Fernmeldegesetz
Geheimdienst kann tiefer in die Privatsphäre eindringen als bisher bekannt

Der Bundesrat will die Überwachung des Fernmeldeverkehrs an das Internetzeitalter anpassen. Davon würde auch der Geheimdienst profitieren. Mit dem neuen Gesetz kann der Nachrichtendienst des Bundes tiefer in die Privatsphäre der Menschen eindringen.

Beat Kraushaar
Drucken
Das Schweizer Abhörsystem Onyx sammelt von Leuk VS und Heimenschwand BE aus riesige Mengen an Daten.

Das Schweizer Abhörsystem Onyx sammelt von Leuk VS und Heimenschwand BE aus riesige Mengen an Daten.

Keystone

Bundesrätin Simonetta Sommaruga präsentierte im Februar die Revision des Fernmeldegesetzes. Dabei geht es um ein schärferes Überwachungsgesetz (BÜPF) von E-Mails, Internet und dem Abhören von Handys. Dies um schwere Straftaten besser aufzudecken. Im Mai war Bundesrat Ueli Maurer mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) an der Reihe. Auch er will, dass sein Geheimdienst mehr Lausch- und Datensammlung betreiben kann. Vor allem um Terroristen aufzuspüren.

Neu argumentiert Maurer aber auch, sein Geheimdienst brauche mehr Kompetenzen, um ausländische Spione abzuwehren. «Gegen zu viel Geheimdienst braucht es nicht noch mehr Geheimdienst. Sondern vielmehr Aufklärung von Firmen und Privatpersonen über die Notwendigkeit von sicherer, verschlüsselter Kommunikation», sagt der grüne Sicherheitspolitiker und Nationalrat Balthasar Glättli.

Verschwiegen haben die beiden Bundesräte, dass ihre Vorlagen eng miteinander verknüpft sind. Bei Annahme der Fernmeldegesetz-Revision könnte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) viel tiefer in die Privatsphäre der Menschen eindringen, als bisher bekannt ist. Das bestätigt Nils Güggi, Sprecher des Dienstes Überwachung, Post- und Fernmeldeverkehr: «Sollten die Neuerungen der Revision umgesetzt werden, dann würde auch der NDB ein Stück weit davon profitieren.»

Der Lauschangriff durch die Hintertür hat der Geheimdienst gut getarnt in seinem Bericht zum Vorentwurf des neuen NDG versteckt. Unter Artikel 22 schreibt er: «In technischer Hinsicht übernimmt der Nachrichtendienst des Bundes NDB das Verfahren gemäss Bundesgesetz vom 6. Oktober betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (...).»

Im Klartext heisst dies: Der Geheimdienst stützt sich bei seinen Abhöraktionen auf das Fernmeldegesetz ab. Glättli kritisiert: «Damit wird ein Kernargument der BÜPF-Befürworter widerlegt. Sie rechtfertigen die Ausdehnung der Überwachung und die Verdoppelung der heute schon überzogenen Vorratsdatenspeicherung damit, die Daten würden nur im Falle eines Strafverfahrens herausgegeben. Faktisch sollen sie neu aber auch dem Geheimdienst zur Verfügung stehen.»

Auf folgende Massnahmen hätte der Schweizer Geheimdienst bei Annahme der Revision des Fernmeldegesetzes Zugriff:

> Auskunft über die Aktivitäten ihrer Nutzer müssen neu auch die Betreiber von Foren, Chats und Blogs geben.

> Unternehmen, die ihren Internetzugang der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen wie z. B. Spitäler, Universitäten, Schulen, Hotels, müssen ebenfalls die Aktivitäten ihrer Nutzer bekannt geben.

> Bei schweren Taten können auf die Computer oder Handys auch sogenannte Staatstrojaner platziert werden. Damit könnte man in Echtzeit verschlüsselte E-Mails und Internetgespräche mitlesen und mithören.

> Verbindungs- und Randdaten von Telefon- und E-Mail-Verkehr müssen neu statt ein halbes ein ganzes Jahr aufbewahrt werden. Diese Daten werden bei jedem Telefongespräch, bei jedem E-Mail und SMS-Austausch von jedem Bürger gespeichert – und für jedes empfangsbereite Handy wird ein genaues Bewegungsprofil gespeichert.

Brisant: Wenn von den Behörden verlangt, müssen Anbieter die Daten auch in Echtzeit liefern. Immerhin: Der NDB wie auch die Strafverfolgungsbehörden müssten für die in Echtzeit laufenden Lauschangriffe eine richterliche Bewilligung einholen.

Bundesrätin Sommaruga hat sich wegen der Verschärfung des Fernmeldegesetzes schon als «Big Sister» bezeichnet. Glättli ist dagegen nicht zum Scherzen zumute: «Bewegungsprofile und das Wissen, wann ich mit wem kommuniziere, sind sensible Daten, ihre Speicherung ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht deswegen die von der EU erzwungene Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig erklärt.»

Opposition gegen die geplanten Überwachungsmethoden haben bis jetzt nur die Piratenpartei der Schweiz und Jungparteien von rechts bis links angemeldet. Sie haben eine Petition gegen das neue Fernmeldegesetz lanciert. Diese findet bis jetzt aber wenig Beachtung.