Stadtbummel Grenchen
Baggern, damit der Rubel rollt

Andreas Toggweiler
Andreas Toggweiler
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Bauarbeiten auf der Kapellstrasse. (Archiv)

Bauarbeiten auf der Kapellstrasse. (Archiv)

Oliver Menge

Unterirdisch schlecht sind offenbar die Wasserleitungen, die in der Stadt vor 38 Jahren eingebaut wurden. Die SWG muss einem Leitungsleck nach dem andern nachrennen. Nach der Löwenkreuzung letztes Jahr hat es diese Woche die erst vor zwei Jahren frisch geteerte Kapellstrasse erwischt.

Auf der meistbefahrenen Kreuzung der Stadt eine Wasserleitung flicken, da ist einerseits allerhand schweres Gerät nötig, anderseits sollte der Verkehrsfluss nicht allzu stark behindert und zügig gearbeitet werden. Die experimentierfreudige SWG hat da wieder etwas entdeckt: Der Aushub wurde unter mächtigem Getöse von einem Riesenstaubsauger gemacht. Kein Witz.

Das sei ein Saugbagger, bestätigt man in der SWG-Chefetage und man setze ihn zu Testzwecken ein. Dass da auch über die Mittagszeit gesaugt wurde, was das Zeug hält, gefiel wohl den Anwohnern nicht so, ist aber hier wohl dem raschen Arbeitsfortschritt geschuldet.

Apropos Mittagsruhe: Auch auf dem neuen ETA-Werk an der Flughafenstrasse waren diese Woche Arbeiter in orangen «Gwändli» zu sehen, die vermutlich irgendwelche Wartungsarbeiten am Flachdach vorgenommen haben. Auch sie haben Maschinen ähnlichen Kalibers eingesetzt und auch sie scherten sich einen Deut um die Mittagsruhe im Quartier.

Es ist ja schön, wenn in der ETA wieder Schicht gearbeitet werden kann, wenn wieder Arbeit kommt. Aber muss das auch auf dem Dach der Fabrik sein? Überhaupt fordert die 24-Stunden-Gesellschaft immer mehr ihren Tribut. Das Ziel der «neokapitalistischen Gesellschaft» laufe auf die Abschaffung des Schlafs hinaus. Die Menschen sollen während 24 Stunden nur noch Umsatz generieren, Geld verdienen und konsumieren, sagte ein Philosoph diese Woche in einer Westschweizer Zeitung.

Man neigt dazu, ihm recht zu geben. Der Trend ist schleichend, aber eindeutig. Ja, wo sind sie geblieben, die Uhrmacherferien in Grenchen, als die halbe Stadt im Sonderzug nach Italien ans Meer reiste? Die kollektive Auszeit als Happening! Betriebsferien in der Industrie, gibt’s das im Zeitalter der «Just in Time»-Produktion noch?

Wohl kaum. Selbstmanagement der «Ich-AG» lautet heute die Devise. Jeder soll sich selber (ver-)planen. An der Anzahl Ferienwochen kann es ja bei uns nicht liegen. Aber irgendetwas läuft falsch, wenn man sich keine Mittagspause mehr gönnen kann, nur damit der Rubel rollt.