «Inzwischen habe ich 16 verschiedene Männer festgestellt, die offensichtlich sehr an meinem Laden interessiert waren. Sie kamen in vier Wellen, immer am helllichten Tag.» Mithilfe von Nachbarn, Freunden und benachbarten Geschäftsinhabern konnte er einen weiteren Raubüberfall vereiteln. Und es tönt schon fast nach Wildwest, wenn Leuenberger die Versuche beschreibt, bei denen die Verdächtigen sich im Hinterhof herumgedrückt oder auf der anderen Strassenseite auffällig unauffällig verhalten haben, sie ihn wissend angrinsten, wenn er sich neben sie stellte.
Die Männer hätten im Laden direkten Blickkontakt vermieden, aber alles schnell und gründlich registriert und beobachtet. Leuenberger ging schon nach dem ersten vermeintlichen Versuch zur Polizei, aber die Beamten schienen ihm nicht so recht zu glauben. «Nach dem, was ich erlebt hatte, nahmen sie zunächst wohl an, ich sei nun hypersensibel und übertreibe.» Aber bei einem erneuten Versuch gelang es Leuenberger, die Polizei rechtzeitig zu alarmieren. Leider konnten die Verdächtigen knapp entwischen.
Er habe etwas im Internet recherchiert und festgestellt, dass es in Deutschland gut organisierte und aktive Banden aus Litauen gebe, eine Tatsache, die auch von der Polizei bestätigt worden sei. Sie sind für ihre brachialen Methoden bekannt. «Die schicken dann ihre Fusssoldaten.» Denen sei auch völlig egal, ob sie erkennbar sind oder nicht. «Die tragen keine Handschuhe oder Masken, verstecken ihre Identität nicht. Ihre Bosse sagen ihnen wohl, wenn man euch erwischt, gibt es einen Monat lang Schnitzel und Pommes, bis ihr ausgeliefert werdet.»
Vielleicht sei er ins Visier geraten, weil es relativ einfach gewesen sei, ihn zu überfallen. Seine langjährige Mitarbeiterin, Ursi Bur, arbeitet nicht jeden Tag und Leuenberger war oft alleine im Laden.
Er habe sich natürlich auch überlegt, sich zu wehren, beispielsweise selber eine Waffe anzuschaffen. «Aber dieser Gegner ist einfach zu mächtig», sagt Leuenberger. Vor allem seien die Männer auch skrupellos: Bei seinen Recherchen habe er auch erfahren, dass bereits tödliche Schüsse gefallen seien. «Man darf sich nicht verrückt machen lassen, denn die Realität ist anders, als man es vielleicht aus Action-Filmen kennt. Auch wenn es irgendwie am Ego kratzt: Da zieht man garantiert den Kürzeren.»
Er habe keine grosse Lust, jetzt ständig mit der Angst im Nacken arbeiten zu müssen. Darum sein Entschluss, aufzuhören. «Es sieht nicht so aus, als werde die Welt sicherer.» Der Überfall im März habe vielleicht zwei oder drei Minuten gedauert, vom Reinkommen bis zum Rausgehen der Täter. Ihm sei es aber vorgekommen wie eine Ewigkeit. «So etwas will man kein zweites Mal erleben.»
Am selben Tag sei ein Silberschmied in Glarus überfallen und ausgeraubt worden, wenige Tage später die Bank in Dietikon und danach ein Goldschmied in Olten. Auch könne er nicht zigtausend Franken in zusätzliche Sicherheitsmassnahmen investieren, wie zum Beispiel eine Sicherheits-Drehtür mit zwei Security-Leuten vor dem Laden, wie das vielleicht in Zürich üblich sei. Vorerst hat Leuenberger erste Massnahmen getroffen: Während der Öffnungszeiten ist auch ein weiterer Mann zur Sicherheit anwesend und den Laden kann man nur noch betreten, nachdem man geklingelt hat und die Tür geöffnet wird.
Nun will der Grenchner Goldschmied noch das Weihnachtsgeschäft mit einem 30-Prozent-Ausverkauf ausführen. Der Mietvertrag läuft noch bis Ende September und so wird er schauen, wie es mit dem Laden in dieser Zeit noch weitergeht. Wohin es ihn treibt und ob er auch weiterhin als Goldschmied tätig ist, lässt Leuenberger offen.