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Seit Mittwoch leben die ersten Asylsuchenden im neuen Durchgangszentrum unter dem ehemaligen Spital Grenchen. Stadtpräsident François Scheidegger und andere Behördenmitglieder liessen sich über die aktuelle Situation orientieren.
Eine erste Gruppe von 24 Männern ist am Mittwoch in der neu eröffneten Asylbewerberunterkunft eingetroffen. Täglich kommen jetzt neue Asylbewerber dazu, bis die Unterkunft in zwei bis drei Wochen mit 100 Personen voll ist.
Stadtpräsident François Scheidegger, Sozialamtschef Kurt Boner und Polizeikommandant Hugo Kohler liessen sich von Unterkunftsleiter Bruno Calce von der Betreiberfirma ORS über die aktuelle Situation orientieren.
«Die ersten 21 Personen wurden vom Asylzentrum Balmberg hierher verlegt, drei weitere Männer wurden direkt zugewiesen», erklärte Calce gegenüber der Besucherdelegation. Es sind alles Männer ohne Familien. Der Grossteil stammt aus Afghanistan. Sie kommen über Deutschland, wo sie zurzeit wenig Chancen auf Asyl haben, in die Schweiz.
Die meisten sind Muslime. Der Zustrom von Eritreern sei hingegen zurückgegangen. Zurzeit sind 10 Nationen vertreten. Die Aufenthaltsdauer in einem Durchgangszentrum ist auf drei bis fünf Monate ausgelegt. Anschliessend erfolgt die Verteilung an eine solothurnische Einwohnergemeinde (aufnahmepflichtig ist die zuständige Sozialregion).
Obwohl sie vom Balmberg in eine unterirdische Unterkunft gewechselt haben, seien die Asylbewerber mit der Geschützten Operationsstelle (Gops) unter dem ehemaligen Grenchner Spital sehr zufrieden, meint Calce. «Sie haben hier viel mehr Platz als vorher».
In der Tat wurde das unterirdische Spital für bis zu 250 Personen geplant. Die Männer sind in 12er- und 16er-Zimmern untergebracht. Sie verfügen über Schränke für Effekten und kleine Kühlschrank-Compartments für Nahrungsmittel. Denn die Flüchtlinge kochen für sich selber.
Mit zehn Franken pro Tag müssen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie können durch Ämtli in der Unterkunft noch drei Franken dazuverdienen. Probleme habe es bisher keine gegeben, auch die Kleinkriminalität in den Asylzentren habe man zurzeit im Griff, meint Calce. «Die Männer verhalten sich kooperativ.» Sie würden auch über die Gepflogenheiten des Landes informiert.
Damit dies so bleibt, wurde ein Betriebskonzept unter Einbezug der Stadt erarbeitet. Eine Begleitgruppe in der auch die Polizei, Sunnepark-Chef Peter Trachsel und Sozialamtschef Kurt Boner vertreten sind, trifft sich regelmässig, um aufkommende Fragen und Probleme zu besprechen. Es wurde auch eine Bürger-Hotline eingerichtet, unter welcher die Unterkunftsleitung stets erreichbar ist.
An diese Nummer kann sich auch wenden, wer Hilfe für die Asylbewerber anbieten will. «Ich habe schon einige Hilfsangebote aus der Bevölkerung erhalten, was mich sehr freut», meint der Stadtpräsident. Laut dem ORS-Vertreter kann man vor allem Übersetzerdienste gut gebrauchen, zurzeit beispielsweise für Farsi (Persisch).
«Die Unterkunft ist während 24 Stunden betreut», erläutert Calce der Besucherdelegation, von vier Mitarbeitenden der Firma ORS, welche alle acht Asylzentren im Kanton Solothurn im Auftrag des Kantons betreibt. Auch nachts sei immer eine Person von ORS anwesend, plus eine Brandwache, die von den Asylbewerbern gestellt wird.
Die negativen Reaktionen aus der Bevölkerung nach der Ankündigung der Eröffnung der Asylunterkunft hätten sich bisher in Grenzen gehalten, versichern die Behördenvertreter. Es gab einige kritische Kommentare auf Facebook sowie Anrufe von besorgten Anwohnern bei der Polizei.
Die Polizeipräsenz rund um die Asylunterkunft soll «unauffällig verstärkt» werden, wird versichert. Am 6. Februar wird ein Tag der offenen Tür für die Bevölkerung durchgeführt. «Auch sonst sind Besucher, auch Gruppen, willkommen», sagt Calce, bittet aber um Voranmeldung per Hotline.
Zurzeit werden in der Sozialregion 60-100 Asylbewerber betreut. «Durch das Aufnahmezentrum müssen wir künftig nur noch 50 bis 60 Leute zusätzlich aufnehmen», nennt Stadtpräsident François Scheidegger einen für die Stadt positiven Aspekt. Ansonsten hätte man mit der aktuellen Welle bis 120 Personen zusätzlich einquartieren müssen. «Diese Lösung ist für uns eigentlich eine Entlastung».
Ausgangsrayon haben die Männer keinen eingeschränkten, sie seien aber angehalten, das Gelände des Zentrums Sunnepark zu meiden. Bestimmt werde man sie aber auf der Bettlachstrasse auf dem Weg zu Einkäufen im Zentrum (z. B. im Lidl) antreffen, aber auch auf dem Bahnhof. Geplant ist auch ein freiwilliges Beschäftigungsprogramm, beispielsweise für Umgebungsarbeiten, Neophytenbekämpfung oder Ähnliches.
Sehr wahrscheinlich stellt die Nutzung der Gops eine Zwischenlösung dar. Denn niemand bestreitet, dass eine oberirdische Unterbringung in den verlassenen Gebäuden des alten Spitals besser wäre – insbesondere wenn früher oder später auch Familien mit Kindern kommen. «Diese Gebäude müssten noch umgebaut werden», meint Scheidegger. Der Kanton brauchte aber sofort Platz.
Doch auch jene Lösung wäre nur auf Zeit: Am nächsten Dienstag befindet der Gemeinderat über einen Gestaltungsplan mit einer schon länger geplanten grossen Wohnüberbauung.
Bürger-Hotline: 032 652 04 96