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Der kleine Badestrand neben der Staader Kapelle ist gesperrt. Eine Hinweistafel gibt den Grund dafür an: Entenflöhe – ob etwa die lästigen Saugwürmer der Grund dafür sind? Oder gibt es dafür eine andere Erklärung?
Die Feuerstelle und der kleine Strand bei der Staader Kapelle sind längst kein Geheimtipp mehr – sehr zum Leidwesen der Staaderinnen und Staader. Sie haben sich dort nämlich ein kleines Refugium geschaffen. Die Feuerstelle, die schon vor mehr als zehn Jahren dort erstellt und seither instand gehalten wurde, ist als privat gekennzeichnet. Sie eignet sich ausgezeichnet für einen Familienausflug, bietet sogar Schutz bei Regen oder an Hitzetagen vor der Sonne. Ein Schild weist darauf hin, dass man sie mieten kann. 50 Franken kostet der Spass, dafür stellen die Staader das Holz fürs Feuer zur Verfügung. Jedes Jahr finden rund ums Sandloch auch die traditionellen Feuerwehrwettkämpfe am «Sandlochfest» statt – coronabedingt allerdings nicht in diesem Jahr.
Hier treffen sich Staaderinnen und Staader also regelmässig am Feierabend zu einem Bier oder einer Wurst vom Grill, die Kinder wie auch die Erwachsenen können bequem ins Wasser und eine Runde schwimmen, die Aare zieht in Ufernähe nicht sonderlich stark. Ein idyllischer Flecken, durch die Präsenz der kleinen Kapelle und dem majestätischen Fluss schon fast mystisch. Die 1715 erbaute Kapelle ist dem heiligen St. Niklaus gewidmet, dem Schutzpatron der Schiffer. Das Grundstück – Kapelle, Strand und Feuerstelle – gehört der katholischen Kirchgemeinde.
Nun aber erleben die Einwohner des kleinen Weilers südlich von Grenchen das, was an vielen Uferabschnitten der Aare entlang längst ein äusserst lästiges Problem ist: Ortsfremde Personen feiern dort im Sommer Partys bis spät in die Nacht, scheren sich einen Deut um die Nachbarn und hinterlassen buchstäblich einen Saustall.
Weinbauer Andreas Marti, der gleich neben dem Sandloch einen kleinen Rebberg bewirtschaftet, organisiert die Vermietungen der Feuerstelle, er achtet darauf, dass es keine Terminkollisionen gibt und schaut generell etwas zum Rechten. Was er in letzter Zeit auf dem Plätzli und rund herum angetroffen hat, spottet jeder Beschreibung: «Nicht nur, dass sogar die Kapelle als Umkleideraum genutzt wird und überall jede Menge Müll herumliegt, trotz Abfallkübel, den man nicht übersehen kann: Die Leute versäubern sich auch rund um das Sandloch, nicht selten inmitten meiner Reben oder den Studen am Wegrand.» Aus der Feuerstelle werde Holz gestohlen, um damit Feuer anzumachen und zu grillieren, «sogar mitten auf dem Weg neben der Kapelle». Die Besuche der ungebetenen Gäste haben in der letzten Zeit massiv zugenommen.
Dass man sich am Sandloch mit Entenflöhen infizieren kann, daran besteht (kein) Zweifel. Der kleine Saugwurm kommt in vielen Schweizer Gewässern vor, wo es Wasservögel wie Enten gibt.
