Grenchen
94 Einsprachen gegen den Umbau zweier Mobilfunkantennen der Swisscom

Die Swisscom will in Grenchen zwei bestehende Mobilfunkantennen umbauen. Pikant: Nirgends im Baugesuch steht etwas von 5G, die angegebenen Frequenzen deuten aber daraufhin. Gegen den Ausbau des 5G-Netzes regt sich nun Widerstand

Oliver Menge
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Umbau der Mobilfunkantenne auf 5G?

Umbau der Mobilfunkantenne auf 5G?

Oliver Menge

Auf dem ehemaligen Postgebäude an der Centralstrasse 3 und neben einem Industriegebäude an der Archstrasse 36 stehen zwei grosse Mobilfunkanlagemasten. Die Swisscom als Betreiberin hatte Baugesuche für einen Umbau dieser Anlagen eingereicht. Beide Baugesuche wurden nach Auskunft von Stadtbaumeister Aquil Briggen vorgängig dem Kanton zur Überprüfung vorgelegt und danach während 30 Tagen aufgelegt. Die Einsprachefrist ist gestern Dienstag abgelaufen. Laut Briggen sind bis gestern Mittag noch keine Einsprachen auf der Baudirektion eingetroffen, man wolle aber noch fünf Tage zuwarten, da das Datum des Poststempels gelte und Einsprachen noch per B-Post unterwegs sein könnten.

Am Dienstagabend wurden 94 Einsprachen gegen die Baugesuche persönlich auf der Baudirektion abgegeben. Erstunterzeichnerin Rebekka Meier wohnt innerhalb des Einsprache-Perimeters, rund 410 Meter vom Postgebäude entfernt. Der Kanton legte einen Perimeter fest, innerhalb dessen Bewohnerinnen und Bewohner einspracheberechtigt sind. Im Fall des Funkmastes an der Archstrasse beträgt dieser Perimeter ein Umkreis mit einem Radius von 618,2 Meter, beim Postgebäude 726,1 Meter.

3G, 4G oder doch 5G?

Pikant: Nirgends in den Baugesuchen ist von 5G die Rede. «Das ersehen wir auch nicht aus den Unterlagen», sagt Briggen dazu. Lediglich die Angaben der Swisscom zur Frequenz der Sendeanlagen, die sie in die bestehenden Anlagen einbauen möchten, gibt Aufschluss: Die bestehenden 3G und 4G-Netze arbeiten mit Frequenzen unterhalb von 2,8 Ghz. Alles was darüber ist, weist auf 5G hin. In den Baugesuchen ist von 3400 Mhz und höher die Rede. Ein klarer Hinweis darauf, dass die Swisscom auch in Grenchen das 5G-Netz ausbauen will.

Mit Meier haben weitere 93 Einsprecher, alle wohnhaft innerhalb der jeweiligen Perimeter, die Zusammenfassung der 12-seitigen Einsprache unterschrieben und eingereicht.

Die Mobilfunkantenne an der Archstrasse 36   

Die Mobilfunkantenne an der Archstrasse 36   

Oliver Menge

Begründet wird die Sammel-Einsprache mit einer detaillierten Auflistung aller Punkte, die gegen das Baugesuch sprechen. Dem Bauvorhaben fehle die übergeordnete Planungsgrundlage nach Bundesrecht. Um ein flächendeckendes 5G-Netz zu schaffen, müssten zusätzliche Antennenstandorte installiert oder die Sendeleistung der bestehenden Anlagen massiv erhöht werden. Zur Erklärung: Je höher die Frequenz, also je kürzer die ausgestrahlten Wellen, desto kleiner ist die Reichweite und desto empfindlicher werden die Wellen durch Mauern oder Gebäude gestört. Das heisst konkret: Um ein flächendeckendes 5G-Netz in Grenchen zu installieren, braucht es Mobilfunkanlagen mit einem Maximalabstand von einem Kilometer oder weniger zueinander. Rein rechnerisch bräuchte es also mindestens sieben solcher Anlagen, und wenn man 5G auch im Innern von Gebäuden nutzen wolle, deren 10. Davon sei aber nirgends die Rede.

