Vor 200 Jahren wollte die Stadt Biel ein eigenständiger Kanton werden – die Mächtigen in Wien entschieden anders. Und so kam Biel zum Kanton Bern.
Der Wiener Kongress von 1814/15 war für die Stadt Biel von grosser Bedeutung. Denn dort entschieden die Mächtigen Europas, dass die Stadt zukünftig zum Kanton Bern gehören solle. Das war nicht im Sinn der Stadtoberen, die ganz andere Pläne verfolgten.
Ein junger Bieler, der erst 29-jährige Georg Friedrich Heilmann, war mit dem Auftrag nach Wien gereist, die Interessen der Stadt Biel zu vertreten, doch er scheiterte mit seinem Vorhaben.
Im Februar 1798 wurde Biel zusammen mit dem Jura Teil Frankreichs. Zuvor, bis 1792 gehörte Biel zum Feudalstaat des Fürstbischofs von Basel, der nach der Reformation der Stadt Basel 1793 nach Pruntrut umzog, in die katholischen, jurassischen Stammlande, zu denen auch die Täler von St. Imier und Moutier sowie La Neuveville am Bielersee gehörten. Nach der Französischen Revolution floh der Bischof und die Franzosen gliederten das ehemalige Bistum Frankreich an.
Die alte Eidgenossenschaft, geschlagen von den Franzosen, wurde in die zentralistische Helvetische Republik von Frankreichs Gnaden umgestaltet. Napoleon Bonaparte gab dem neuen, föderalistischen Staat mit 19 Kantonen eine Verfassung und 16 Jahre lang diente das schweizerische Mittelland als Soldatenpool für die französische Armee.
Napoleon befand sich im Krieg mit den alliierten Grossmächten: Österreich, den Preussen, Russland und England. Die Niederlage Napoleons bei Leipzig im Oktober 1813 läutete das Ende der französischen Vormacht ein und veranlasste die Kantone, die Mediationsverfassung Bonapartes ausser Kraft zu setzen. Eine österreichische Armee setzte der Franzosenherrschaft in Helvetien ein Ende – auch in Biel und im Jura.
Die Bieler Obrigkeit, die Noblen einer Stadt mit damals rund 2000 Einwohnern, konstituierten ihre Stadt samt den benachbarten Dörfern Vingelz, Bözingen und Leubringen als Freistaat und suchten den Anschluss an die Eidgenossenschaft. Auch die alteidgenössischen Orte versuchten, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Dies auf Kosten der sechs 1803 neuentstandenen Kantone Waadt, Aargau, Thurgau, Sankt Gallen, Graubünden und Tessin.
Doch der Freiheitsdrang der Eidgenossen passte den Grossmächten nicht, die bestrebt waren, in der Mitte Europas eine Pufferzone zwischen den Erzfeinden Frankreich und Österreich zu schaffen. Gesandte der Alliierten zwangen die Kantone, sich an einer Tagsatzung in Zürich auf einen neuen Bundesvertrag zu einigen. Neu zur Eidgenossenschaft gehörten fortan Neuenburg, das Wallis und Genf, nicht aber Biel.
Am 5. Oktober 1814 bricht Georg Friedrich Heilmann zu einer 14-tägigen, beschwerlichen Reise nach Wien auf. Er soll dort im Auftrag der Bieler Regierung, deren Präsident sein Vater Niklaus ist, für einen Kanton Biel werben. Am Wiener Kongress von 1814/15 ziehen die Alliierten neue Grenzen und teilen Europa neu auf. Sie wollen nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Reiches Europa stabilisieren. Heilmann ist Mitglied einer Delegation der Tagsatzung, die in Wien allerdings auf verlorenem Posten steht. Die Eidgenossen haben nichts zu sagen, über sie wird bestimmt.
Und auch innerhalb der Delegation laufen Intrigen. Der Berner Delegierte Ludwig Zeerleder versucht Heilmann zu bestechen und verspricht ihm einen Platz in der bernischen Regierung, sofern er dem Anschluss Biels an den Kanton Bern zustimme.
Die Verhandlungen unter der Führung Fürst Metternichs ziehen sich in die Länge. Heilmann schreibt fast täglich Briefe an seinen Vater – die übrigens im Stadtarchiv eingelagert sind – und beschreibt dort nicht nur die ausweglose Situation, sondern auch seine verzweifelte Lage. Denn er bekommt keine Audienzen bei den wirklich Wichtigen des Kongresses und ist auch von den gesellschaftlichen Anlässen ausgeschlossen – bekanntlich wurden dort beim Antichambrieren die wichtigen Entscheidungen gefällt und Allianzen geschmiedet.
Heilmanns Erzfeind ist ein Vetter Metternichs, der österreichische Baron Karl Friedrich von Andlau-Birseck, Generalgouverneur des Fürstentums Pruntrut, der aus dem ehemaligen Bistum und Biel einen eigenen Kanton machen möchte, mit sich als Herrscher und Pruntrut als Hauptstadt.
Doch die Mächtigen entscheiden anders. Sie befürchten, dass weder Pruntrut noch Biel die Grenze zu Frankreich wirkungsvoll verteidigen könnte. Bern wollen sie schwächen, also müssen die Berner den Aargau und die Waadt abgeben. Stattdessen soll Biel und ein Teil des ehemaligen Bistums als Entschädigung an den Kanton Bern fallen. Diese Entscheidung verkündet Fürst Metternich am 23. März 1815, fast sechs Monate nach Beginn des Wiener Kongresses.
Heilmann kehrt also mit leeren Händen zurück nach Biel. Einige Monate später unterzeichnet Heilmann zusammen mit anderen Stadtoberen am
14. November 1815 die Vereinigungsurkunde. Biel gehört von nun an zum Kanton Bern und spielt die Nummer zwei.
Die Stadt kann innerhalb des Kantons in den darauffolgenden Jahrzehnten ihre Stellung festigen und gewinnt an Einfluss. Bieler Politiker nehmen in der Berner Regierung Einsitz und haben grossen Einfluss, so zum Beispiel Charles Neuhaus, der nach der liberalen Revolution von 1830/31 zur stärksten Figur im bernischen Regierungsrat wird.
Heilmann selber wird später Amtsstatthalter von Nidau, bernischer Grossrat und Oberst. Er schreibt das erste Memorial zur Juragewässerkorrektion und ist unter anderem Gründer der Ersparniskasse Biel. Während 16 Jahren dient er in Neapel im Dienste des 4. Schweizer Regiments und kehrt 1846 nach Biel und in den Grossen Rat zurück. 1862 stirbt Georg Friedrich Heilmann in Biel nach einem abenteuerlichen Leben.
Quellen: «Biel-Bienne», (Werner Hadorn, Pietro Scandola), «Bieler Tagblatt» (Tobias Kästli), «Berner Zeitung» (Stefan von Bergen).
Die Stadt Biel feiert das Ereignis heute mit einer kleinen Feier im Neuen Museum Biel. Bis am 10. Januar ist dort unter dem Titel «Die Neugestaltung der Schweiz» eine eindrückliche Ausstellung zu sehen. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum «Château de Prangins» und wurde mit Zeugnissen aus der Bieler Vergangenheit ergänzt.