So wollen Bundesrat und Kantone die internationale Mindestbesteuerung für Unternehmen umsetzen: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform.
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Schon seit längerem hat sich die Schweiz dazu bekannt, nach den internationalen Regeln im Steuerbereich zu spielen. Deshalb hatte sie bereits 2019 vom Ausland kritisierte Steuerregimes abgeschafft (STAF-Vorlage).
Nun verschärfen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die 20 mächtigsten Industriestaaten (G20) die Vorgaben. Sie führen für international tätige Grosskonzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro pro Jahr eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent ein. 137 Länder haben sich auf diese Regel geeinigt. Darunter auch die Schweiz.
Gemäss Bundesrat Ueli Maurer unterstehen rund 2200 Firmen der Mindestbesteuerung. 2000 sind Tochtergesellschaften von ausländischen Konzernen, der Rest sind Schweizer Firmen. Für alle Unternehmen mit einem geringeren Umsatz als 750 Millionen Euro pro Jahr ändert sich nichts.
Es wird künftig in der Schweiz zwei unterschiedliche Steuersysteme geben: Eines für die Konzerne die nach OECD-Regeln behandelt werden müssen und eines für den grossen Rest. Um diese unterschiedliche Behandlung zu legitimieren, will der Bundesrat die Verfassung ändern.
Eine neue Verfassungsbestimmung hat noch einen weiteren, wohl noch gewichtigeren Vorteil. Sie erlaubt dem Bundesrat ein rascheres Vorgehen als über eine Gesetzesänderung. Denn die OECD drückt auf das Tempo: Die Mindeststeuer soll ab dem 1.1.2023 gelten. Eine solch rasche Umsetzung ist für die Schweiz mit ihren (direkt-) demokratischen Prozessen und föderalen Strukturen ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst eine Inkraftsetzung auf den 1.1.2024, wie sie der Bundesrat anstrebt, wäre im normalen Gesetzgebungsverfahren nicht möglich.
Deshalb sollen Volk und Stände am 18. Juni 2023 über die neue Verfassungsbestimmung abstimmen. Der Bundesrat wird auf dieser Grundlage eine Verordnung per 1.1. 2024 in Kraft setzen. Die Gesetze werden danach gemacht. Ein solches Vorgehen gab es schon einmal: Bei der Einführung der Mehrwertsteuer. Maurer geht davon aus, dass die neue Verfassungsbestimmung eine Mehrheit findet an der Urne: Wer sage schon nein, wenn Konzerne mehr Steuern bezahlen müssen?
Der Bund geht davon aus, dass etwa 20 Kantone die Steuern für Firmen erhöhen müssen, um den Mindeststeuersatz von 15 Prozent zu erreichen. Würden sie das nicht machen und die Unternehmen würden weniger als die ominösen 15 Prozent Gewinnsteuer bezahlen, würden ausländische Staaten die Firmen nachbesteuern. Das heisst, das Ausland würde von höheren Steuereinnahmen profitieren – aber nicht die Schweiz. Diese Idee gefällt Finanzminister Ueli Maurer nicht. Wenn die Firmen ohnehin höhere Steuern bezahlen müssen, dann sollen sie das in der Schweiz tun.
Bundesrat Maurer will noch nicht beziffern, wie hoch die Mehreinnahmen ausfallen werden. Die Eckdaten der OECD seien noch zu ungenau.
Es sind die Kantone, wenn auch nicht alle, welche höhere Steuereinnahmen haben werden. Über den nationalen Finanzausgleich betrifft die Reform aber alle. Ein Teil der Mehreinnahmen wollen die Kantone gleich wieder ausgeben, um für die Grosskonzerne attraktiv zu bleiben.
Bund und Kantone befürchten, dass diese ins Ausland abwandern könnten, wenn der Vorteil der tiefen Steuern verloren geht. Maurer verwies darauf, dass die Schweiz das Land mit den höchsten Kosten ist, etwa in Bezug auf die Löhne oder das Wohnen. Und dass sich schon heute Heerscharen von Steuerberatern darum bemühen würden, Konzerne ins Ausland zu locken.
Steuerprivilegien sind nicht mehr möglich, deshalb sind Kompensationsmassnahmen ausserhalb des Steuerrechts angedacht. Etwa Subventionen. Zwar halten sich Bund und Kantone mit Ideen öffentlich noch zurück. Sie betonen auch, dass jeder Kanton andere Bedürfnisse hat. In Kantonen mit forschungsintensiven Unternehmen könnte man etwa über direkte F&E-Zuschüsse nachdenken, wie das auch andere Länder schon tun.
Auch eine Idee ist, dass Grosskonzerne bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet werden, weil die Schweiz hohe Lohnkosten hat. Allerdings stellt sich hier sofort die Frage der Ungleichbehandlung. Der Bundesrat verspricht, dass bis zur Abstimmung über die neue Verfassungsbestimmung Klarheit herrscht über die Pläne der Kantone. Auch der Bund überlegt sich Kompensationsmassnahmen. Für Maurer zählt dabei auch die Abschaffung der Emissionsabgabe, über die am 13. Februar abgestimmt wird, dazu. Sowie die Reform der Verrechnungssteuer. Zudem will der Bundesrat die sogenannte Tonnage Tax für die Schifffahrt einführen.