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Wird die Flugzeugpiste länger, zieht die Landwirtschaft den Kürzeren. Das scheint unvermeidlich, denkt man an die beabsichtigte Anpassung der Start- und Landepiste am Regionalflughafen Grenchen (RFP).
Zur Erinnerung: Um im Bereich Geschäftsflüge mindestens den Status quo erhalten zu können, soll die Piste von 1000 auf 1450 Meter nach Westen erweitert werden, womit die Landschaft aber zerschnitten und mehrere Schutzzonen in Mitleidenschaft gezogen werden könnten.
Betroffen sind auch die Bauern, die dort ihr gepachtetes Land bewirtschaften. Eine Pistenverlängerung würde für einzelne Landwirte Kulturlandverlust und damit Einkommenseinbussen bedeuten. Kein Wunder, wehren sich diese Bauern jetzt gegen die Pläne. Es ist das erste Mal seit den N5-Diskussionen Ende der 90er-Jahre, dass sich die Landwirtschaftliche Beratungsgruppe Grenchen-Staad - unterstützt durch den Bezirksverein Solothurn-Lebern - wieder aufs politische Parkett wagt. Im Frühling 2012 schon hatte sie eine vierköpfige Arbeitsgruppe Flugpistenverlängerung gegründet.
Jetzt, da die Vorabklärungen seitens Flughafen, Kanton und Stadt immer mehr vorangetrieben werden, melden sich die Bauern wieder zu Wort. «Wir sind klar gegen eine Pistenverlängerung, weil sie für die Landwirtschaft etliche Nachteile birgt», stellt Arbeitsgruppenchef Thomas Marti klar. Der CVP-Gemeinderat steht in den Behörden bisher ziemlich allein mit seiner Meinung.
Unten- oder mittendurch?
Wird die Piste verlängert, muss der Verkehr künftig anders geführt werden. Es gibt mehrere Ansätze, dieses Problem zu lösen. Der priorisierte ist eine neue Strassenführung mit Untertunnelung der Piste. Damit müsste der Kreisel nach Norden versetzt und der westliche Teil des «Ypsilon» nördlich des Bauernhof Uebersax geführt werden. Beschlossen sei noch nichts, relativiert dazu Claude Barbey, Stadtbaumeister von Grenchen. Ein zweiter, aber weniger wahrscheinlicher Ansatz würde die Bauern insgesamt bedeutend stärker treffen - nämlich die Umfahrung des Ganzen.
Dabei würde vom Autobahnzubringer quasi diagonal durch die nationale und kantonale Schutzzone Witi eine neue Strasse in Richtung Arch-/Staadstrasse gebaut. Dass der Stadtbaumeister dieser Möglichkeit aufgrund zu erwartender Gegenwehr nur wenig Chancen gibt, beruhigt die Landwirtschaftliche Beratungsgruppe Grenchen-Staad dabei nicht vollständig. «Sicher ist, dass bei dieser Umfahrung noch mehr Kulturland verloren ginge», sagt Marti.
Es könnte sein, dass letztlich nur deshalb mehrere Varianten für die Strassenführung ins Spiel gebracht werden, damit man letztlich «nur noch über die Varianten diskutiert, statt über die Grundfrage selbst, ob man eine Pistenverlängerung überhaupt will». Claude Barbey winkt ab: Im Gegenteil die favorisierte Lösung der Strassenführung würde aktuell geteiltes Kulturland wieder in eine grössere zusammenhängende Fläche zusammenfügen und Reststücke weitgehend eliminieren, erklärt er.
«Es gibt keinen Realersatz»
Geht durch die Pistenverlängerung Kulturland verloren, betrifft das die Bauern direkt. Das Land im betroffenen Gebiet ist mehrheitlich verpachtet, eigentliche Reserven gibt es nicht. Geht also Land verloren, müssen die Bauern sich künftig weniger Land teilen, oder es gibt für einzelne gar nichts mehr. «Da stellen sich auf einmal Existenzfragen», erklärt Thomas Marti. Wer die Landwirte entschädigt, oder woher Realersatz kommen soll, ist für ihn ungelöst. Auch die Baudirektion und die Bürgergemeinde bestätigen, dass die Ressourcen beschränkt sind.
Hinzu kommt ein möglicher Konflikt mit den Naturschützern. «Diese werden ebenfalls für den Eingriff in die Natur und die Schutzzonen Gegenmassnahmen fordern», sagt Marti. Würden aber neue zusätzliche ökologische Ausgleichsflächen ausgeschieden, bliebe nochmals weniger Platz für die produzierende Landwirtschaft. «Mal abgesehen von den weiteren negativen Auswirkungen einer Verlängerung, wie zusätzlichem Lärm über Lengnau und Meinisberg», sagt der Arbeitsgruppenchef.
«Alles spricht von einem übergeordneten Interesse, da scheinen die Interessen der Bauern keine Rolle mehr zu spielen. Das geht nicht. Wir Bauern wollen ebenfalls mitreden können und auch Forderungen stellen und Vorschläge machen können», sagt Marti. Deshalb sucht die Arbeitsgruppe nun unter anderem auch Einsitz in der Regionalplanungsgruppe.
Im Dezember 2011 bekannte der Regierungsrat des Kantons Solothurn Farbe und stellte sich offiziell hinter den Flughafen Grenchen (RFP).
Statt der bis dahin diskutierten Variante einer Verlängerung nach Osten wurde neu aber eine West-Variante favorisiert. In der Folge freuten sich zwar Stadt- und Wirtschaftsvertreter, es entbrannte aber ein absehbarer Krieg mit den Naturschutzverbänden.
Der Grund: Wird die Piste um 450 Meter verlängert, ist auf jeden Fall das eidgenössisch geschützte Wasser- und Zugvogelreservat «Grenchner Witi» betroffen, welches einst eine Bedingung des Bundes als Ausgleich für den Bau der Autobahn nach Grenchen war.
Die Pistenanpassung tangiert laut den Verbänden nationale und kantonale Schutzzonen und könnte zu mehr Fluglärm führen. Fest steht hingegen auch, dass der Flughafen im Kampf um mehr Wirtschaftlichkeit auf eine Anpassung angewiesen ist (fup)