Weiter bemängeln die Einsprecher, die Swisscom gebe eine weniger hohe effektive Strahlungsleistung «ERP» (effective radiated power) der 5G-Anlagen an, als das in Tat und Wahrheit der Fall sein werde. Laut den technischen Unterlagen von Herstellern von Sendeanlagen wie Ericsson und Huawei beträgt die Sendeleistung einer 5G-Antenne 25 000 Watt ERP. Swisscom gebe aber nur einen kumulierten Wert von 2690 Watt ERP an. Die Einsprecher gehen davon aus, dass die Swisscom die Sendeleistung ihrer Anlagen aber nicht beschränken werde, sondern im Gegenteil mit voller Leistung betreiben müsse, womit die vom Bund festgesetzten Grenzwerte um ein Mehrfaches überschritten würden.

Vor vollendete Tatsachen stellen?

Eine Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» ist im Auftrag der damaligen Vorsteherin des UVEK, alt-Bundesrätin Doris Leuthard daran, einen Bericht zu Bedürfnissen und Risiken von Mobilfunk zu erarbeiten. Im Sommer diesen Jahres soll dieser Bericht vorgestellt werden. Die Einsprecher nehmen an, dass die Swisscom die Behörden noch vor Bekanntgabe des Berichts vor vollendete Tatsachen stellen wolle.

Denn beispielsweise fehlen für den neuartigen Antennentyp, den adaptiven Antennen, die bei 5G zum Einsatz kommen, irgendwelche Bemessungsgrundlagen. Auch für Abnahmemessungen gibt es keine amtlichen Grundlagen und ein unabhängiges Qualitätssicherungs-System, wie von der Swisscom angegeben, existiere nicht.

Einfluss auf die Gesundheit

Bisher sei noch nicht untersucht worden, wie sich die neue Technologie auf die Gesundheit von Menschen auswirke. Einem Laien sei es zwar möglich, mit einem normalen Fieberthermometer die Erwärmung auf der Hautoberfläche um fast 1 Grad Celsius im Abstand von 15 Metern von einer Sendeanlage zu messen, das sei alles andere als unbedenklich. Aber abschliessende Untersuchungen und Erkenntnisse gebe es nicht.

Entscheidend sei aber, «dass in vorliegendem konkreten Baugesuch weder die kommunale noch die kantonale Bewilligungsbehörde technisch und wissenschaftlich in der Lage sind, das Baugesuch auf seine Auswirkungen auf die Umwelt gemäss Umweltschutzgesetz USG (Vorsorgeprinzip) zu prüfen.» In anderen Kantonen, der Waadt und Genf, hätten die Behörden die Bewilligungsverfahren für 5G-Sendeanlagen sistiert, bis der Bericht der Arbeitsgruppe des Bundes vorliege. In Genf bräuchte es zudem eine unabhängige Studie, die die Unbedenklichkeit bestätigt, um das Moratorium aufzuheben. Beispielsweise eine wissenschaftliche Untersuchung der WHO.

Nebst der fehlenden Haftpflicht für eventuelle Gesundheitsschäden seitens der Swisscom, betonen die Einsprecher den Einfluss, den die hochfrequente Strahlung auf die Tierwelt, insbesondere auf Kleinlebewesen und Insekten habe. Studien hätten gezeigt, dass Wildbienen und andere Insektenarten Gebiete mit Strahlung für ihre Bruttätigkeit meiden, was wiederum einen negativen Einfluss auf die Flora habe. In der Einsprache werden noch weitere Punkte, wie Wertverminderung von Liegenschaften, dem voraussichtlich hohen Strombedarf der Sendeanlagen, Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild etc. genannt.

Die Einsprachen werden nun von der Bau-, Planungs- und Umweltkommission (BAPLUK) geprüft und dem Gemeinderat vorgelegt. Bei einer Ablehnung können sie weitergezogen werden. Vor Verwaltungsgericht und sogar vor Bundesgericht.