«41medical»
Bettlacher MedTech-Firma expandiert nach Australien

Die Firma «41medical» erhielt prominenten Besuch: Lynette Wood, Botschafterin Australiens für Deutschland, die Schweiz und Lichtenstein besuchte die Bettlacher MedTech-Firma, die in Queensland die Tochterfirma «61medical» gegründet hat.

Oliver Menge
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Bilderstrecke 41medical Bettlach
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 Rundgang durch die Firma
 Rundgang durch die Firma
 Rundgang durch die Firma
 Rundgang durch die Firma
 Rundgang durch die Firma
 Von 41medical entwickelte Implantate
 Von 41medical entwickelte Implantate
 Von 41medical entwickelte Implantate
 Von 41medical entwickelte Implantate

Bilderstrecke 41medical Bettlach

Oliver Menge

«Australien hat ein grosses Problem in Sachen MedTech. Sie müssen einen Grossteil medizinischer Produkte importieren, weil sehr wenige MedTech Firmen vor Ort ansässig sind und zudem auch kein richtiges MedTech Zuliefer-Netzwerk existiert», erklärt Professor Robert Frigg, Inhaber und Gründer der Firma 41medical in Bettlach. Deshalb hat 41medical in Queensland eine Tochterfirma gegründet.

Die australische Botschafterin Lynette Wood erfuhr von diesen Plänen und stattete den Bettlacher MedTech-Entwicklern gestern einen Besuch ab. Sie liess sich gleich vor Ort über das Vorhaben ins Bild setzen.

Wie kam es dazu?

Frigg, der selber als Gastprofessor an der Berliner Charité, dem grössten Klinikum Europas, und in Brisbane, Australien, tätig war, lernte die Botschafterin anlässlich zweier Vorträge über «MedTech in der Schweiz und in Australien» in Berlin kennen. Kurze Zeit später erhielt Frigg als Experte auf dem Gebiet und aufgrund seiner guten Kontakte das Mandat zur Evaluation der MedTech Landschaft in Queensland durch den «Metro North Hospital & Health Service», einem staatlichen Grundversorger für rund 900'000 Einwohner rund um Brisbane.

Der Weg von der Idee bis zum fertigen Produkt

Diese Evaluation im Jahr 2018 brachte einige ernüchternde Resultate zutage, wie Robert Frigg und Alfred Niederberger, CEO von 41medical der Botschafterin und ihrem Begleiter, dem 2. Sekretär Joshua Knoop in einer Präsentation darlegten. Der Staat, Universitäten und Förderprogramme sind zwar willens, Innovationen finanziell zu fördern, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, dem sogenannten «proof of concept». Hier wird quasi entschieden, ob ein Produkt hält, was es verspricht. Also beispielsweise, ob ein neuartiges Implantat auch den Erwartungen entspricht – als Prototyp. «Bis aber ein fertiges Produkt effektiv in der Medizin eingesetzt werden kann, bleibt noch ein weiter Weg», erklärt Frigg.

Die Geschichte von 41medical

Synthes-Gründer Hansjörg Wyss beabsichtigte die Gründung einer Firma, die sich auf Medizintechnik-Entwicklungen fokussieren sollte – und dies nicht auf einer grünen Wiese, sondern aus einer mechanischen Werkstatt heraus. Ende 2012 übernahm er die Startech GmbH in Bettlach, eine Präzisionswerkstatt.

Kurz darauf schloss DePuy Synthes die Innovationsgruppe in Zuchwil und somit standen nun langjährige und ausgewiesene Medtech-Entwicklungsexperten zur Verfügung. 41medical wurde gegründet, eine Firma, die auf vier Pfeilern ruht: Die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von eigenen MedTech-Produkten wie auch für andere MedTech-Firmen; die Entwicklung neuer patentierter Technologien und den Verkauf der Lizenzen; der Inkubator, welcher die Möglichkeit für Start-ups im MedTech-Bereich bietet, sowohl das Know-how, das Qualitätsmanagement, die internen Ressourcen, das Unterlieferantennetzwerk und die Möglichkeit, das Produkt auf den Markt zu bringen, zu nutzen; die 41mechanik, eine effiziente und agile präzisionsmechanische Werkstätte, welche Einzelteile bis hin zur Serienproduktion für unterschiedliche Industriesektoren herstellt.

