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Marieluise Schild - von Platen (1927- 2020) verstarb in ihrem 93. Altersjahr. Sie war die Schwiegertochter von Uhrenpatron Theodor Schild. Am Montag nahmen Familie und Freundeskreis in Solothurn Abschied.
Am Dienstag fand in der christkatholischen Kirche in Solothurn die Abdankungsfeier für Marieluise Schild-von Platen statt. Mit der Witwe von René Schild verstarb im 93. Lebensjahr eine der letzten Vertreterinnen der Grenchner Uhren- und Industriellendynastien. Marieluise Schild starb am vergangenen 6. Juni.
Die Familie nahm in der Todesanzeige mit einem Gedanken von Plato Abschied: «Denken, was wahr, und fühlen, was schön, und wollen, was gut ist: Darin erkennt der Geist das Ziel des vernünftigen Lebens.»
Der Spruch des griechischen Philosophen passt, war doch Marieluise Schild eine «Grande Dame», die zwar in den letzten Jahren zurückgezogen lebte, jedoch Gesprächspartner dank ihrem Esprit und ihrem Humor fesseln konnte. Ein philosophisches Gespräch liebte sie fast so sehr wie Bridgepartien.
Marie-Luise Schild war auch die Hausherrin über eine der schönsten Villen Grenchens zu der auch der ausladende, eingefriedete Schild-Park am Kirchenhügel mit seinem alten Baumbestand gehört.
«Manche dieser Bäume habe ich selber gepflanzt», berichtete Marieluise Schild anlässlich eines Besuchs dieser Zeitung im privaten Park im Jahr 2014. Im Park befinden sich auch Gräber verstorbener Mitglieder der Schild-Dynastie.
Villa und Park gehören schon seit einiger Zeit den Nachkommen von René und Marieluise Schild. Letztere genoss dort das Wohnrecht. Über Pläne der Familie mit der Liegenschaft sei bisher noch nichts entschieden verlautete seitens Theodor Schild (Nachkomme).
Marieluise Schild lebte seit 1950 mit René Schild dort. Ihr Gatte verstarb 1993. Er war der Sohn von Theodor Schild (1870-1950), der die Villa im Jahr 1912 erbauen liess. Beide Gräber befinden sich im Park der Schild-Villa.
Theodor Schild, der Schwiegervater von Marieluise Schild, wurde 1899 in die Leitung der Firma Schild Frères und Co. berufen, die 1906 in die Kommanditgesellschaft Eterna Werke, Gebr. Schild und Co. umgewandelt wurde. Als Direktor verlieh Theodor Schild dem Unternehmen Weltgeltung durch die Entwicklung von technisch hochstehenden Modellen und dem Aufbau eines Vertriebsnetzes. In Wien (1914), Berlin, Paris und New York entstanden Niederlassungen. 1931 zog er sich aus der Firmenleitung zurück. Er wirkte 1904-08 auch als freisinniger Solothurner Kantonsrat. Marieluise Schilds Ehemann René Schild machte sich vor allem einen Namen als Elektrotechnischer Tüftler und zog in Grenchen eine Produktion von Radioapparaten auf. Zeitlebens stand er bei öffentlichen Auftritten bisweilen etwas im Schatten seiner eloquenten Ehefrau.
Familie und Freunde haben am Dienstag in der Franziskanerkirche in Solothurn von Marieluise Schild Abschied genommen. Hier hat sie die letzten drei Monate ihres Lebens verbracht. Im Gedenken an ihre Vorliebe für Gesang und Musik wurde dem Thema viel Raum gegeben. Sally Jo Rüedi-Levell (Orgel), ihr Sohn Tobias Rüedi (Schlagzeug) und Daniel Woodtli (Trompete) spannten von Bach über Mozart bis zu «Für immer uf di» von Patent Ochsner einen weiten Bogen. Geleitet wurde der Gottesdienst von Christoph Schuler, Christkatholischer Pfarrer in Bern. Unter dem Leitmotiv starker Frauen, die sich in der Fremde zu behaupten wissen, verglich der Pfarrer Marieluise Schild, die aus dem Norden Deutschlands stammte, mit der biblischen Rut, die aus Moab nach Israel einwanderte und Ahnin einer Königsdynastie wurde. «Marieluise Schild war eine Bewahrerin», zitierte Schuler die Familie und sagte dann: «Mit ihr ist eine Epoche zu Ende gegangen.» Stets habe sie sich als Erbin einer Uhrendynastie gesehen und sich dafür eingesetzt, dieses Erbe für ihre Familie zu erhalten. Abgesehen von «Opa Theodor» (ihrem Schwiegervater und einstigen Eterna-Patron) sei Friedrich der Grosse (1712-1786) für sie Vorbild gewesen. Die Weltoffenheit sei ihr aufgrund der Herkunft aus einem deutschen Adelsgeschlecht in die Wiege gelegt worden. «Beim Reisen war sie schon immer in ihrem Element, hatte für die Mitreisenden alles perfekt organisiert und war ihnen immer eine Nasenlänge voraus», so Schuler. Studiert hatte sie Pharmazie in Innsbruck, doch da sie in einem Praktikum ihren Mann kennenlernte, übte sie den Beruf nicht lange aus. Ihre vier Kinder und zahlreiche Enkelinnen und Enkel füllten zusammen mit weiteren Angehörigen und Freunden fast die ganze Kirche. (Daniela Deck)