Abzocker
70 Strafanzeigen: Schwindler ist abgehauen

Lifestyle Visions Factory: Ein gläubiger, aber dreister Geschäftsmann prellte Kunden und hat sich danach nach Mexiko abgesetzt – jetzt packen die Geschädigten aus.

Patrick Furrer
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Die Telefonnummern der Grosshandelsfirma Lifestyle Visions Factory sind nicht mehr in Betrieb. Der Geschäftsführer, der seine Kunden um fast 800000 Franken geprellt haben soll, hat sich nach Mexiko abgesetzt. Zuvor hatte er Konkurs angemeldet, doch der wird mangels Aktiven eingestellt werden.

Für die Gläubiger bleibt nichts, selbst das Konkursamt muss für seine Umtriebe drauflegen. Traurige Bilanz eines unglaublichen Geschäftsgebarens eines unglaublich dreisten Geschäftsmannes.

200 Kunden aus der ganzen Schweiz hatten seit letztem Herbst beim Konkursamt Eingaben gemacht (wir berichteten). Rund 70 haben nun den Geschäftsführer und seine Mitarbeiterin angezeigt, um vielleicht wenigstens zivilrechtlich noch zu finanzieller Genugtuung zu kommen. Konkursverwalter Adrian Kamber bestätigt: «Aufgrund der hohen Zahl an Geschädigten handelt es sich auch für uns um einen besonderen Fall. Der Verlust für die Gläubiger dürfte zwischen 700000 und 800000 Franken betragen. Wobei man davon ausgehen kann, dass es sicherlich noch weitere geschädigte Kunden gibt, die sich aber nicht bei uns gemeldet haben.»

«Ich schöpfte keinen Verdacht»

Die Geschädigten selbst sind stinksauer. Sie hatten die Produkte der Firma Lifestyle Visions Factory im Internet zu vermeintlichen Schnäppchenpreisen ersteigert, im Voraus bezahlt, aber trotz Reklamationen nie erhalten. Die meisten bestellten über das Shopportal ricardo.ch, welches eine Haftung aber offenbar ablehnt.

«Die Bewertungen des Verkäufers waren gut, ich hatte keinen Grund, dem Angebot zu misstrauen», erinnert sich Klaus W.* aus Recherswil. Er und seine Freundin wollten sich den Traum von einem eigenen Jacuzzi im Garten erfüllen. Letzten Frühsommer bestellten sie den Pool und zahlten in ihrer Blauäugigkeit 90 Prozent des Kaufpreises von 10000 Franken auf das Konto der Firma ein. «Die Lieferfrist betrug 6 Wochen, aber wir haben den Jacuzzi nicht bekommen. Bei unseren Anrufen wurden wir immer wieder vertröstet», erzählt W. Langsam sei er zwar misstrauisch geworden. Doch als er nach Grenchen zum Showroom der Lifestyle Visions Factory ging, war dieser bereits leer geräumt. «Am Telefon sagte mir die Frau vom Verkauf zwar, sie würden den Showroom bloss umbauen, aber ich glaubte ihr kein Wort mehr.» Eine Woche später habe er bereits ein Schreiben im Briefkasten gehabt, dass die Firma jetzt Konkurs anmelden müsse. Dabei habe der Anbieter zu Beginn einen seriösen Eindruck gemacht.

Auch Sandro K.* aus Zuchwil schöpfte anfänglich keinen Verdacht. «Der Auftritt der Firma war absolut super», sagt dieser, deshalb sei bei ihm überhaupt kein Argwohn aufgekommen. Die Geschäftsleute hätten sich auch gut zu verkaufen gewusst. K. war sogar persönlich in Grenchen vorbeigegangen. 50 Prozent des Kaufpreises von insgesamt 6000 Franken musste er gleich bei Vertragsunterzeichnung hinblättern. Die Lieferfrist betrug 60 Tage. «Immer wieder wurde mir etwas von Lieferverzögerungen, Lieferengpässen und Problemen mit dem Zoll erzählt», wettert Sandro K. Schliesslich erreichte er die Firma telefonisch nicht mehr. Er fuhr erneut nach Grenchen, landete aber vor verschlossenen Türen. «Als ich dort war, standen noch fünf Whirlpools im Showroom.» Die habe der Geschäftsführer dann abtransportieren lassen, noch bevor das Konkursamt seine Arbeit aufnahm. «Eine einzige Sauerei ist das, was da abgelaufen ist», sagt er. Klaus W. und Sandro K. haben gegen den Geschäftsführer respektive deren Angestellte Anzeige wegen Betrugs erstattet.

Verfahren weiter hängig

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Misswirtschaft, Pfändungsbetrugs und betrügerischen Konkurses. Das Verfahren sei «relativ umfangreich», bestätigte Oberstaatsanwalt Felix Bänziger diese Woche. Im Zentrum der Untersuchungen steht die Geschäftspraxis der Lifestyle Visions Factory. Ermittelt wird gegen zwei Personen, wobei die Angestellte nicht dazugehört. Bis die Geschädigten vielleicht doch noch etwas von ihrem Geld sehen, kann es noch viele Monate dauern. Aber wie Klaus W. erzählt, habe ihm die Polizei schon vom Anfang an gesagt, dass er von seinem Geld wohl nichts mehr sehen werde. Inzwischen hat sich der Recherswiler in einem Fachgeschäft einen neuen Whirlpool gekauft. Für nochmals 20000 Franken.

Namen geändert