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Viktor Stüdeli, Storchenexperte des Infozentrums Witi Altreu, gibt Auskunft über diejenigen Störche, die hier überwintern.
Momentan kann man im und rund um das Storchendorf Altreu rund 40 Störche beobachten. Das seien die Störche, die auch den Winter hier verbringen, sagt dazu Viktor Stüdeli, ehemaliger «Witi-Sheriff» und Storchenexperte im Infozentrum Witi. «Diejenigen Störche, die den Winter weiter im Süden verbringen, die sind längst weg», erklärt er. Denn bereits Mitte August würden die Jungen, die im Frühjahr geschlüpft sind, gemeinsam in Richtung Spanien und Afrika fliegen, und einige Wochen später folgten dann diejenigen Altstörche, die es auch vorzögen, an der Wärme zu überwintern.
40 Störche, das seien etwa 10 mehr als letzten Winter, sagt Stüdeli. «Wobei wir erst im Lauf des Winters feststellen können, ob wir nicht auch Gäste hier haben: Störche, die aus dem Norden, beispielsweise den Niederlanden, bis hierhin fliegen und bei uns überwintern. Einzelne solcher Gäste aus dem Norden haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder mal festgestellt.»
Die Störche werden nicht gefüttert, sagt Stüdeli. «Das machen wir schon seit Jahren nicht mehr. Die Tiere finden auch so genügend Nahrung bei uns.» Auch die Kälte, Schnee und Regen machen den Störchen nichts aus, erklärt der Storchenspezialist. «Das ist nur bei den Jungstörchen ein Problem, wenn es im Frühling einen Kälteeinbruch gibt und nasses Wetter herrscht, weil sie dann die schützenden Deckfedern noch nicht haben.» Dann sei gut möglich, dass ein Teil der Jungstörche nicht überlebe. «Aber es nimmt immer die Schwächsten, so ist die Natur.»
Einen Grossteil der Störche zieht es gar nicht mehr bis nach Afrika, sie bleiben quasi in Spanien hängen, falls sie nicht von Vornherein in der Schweiz überwintern. Schuld daran sei aber nicht der Klimawandel, sondern das üppige Futterangebot auf den spanischen Deponien, erklärte Peter Enggist, Geschäftsführer von Storch Schweiz, dieser Zeitung auf Anfrage.
In der Sahelzone riskierten die Störche zu verhungern oder gejagt zu werden. Mülldeponien mit organischen Produkten würden jedoch in Europa immer mehr geschlossen, erklärt Enggist. Wie die Tiere darauf reagierten, sei offen: Idealerweise würden die Störche wieder nach Afrika ziehen. Möglich sei aber auch, dass die Störche mehr in den Brutgebieten blieben, also hier bei uns, oder dass sie in Spanien verhungern.
Dass so viele Störche nicht mehr in Richtung Süden ziehen, wirke sich positiv auf die Fortpflanzung der hiesigen Störche aus. Innert Jahresfrist sei die Zahl der Brutpaare schweizweit um 18 Prozent gestiegen und über 1'000 Jungtiere wurden gezählt. Im Januar 2020 habe man in der Schweiz 669 Brutpaare gezählt, erklärte Enggist gegenüber dieser Zeitung. Ein Jahr zuvor seien es noch 566 gewesen. Vor 70 Jahren sei der Storch in der Schweiz ausgerottet gewesen, so Enggist. In den 1960er Jahren habe man dann in Altreu mit der Auswilderung von jungen Störchen begonnen. In den letzten zehn Jahren sei die Storchenpopulation in der Schweiz jährlich um zehn Prozent gestiegen.
Im vergangenen Winter seien 600 Störche in der Schweiz geblieben. Diese hätten im Frühjahr die besten Nistplätze ergattert und in der Folge auch am meisten Nachwuchs gezeugt. Über 60 Störche seien mit Sendern ausgerüstet worden, um ihr Verhalten besser untersuchen zu können.
In der Schweiz gibt es nebst der Storchensiedlung Altreu besonders viele Störche im Aargauer Murimoos, beim Gestüt Avenches und in Uznach SG. In den Bergregionen ganz allgemein, im Wallis, Graubünden und im Tessin hingegen habe es nie Störche gegeben. (sda)