Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, wie er nach der Pandemie mit den Medien umgeht: Er behält sein restriktives Informationsregime auch in normalen Zeiten bei.
Monatelang schon hatte die Vermutung in Journalistenkreisen kursiert: Der Bundesrat will die Pandemie nutzen, um sein Informationsregime in normalen Zeiten zu verschärfen. Am Mittwoch wurde diese Vermutung Tatsache. Der Bundesrat entschied, dass er auch nach der Pandemie keine sogenannten bilateralen Pool-Interviews mehr gibt.
«Der Bundesrat hat entschieden, dass es nach den Medienkonferenzen keine Pool-Interviews mehr geben soll», sagte Bundesratssprecher André Simonazzi an der Medienkonferenz vom Mittwoch. Er wolle verlängerte Medienkonferenzen durchführen, an denen möglichst alle Fragen gestellt werden könnten.
Der Bundesrat sei der Meinung, die Medienkonferenzen seien gehaltvoller geworden, seit alle Fragen in diesem Rahmen gestellt werden müssten, sagte Simonazzi. Entscheidend sei die Transparenz: Der Bundesrat möchte alle Fragen an der Medienkonferenz haben - und nicht in den Pool-Interviews.
Dem Bundesrat sei aber bewusst, dass dieser Entscheid für die Medien gewisse Nachteile habe, sagte Simonazzi. Einzelinterviews seien nach wie vor möglich. Sie müssten mit den entsprechenden Departementen vorbesprochen werden. «Die Bundesräte werden dabei sicher darauf achten, dass nicht ein einzelnes Medium privilegiert wird.»
Damit reagierte der Bundesratssprecher auf die Kritik, die Verschärfung sei eine Lex SRG, weil sie den öffentlich-rechtlichen Sendern entgegenkomme. Sie haben ihre Studios direkt im Medienzentrum. Und an ihrer Marktmacht kommt kein Bundesrat vorbei.
Die Pool-Interviews waren vor allem für die elektronischen Medien zentral. Die Medienschaffenden hatten im Anschluss an eine Medienkonferenz die Gelegenheit, Original-Ton eines Bundesrats zu erhalten. Und zwar in Pools: alle Radiojournalisten der Privatsender, alle Radiojournalistinnen der öffentlich-rechtlichen Sender, alle Fernsehjournalisten der Privaten und alle Fernsehjournalistinnen von SRF, RTS und RSI. Und das in drei Sprachen. Das war weltweit einzigartig.
In der Coronakrise hatte der Bundesrat die Pool-Interviews ausgesetzt. Die Medienschaffenden mussten alle Fragen an der Medienkonferenz stellen. Diese dauerten oft eineinhalb Stunden lang und wurden teilweise Quotenhits. 477'000 Menschen sahen sich auf Youtube etwa den Auftritt vom 16. März 2020 live an, als vier Bundesräte die ausserordentliche Lage verkündeten.
Die Bundesrätinnen und Bundesräte freundeten sich schnell an mit diesem restriktiven Regime. Die Pool-Interviews waren ihnen schon länger ein Dorn im Auge. Seit 2018 gab es Diskussionen zwischen der Vereinigung der Bundeshausjournalisten (VBJ) und der Bundeskanzlei über die Zukunft der Interviews.
Die Medienlandschaft verändert sich rasant, immer mehr Medien sind audiovisuell tätig. Sie alle wollten diese Interviews mit den Regierungsmitgliedern. Es war klar, dass eine Reform für die Pool-Interviews nötig war. Der VBJ stellte Lösungsvorschläge in Aussicht, konnte sich aber nicht auf ein Modell einigen.
Am 7. Oktober hatte die Bundeskanzlei einen ersten Entscheid des Bundesrats bekannt gegeben, dass er nach der Pandemie keine Pool-Interviews mehr geben wolle. Dieser war in einer Art Zirkularverfahren zustande gekommen. Es gab weder einen Antrag noch Papiere dazu.
Auf Antrag des VBJ brachte die Bundeskanzlei die Frage nochmals in den Bundesrat ein. Doch die Regierung bekräftige ihren Zirkular-Entscheid.