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Eine Professorin für Migrationsstudien hielt in Grenchen ein Referat zur Wegweisung straffälliger Ausländer und zur Ausschaffungsinitiative.
Christin Achermann, Professorin für Migrationsstudien an der Universität Neuenburg, referierte am Mittwochabend zum Auftaktanlass von Granges Mélanges über ein komplexes Thema, nämlich über die Wegweisung von straffälligen Ausländerinnen und Ausländern. Über dreissig Zuhörer haben sich im Kunsthaus eingefunden, um am Vortrag teilzunehmen.
Die Ausschaffungsinitiative ist noch nicht umgesetzt und so gilt noch die bisherige Rechtslage, in der die kantonalen Migrationsbehörden für Ausschaffungsfragen zuständig sind. Sobald bei einem Ausländer oder einer Ausländerin eine Freiheitsstrafe gefällt wird, macht man sich über Wegweisung Gedanken. Dabei setzt jeder Kanton seine eigenen Schwerpunkte. Sachverhalte wie Integration, Bezug zum Heimatland und in der Schweiz wohnhafte Familienangehörige werden dann unter anderem wichtig.
Gesicherte Statistiken zu Wegweisungen existieren gegenwärtig noch nicht, sodass nur geschätzte Zahlen vorliegen. So seien im Jahr 2004 in der Schweiz 350 Straffällige mit einer B- oder C-Bewilligung ausgeschafft worden, 750 waren es im Jahr 2009 und 376 im Jahr 2012. Im Kanton Solothurn sind gemäss Achermann rund 24 Personen zwischen 2008 und 2012 ausgeschafft worden.
In einem zweiten Teil kam Achermann auf die Ausschaffungsinitiative zu sprechen, deren Umsetzung den Gesetzgeber vor grosse Probleme stellt. «Dies sieht man auch daran, dass sie noch immer nicht geregelt ist», so Achermann. «Die Initiative steht im Widerspruch zu anderen Gesetzen.» Die Problempunkte: Die Initiative setze sich über das geltende Völkerrecht hinweg, schaffe einen Automatismus. Während die Ausschaffungsinitiative automatisch bei bestimmten Vergehen eine Wegweisung einleiten will, ist per Gesetz die Verhältnismässigkeit einzuhalten: Neben dem Vergehen sind auch die Lebensumstände der Person wichtig, die zusammen mit dem Delikt auf die Waage gelegt werden.
Die Ausschaffungsinitiative würde voraussichtlich keinen Einfluss auf die Sicherheit oder den Rückgang der Kriminalität haben, so Achermanns These. Dies, obschon sich die Zahlen der zu wegweisenden Kriminellen laut unsicheren Schätzungen jährlich zwischen 1300 und 11 000 Fällen bewegen würden. «Es bestand bisher bereits für straffällige Ausländer und Ausländerinnen die Gefahr, weggewiesen zu werden. Wenn sie sich schon vom aktuellen Gesetz nicht beeindrucken lassen, werden sie es auch beim überarbeiteten Gesetz nicht tun», erklärt Achermann. Dazu käme, dass jemand, der aus dem Land verwiesen wurde, jederzeit illegal zurückkommen könne. «Unsere Grenzen sind gegenwärtig offen. Man kann oft leicht kommen und gehen», fügt sie hinzu.
Ein Vergleich mit dem Ausland zeige, dass andere Staaten kaum Ausländer der zweiten Generation hätten, da bei ihnen die Staatsbürgerschaft einfacher zu erhalten sei. «Es erscheint mir wichtig, bei Menschen der zweiten oder gar dritten Generation die Frage der Heimat zu stellen. Sie sind hier aufgewachsen, sollte man sie wirklich anders behandeln als kriminelle Schweizer?», will Achermann wissen. So würden beispielsweise kriminelle Secondos dadurch doppelt bestraft. Dabei weist sie auf einen Punkt hin, auf den in ihren Augen viele in der Schweiz stolz sind: «Wir sind ein Land mit staatsrechtlichen Prinzipien. Wir müssen uns fragen, ob wir bereit sind, diese für gewisse Gesetze über Bord zu werfen.»