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Nelly Furer, Präsidentin der reformierten Kirche Grenchen-Bettlach, nimmt Stellung zu häufigen Wechseln im Pfarrkollegium und im Kirchgemeinderat, zu neuen Wegen in der Coronazeit – und warum die Bettlacher keine Sonderbehandlung erhalten.
Wieder hat mit Susanna Meyer eine Pfarrerin gekündigt. Wird man sich auch in Grenchen an häufige Pfarrerwechsel gewöhnen müssen?
Nelly Furer: Es trifft zu, dass in den letzten dreieinhalb Jahren drei Pfarrpersonen gekündigt haben. Eine Pfarrperson ist bereits nach zwei Wochen nach Stellenantritt wieder gegangen. Der Kirchgemeinderat bedauert, dass Susanna Meyer ihre Stelle gekündigt hat. Sie hat in unserer Kirchgemeinde gute Arbeit geleistet. Der Kirchgemeinderat ist guter Hoffnung, dass in der Kirchgemeinde wieder etwas Ruhe einkehrt. Unsere zwei weiteren Pfarrpersonen, welche nun seit über drei Jahren in unserer Kirchgemeinde angestellt sind, schätzen das aktuelle Arbeitssystem. Selbstverständlich hoffen wir, dass es nicht so bald wieder zu einem weiteren Wechsel kommt.
Wie sieht denn dieses Arbeitssystem aus?
Zunächst: Ich spreche bewusst von der Kirchgemeinde Grenchen-Bettlach. Es sind zwar zwei politische Gemeinden, aber es ist eine Kirchgemeinde. Unsere Pfarrpersonen arbeiten an beiden Standorten, sei es für Gottesdienste oder bei Abdankungen. Mit dem Amtswochensystem wird ein allgemein übliches, organisatorisches Instrument angewandt, welches definiert, welche Pfarrperson in welcher Woche für allfällige Beerdigungen und gegebenenfalls auch für seelsorgerische Notfälle zuständig ist.
Susanna Meyer, die Pfarrerin im Kreis Markus (Bettlach) sagt, der Kirchgemeinderat habe ihre Vision für Bettlach nicht unterstützt. Wie sehen Sie das?
Die von Susanna Meyer initiierten guten Projekte wurden vom Kirchgemeinderat und dem Pfarrteam alle unterstützt. Zum Beispiel das Chorprojekt SoLaLa oder auch die seelsorgerliche Anlassserie «Boxenstopp», die wegen Corona leider nur zweimal durchgeführt werden konnte. Es gibt in der Kirchgemeinde Organisationsstrukturen, die vom Kirchgemeinderat beschlossen wurden – zum Beispiel das erwähnte Amtswochensystem – , und die vor Stellenantritt von Susanna Meyer bekannt waren. Wir stecken in einer schwierigen finanziellen Lage, und werden weniger Pfarrstellenprozente besetzen, was auch die Gesamt-Kirchgemeinde betrifft.
Fakt ist, dass es immer wieder zu Spannungen kommt zwischen Bettlach und Grenchen. Werden die Bettlacher marginalisiert?
Spannungen zwischen Grenchen und Bettlach gibt es schon lange. Wir bekommen jedoch fast ausschliesslich positive Reaktionen von den Kirchenmitgliedern, die es schätzen, dass alle Pfarrpersonen in der ganzen Kirchgemeinde tätig sind. Es sind sehr wenige, einzelne Mitglieder, die noch am alten System festhalten wollen. Die Situation hat sich aber in den letzten 20 Jahren enorm verändert und wir müssen uns der Zeit anpassen, sowohl personell wie organisatorisch. Ich persönlich finde auch, dass gerade wir Reformierten diese Vielfalt von Pfarrpersonen schätzen sollten. Der Gemeindeteil Bettlach wird dabei keineswegs zur Seite gedrängt, sondern mehr als früher einbezogen. Beide Gemeindeteile werden gleichbehandelt. Gottesdienste werden ab dem 1. Januar 2021 alternierend gehalten, an wichtigen kirchlichen Feiertagen finden in beiden Kirchen Gottesdienste statt.
Fakt ist auch, dass die Bettlacher Kirchenmitglieder (pro Kopf) viel finanzkräftiger sind als die Grenchner. Muss man da nicht mehr Entgegenkommen zeigen?
Als Kirche dürfen wir auf keinen Fall eine Zweiklassengemeinschaft sein, die allenfalls finanzkräftigeren Mitglieder mehr Beachtung zukommen lässt.
Auch im Kirchgemeinderat ist ein Kommen und Gehen. Fehlt den heutigen Behördenmitgliedern das Durchhaltevermögen?
Dass Ratsmitglieder nicht bis zum Ende der Legislaturperiode im Kirchgemeinderat bleiben, hat verschiede Gründe. Bei den immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen – uns wurden von einem Tag auf den anderen 150000 Franken Finanzausgleich gestrichen -, gibt es immer häufiger schwierige Diskussionen, bei denen Kompromissbereitschaft gefragt ist und gute Abklärungen gemacht werden müssen. Oft fehlt vielleicht auch an der notwendigen Zeit, die die Ausübung eines Amtes erfordert. Es braucht auch eine Portion Durchhaltewille, um nach Rückschlägen oder bei Kritik weiterzumachen.
Wie hat sich die Pandemie auf das Gemeindeleben ausgewirkt?
Die Coronazeit hat sicher in der Kirchgemeinde Spuren hinterlassen. Die Gemeinschaft, die in einer Kirche besonders wichtig ist, wurde sehr stark eingeschränkt. Viele Mitglieder warten darauf, dass man wieder gemeinsam essen, singen und zusammen sein kann.
Die Coronazeit hat auch zu bemerkenswerten Innovationen geführt. Können die «Wort-zur-Zeit»-Beiträge im Internet auch ein neues Publikum ansprechen?
Mit dem Projekt «Wort-zur-Zeit» ist aus der Not heraus etwas sehr, sehr Positives entstanden. Mit diesen Videos, mal kürzer, mal länger, erreichen wir sehr viele Menschen, im Schnitt über 250 Personen. Davon über 150, die die Videos anschauen, also ein Vielfaches von Gottesdienstbesuchern.
Gibt es Perspektiven auf neue Normalität oder auch irreversible Entwicklungen?
Wir hoffen natürlich, dass wir alle abgesagten und sistierten Anlässe und Angebote für alle Jahrgänge wieder durchführen können. Das «Wort-zur-Zeit» bleibt bei all den positiven Reaktionen bestehen. Veränderungen wird es geben, das wird die Zeit mit sich bringen.
Grenchen hat einen neuen katholischen Priester. Zeichnet sich ein Neubeginn von ökumenischen Aktivitäten ab?
Wir haben hier in Grenchen-Bettlach eine wertvolle und gute Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche. Neu ist das ökumenische Friedensgebet wieder in Leben gerufen worden. Der Start war in dieser speziellen Coronazeit mit zahlreichen Besuchern ein Erfolg. Zudem wurden dieses Jahr die Seniorenferien erstmals oekumenisch organisiert. Auch die ökumenischen Gottesdienste werden allgemein geschätzt.