Nach dem Aufbau von 41medical hat sich Hansjörg Wyss Ende 2018 zurückgezogen und das bisherige Management hat die Firma übernommen.

«Die Entwicklung eines Medizinprodukts ist heute ein industrieller Prozess und es braucht Infrastrukturen und potenzielle Partner mit den nötigen Zulassungen, um ein legales Medizinprodukt auch klinisch anwendbar zu machen. Das dauert in der Regel mehrere Jahre», erklärt Frigg. «Im Prinzip nützt es nichts, wenn durch Forschung zwar sehr interessante Implantate, Knochenplatten, Gelenk- oder Wirbelersatz erfunden werden, diese aber nicht in einem zertifizierten Umfeld sauber entwickelt und industriell gefertigt werden. Dies führt später zu Problemen bei der klinischen Zulassung und kann diese verunmöglichen», erklärt Niederberger.

Die MedTech-Industrie mit ihren kleinen Zulieferbetrieben und Spezialisten, beispielsweise für die Oberflächenbehandlung, Endfertigung oder der Reinigung, wie man sie hier am Jurasüdfuss vorfinde, fehle zudem in Australien fast komplett. Aus diesem Grund würden potenzielle Innovationen, die durch kleine australische Start-ups gemacht werden, schon in einem frühen Stadium an grosse, internationale Firmen verkauft. «Die Wertschöpfung passiert demzufolge nicht in Australien, sondern hauptsächlich in Amerika, von wo man die im Grunde australischen Ideen für teures Geld wieder importieren muss», erklärt Frigg. Australische Kliniker hätten demzufolge auch wenig Einfluss auf die Funktionen oder auf die für Australien spezifischen Anforderungen von MedTech-Produkten.

Die Botschafterin war begeistert und sehr interessiert. Sie stellte auch spezifische Fragen, wie schwierig beispielsweise die Rekrutierung der Spezialisten sei, die bei 41medical arbeiten. Es sei nicht einfach, meinte Niederberger, «aber die Leute interessieren sich für uns.» Und Frigg meinte, es sei für junge Ingenieure auch spannend, den ganzen Weg eines Produkts zu gehen und nicht bloss einen Teil davon.

Tochterfirma will Vorteile von Down Under nutzen

Momentan ist man bei 41medical daran, zusammen mit australischen Institutionen, Kliniken und Gesundheitsanbietern einen Businessplan für die neue Tochterfirma, die 61medical, zu erarbeiten. Man will dabei auch die Vorteile nutzen, die Australien bietet: «Die Bereitschaft der Patienten dort, ihre Patientendaten elektronisch erfassen zu lassen und auch zur Verfügung zu stellen, ist riesig: In einer Volksabstimmung in Queensland stimmten 94% dafür.» Das mache es sehr interessant für MedTech-Firmen, grossflächige klinische Studien durchzuführen, weil man an wesentlich mehr verwertbare Informationen komme, als beispielsweise hier in der Schweiz.

Konkret soll «61medical» zusammen mit dem Jamieson Trauma Institute von Professor Michael Schütz, der ab nächstem Februar als Repräsentant für Queensland im Forschungskomitee der australischen orthopädischen Vereinigung fungiert, Entwicklungen tätigen, die auf breite klinische Studien gestützt sind.

