An der Jurastrasse sind momentan Archäologen am Werk. Bei Bauarbeiten wurde überraschenderweise ein römischer Gutshof entdeckt. Selbst für die Fachleute ist der Fund in Grenchen ein aussergewöhnlicher Glücksfall.
Mit der Schaufel wird der Boden aufgelockert. Mit Spachteln wird in der Erde nach rund 2000 Jahren alten Gegenständen gesucht. Seit über einer Woche sind die Archäologen schon am Werk, doch noch wagt keiner zu definieren, was man im Boden auf rund 480 Metern über Meer noch alles ausbuddeln wird.
Sicher aber ist, dass es sich um keinen alltäglichen Fund handelt. Vor fast genau 70 Jahren wurde im «Breitholz» bereits eine Villa Rustica entdeckt. Jetzt sind die Fachleute nach Sondierungsarbeiten an der Jurastrasse überraschend auf die Grundmauern des Hauptgebäudes eines weiteren römischen Gutshofs gestossen.
Mehr als erwartet
Schon mehrmals in den vergangenen Jahrzehnten wurde in diesem Gebiet gegraben, erklärt Kantonsarchäologe Pierre Harb. Entdeckt habe man aber bisher nichts Wesentliches. «Nur vor vier, fünf Jahren wurden ein paar Einzelstücke aus der Römerzeit, unter anderem eine Münze gefunden», erklärt Pierre Harb und zeigt auf das Grundstück gleich oberhalb.
Dass man tatsächlich auf einen solchen Fund stösst, habe er aber nicht erwartet. «Wir haben das unterschätzt», gibt der Kantonsarchäologe gerne zu. Umso spannender sind die weiteren Ausgrabungsarbeiten. Und Tag für Tag taucht noch mehr auf.
Wohngebäude der Oberschicht
Grabungsleiterin Mirjam Wullschleger und ihr Team sind letzte Woche auf die Grundmauern eines Gebäudes gestossen, die rund einen halben Meter über der einstigen Laufhöhe liegen. «Die Einschätzung ist zwar noch etwas vage», sagt Archäologin Mirjam Wullschleger, «aber ich gehe davon aus, dass es sich um ein Wohngebäude mit mehreren Räumen handelt, in der vermutlich die Oberschicht zuhause war.» Oder es handle sich um das Haus eines römischen Verwalters.
Hinweise bieten auch die Wasserleitung und die Bodenheizung, welche freigelegt worden sind. Eine Öllampe, ein Steinanhänger, zerbrochene Keramikgefässe, Bruchstücke von Amphoren und Dachziegel wurden gefunden. Da nicht allzu viel Zeit bleibt, konzentriert man sich auf das Hauptgebäude. Andere Mauerreste weisen beispielsweise auf ein weiteres Nebengebäude hin. Die Fundstücke werden später restauriert, die Resultate der Ausgrabung für die Nachwelt dokumentiert.
Vielleicht noch jünger als erwartet
Der Fund bedeutet für die Kantonsarchäologie einen Glücksfall. Bereits geben es rund 400 schützenswerte Fundstellen im Kanton, erklärt Leiter Pierre Harb. Von Avenches (Aventicum) über Solothurn (Salodurum) bis Augst (Augusta Raurica) führte eine wichtige römische Strasse.
Vielleicht dürfen sich die Fachleute letztlich sogar noch mehr freuen. «Üblicherweise datieren die meisten Funde der Römerzeit aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert», sagt Grabungsleiterin Wullschleger. «Die Fundstücke lassen aber hoffen, dass wir uns hier sogar im dritten Jahrhundert befinden könnten.» Das würde für die Archäologen einen speziell wertvollen Fund bedeuten.
Aktuell arbeiten täglich zwischen vier und sechs Personen auf der Ausgrabungsstelle. Demnächst soll das Team noch verstärkt werden. Bis August sollten die Archäologen dann fertig sein. Danach soll auf dem Privatgrundstück nämlich eine Wohnüberbauung mit Parkhaus errichtet werden.