Die Badedermatitis – im Volksmund auch Entenflöhe genannt – ist eine stark juckende, unangenehme und entzündliche Hauterkrankung, die von Saugwürmern verursacht wird. Der ausgewachsene Parasit lebt in darmnahen Blutgefässen von im Wasserbereich lebenden Tieren, insbesondere in Wasservögeln wie Enten, Schwänen, Möwen und Gänsen. Auch Säugetiere wie Biber und Bisamratten können infiziert werden. Der Wurm bildet Eier, die in den Darm gelangen und mit dem Kot ausgeschieden werden. Aus den Eiern schlüpfen Larven, welche vorwiegend in stehenden Gewässern einen Zwischenwirt, Wasser- oder Schlammschnecken, befallen. Die Larven vermehren sich und entwickeln sich weiter zu Y-förmigen Zerkarien, die bei einer ausreichend hohen Wassertemperatur – 24 Grad Celsius und mehr – in hoher Zahl ins Wasser ausgeschieden werden. Die mikroskopisch kleinen Zerkarien befallen schliesslich wieder die geeigneten Endwirte oder den Menschen als sogenannten «Fehlwirt». Die Zerkarien, die weltweit und auch in Mitteleuropa und in der Schweiz vorkommen – in der Schweiz gehört zum Beispiel Trichobilharzia ocellata dazu – boren sich in die Haut des Menschen ein, was eine Immunreaktion und die Hauterkrankung verursacht. Glücklicherweise können sich die Parasiten im Menschen nicht vermehren und sterben ab.
Die Badedermatitis äussert sich als geröteter, entzündlicher und allergischer Hautausschlag mit einem starken und unangenehmen Juckreiz. Die Einstichstellen der Zerkarien sind als gerötete Flecken, Papeln, Pusteln oder kleine Blasen erkennbar.
Leichte Beschwerden können bereits im Wasser auftreten, die Symptome entwickeln sich aber mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Stunden. Die Beschwerden sind bei einem Zweitkontakt stärker ausgeprägt, was durch eine Sensibilisierung und die Entstehung einer allergischen Reaktion erklärbar ist.
Komplikationen wie Schwindel, Schweissausbrüche, Schwellungen, Fieber, Übelkeit und Durchfall können vorkommen. Für die Behandlung werden juckreizlindernde, antiallergische und entzündungshemmende Arzneimittel eingesetzt.
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Und hat man sie einmal erwischt, kann es gewaltig jucken und brennen, sogar allergische Reaktionen hervorrufen. Also vermeidet man besser den Kontakt und meidet den Ort. «Wir hatten schon letztes Jahr Entenflöhe am Sandloch», sagt Marti. Und man tue gut daran, die Bevölkerung davor zu schützen. Also sei das Sandloch in Absprache mit der katholischen Kirchgemeinde, der die ungebetenen Gäste offenbar auch Sorgen bereiteten, mit rot-weissem Band und einer einfach verständlichen Hinweistafel – in deutscher Sprache – gesperrt worden. Schliesslich will man nicht die Bevölkerung der Gefahr aussetzen, sich mit so üblen Gesellen rumschlagen zu müssen.
Recherchen haben ergeben, dass weder die Polizei Stadt Grenchen noch die Stadtverwaltung involviert war. Die Sperrung geschah auf Initiative der besorgten Staaderinnen und Staader. Sie selber wissen um die Eigenheiten der Entenflöhe und können damit umgehen. Vielleicht haben sie auch eine etwas dickere Haut, in die der Parasit nicht eindringen kann? Auf jeden Fall haben sie etwas mehr Ruhe an ihrer Feuerstelle.
Ein unmittelbarer Nachbar meinte gegenüber dieser Zeitung: «Ich weiss es auch nicht, wer den Strand gesperrt hat, aber letzte Woche war einer da vom Amt für Umwelt». Das stimmt tatsächlich, denn Stefan Freiburghaus vom AfU wohnt in Grenchen und badet öfters dort. Er habe sich gewundert über die Absperrung, die zuerst da war und später über das Schild und habe selber Nachforschungen angestellt. Gestern wurde die Stadt Grenchen nun vom Kanton angewiesen, die Absperrung zu entfernen. Denn 1. müsse der öffentliche Zugang zu Gewässern gewährleistet sein und 2. gebe es keinen einzigen Hinweis auf «Entenflöhe».