Das Gastspiel des Berliner Theaters am Kurfürstendamm bot beste Unterhaltung im Parktheater in Grenchen.
Die Abwesenden hatten einmal mehr Unrecht. Das Stück «Du kannst nicht immer 60 sein» aus der Feder des «Berufsjugendlichen» Ilja Richter bot nämlich im Parktheater Entertainment im besten Sinne. Richter trifft dabei auf die fiktive 88-jährige Zwillingsschwester von Hildegard Knef. Ein schöner Regie-Einfall bringt die beiden zusammen auf die Bühne. Schuld ist ein Planungsfehler. So streiten sich Richter und Ulrich Michael Heissig, der die Kunstfigur Irmgard Knef ersonnen hat und auch verkörpert, zuerst einmal um das Auftrittsrecht, einigen sich auf 10-minütige Blockzeiten, um zu guter Letzt dann doch gemeinsam einen schönen Teil des Programms zu absolvieren. «So wächst zusammen, was nicht zusammengehört», unkt zwar die Knef. Allein, im Duo sorgen sie für manch heitere und erheiternde Momente. Nach dem Motto «Der Lack ist ab, das Leben geht weiter», plädieren sie für ein offensives, unverkrampftes Altern. Und überhaupt: «Die meiste Zeit im Leben biste alt.» Sie philosophieren über Sex und Erotik, über Demenz und die Angst vor dem Tod, über Reinkarnation, kurz: über das Leben, den Tod und alles, was dazwischen liegt.
Begleitet von der spielfreudigen Band «Die Toten Rosen» singen, tanzen und steppen sie vielleicht nicht mehr ganz so leichtfüssig wie in den besten Jahren, dafür mit der anmutigen Würde ihres Alters. Und garnieren das Ganze mit Pointen, von leichthin-vordergründig bis philosophisch-hintergründig. So zelebrieren sie die Alters-Demenz als Fortsetzung des Jugendwahns oder zitieren «Alterssprüche» eines Jean Paul und eines Erich Maria Remarque, machen sich lustig über Muttersöhnchen und Ödipus-Komplex, illustriert durch eine in einem Federkleid herumrennende Glucke (Kim Pfeiffer). Lakonischer Kommentar dazu: «Eine Neuinszenierung von Ibsens Wildente im Zürcher Schauspielhaus.»
Natürlich ist Ilja Richter mehr als der Kult-Moderator von «Disco». Er ist vor allem ein viel beschäftigter Schauspieler, Regisseur, Sänger, Synchronsprecher und Autor.
Und trotzdem erinnert er selber an diesen Lebensabschnitt. Allerdings mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Einfach herrlich, wenn sein legendäres «Licht aus. Spot an» im Operationssaal ertönt und sich eine frustrierte Prostata (wiederum die quirlige Kim Pfeiffer) über ihr Schicksal beklagt. Ungemein erheiternd wirken überdies Richters Parodien über ehemalige Grössen des Schlager-Geschäfts. Chris Roberts, Peter Alexander, Vico Torriani, Jürgen Markus oder Juliane Werding werden gestenreich und ausdrucksstark auf die Bühne gebracht. Bata Ilic nennt er «den Tragöden des deutschen Schlagers. In seinem Gesicht spiegelte sich immer schon der gesamte Kosovo-Konflikt inklusive des Attentats auf den österreichischen Thronfolger 1914.» «Ich hätte gern alle deutschen Schlager in der «Disco» gesprochen. Der Musik hätte das auf jeden Fall sehr gut getan», lästerte Richter überdies.
Fazit: «Du kannst nicht immer 60 sein» ist ein charmantes, liebevolles und erheiterndes musikalisches Show-Spiel über das unvermeidliche Altern, gespickt mit einigen verbalen Spitzen und geprägt von einer optimistischen Grundhaltung.