Auch im Bereich der Telemedizin sei Australien aufgrund der grossen Distanzen viel weiter. Im Gegenzug seien die Kriterien für die Zulassung medizinischer Produkte in Australien bis anhin weniger streng als anderswo. Deshalb sei man auch daran interessiert, Firmen, die die strengeren europäischen Zulassungskriterien erfüllen, nach Australien zu holen. Übrigens: 41 und 61 bezieht sich auf die internationale Vorwahl der beiden Länder.

Keine Berater, sondern Entwickler

«Wir wollen keine Beratungsfunktion ausüben, sondern die Produkte entwickeln, sodass sie klinisch eingesetzt werden können», erklärt Frigg. Niederberger ergänzt, dass man im Grunde hier in der Schweiz dasselbe tue. Auch hier übernehme 41medical die Entwicklung medizinischer Produkte, welche MedTech-Firmen nicht mehr selber realisieren wollen oder können. «Wir entwickeln und produzieren Medizinprodukte sowohl für Start-Ups wie auch für weltweit agierende Medtech-Konzerne – und bringen diese Produkte, falls es der Kunde wünscht, auch noch auf den Markt» (Siehe dazu separaten Artikel).

«Absolutely amazing», meinte die australische Botschafterin.

3D ist Teil der neuen Arbeitsfelder

Bei 41medical in Bettlach entsteht in den nächsten Wochen und Monaten das Technologietransferzentrum «Swiss m4m Center» zusammen mit der Empa, dem SUPSI und der Precipart AG. Es soll den Einsatz des 3D-Drucks in der Medizinaltechnik voranbringen (wir berichteten). Implantate, die herkömmlich durch Fräsen, Drehen und Bohren entstehen, sollen künftig auch Schicht um Schicht gedruckt werden.

«Dabei sind ganz neue Denkweisen gefordert», erklärt der CEO vom Swiss m4m Center, Nicolas Bouduban. Statt beispielsweise Implantate, die auf die Herstellung durch die herkömmlichen Techniken optimiert wurden, möglichst «originalgetreu» im 3D-Drucker nachzubilden, kann man auch neue Formen herstellen, wie Verbindungen mit einem Wabenmuster, die einerseits eine hohe Stabilität und andererseits auch die nötige Flexibilität mit sich bringen. «Auf herkömmliche Weise lassen sich solche Teile nicht herstellen. Im 3D-Drucker hingegen schon», erklärt Bouduban.

Aber, und das werde in Australien, wo man in Sachen 3D-Druck an Universitäten recht weit sei, unterschätzt: «Bei Produkten, die klinisch verwendet werden, gelten genau dieselben strengen Auflagen und Zulassungsvorschriften, wie bei herkömmlich hergestellten Implantaten.» Bei einer normalen, gefrästen und gebohrten Platte könne man auf die Spezifikationen des verwendeten Rohmaterials zugreifen. Beim 3D Drucken wird das Implantat aus Pulvermaterial mittels Laser geschmolzen. Pulvereigenschaften, die Materialdichte, Festigkeit und Duktilität durch Wärmeeinwirkung beeinflussen die mechanischen Eigenschaften des 3D-gefertigten Implantates.

Diese Variabilität des 3D Druckens erschwert den ohnehin schon aufwendigen Prozess bei der Implantat Herstellung. Daher sei es auch in diesem Bereich die Aufgabe der neuen Firma, in Australien die Industrialisierung voranzutreiben. «Denn momentan haben viele Ärzte die Idee, sie könnten einfach einen 3D-Drucker in ihre Klinik stellen und patientenspezifische Implantate herstellen. Aber das funktioniert so eben nicht.»

Botschafterin Lynette Wood war beeindruckt, wie hier hoch motivierte Spezialisten daran arbeiten, Ideen bis zur industriellen Fertigung und Marktreife zu bringen. Sie sehe auch ein grosses Potenzial, denn Distanz spiele bei der Entwicklung von Knowhow keine Rolle. Im Gegenteil, die Zeitverschiebung Schweiz – Australien bringe sogar Vorteile.