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Schweiz
SP, Grüne, FDP und Grünliberale planen noch vor dem Sommer digitale Delegiertenversammlungen. Alle gehen eigene Wege. Einen gemeinsamen Nenner gibt es aber: Wenn möglich keine Online-DV über das US-Tool Zoom – wegen Datenschutzproblemen.
Fünf Stunden lang hatten sich die 100 Delegierten der deutschen Grünen Anfang Mai zum Parteitag getroffen. Nicht real, sondern in den unendlichen Weiten des digitalen Raums. Real sassen nur die Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck vor vielen Kameras in der Berliner Parteizentrale. Es war der erste digitale Parteitag in der Geschichte Deutschlands. Und er wurde auf Youtube live gestreamt.
Ein Auftritt, der in den Schweizer Parteizentralen als Mass aller Dinge gilt. «Wir haben ihn natürlich verfolgt», sagt Rebekka Wyler, Co-Generalsekretärin der SP. «Die Faszination war gross. Das war wie Fernsehen.»
Auch in der Schweiz planen SP, Grüne, FDP und Grünliberale digitale Delegiertenversammlungen (DV). CVP und SVP haben ihre Versammlungen vor dem Sommer abgesagt. Besonders minutiös plant die SP ihre Delegiertenversammlung mit 200 Delegierten am 27. Juni.
Die Genossen testen zurzeit E-Learning-Tools von Universitäten, die möglichst auf Open-Source-Lösungen basieren. Im Fokus haben sie vor allem BigBlueButton. Mehrere Universitäten nutzen diese Software für ihre Lehrveranstaltungen. Und in Deutschland hosten die Bildungsministerien mehrerer Bundesländer BigBlueButton auf den eigenen Servern und nutzen die Software für ihre Schulen.
Wie die Grünen in Deutschland wollen auch die Sozialdemokraten in der Schweiz einen Teil ihres Präsidiums physisch vor Kameras präsent haben. Vermutlich an der Molkereistrasse 21 in Zollikofen. Dort ist die X-Light Eventtechnik beheimatet.
Diese übernimmt den technischen Teil der DV und sorgt für attraktive Bilder. Die Delegiertenversammlung soll auf Deutsch und Französisch – und nach Möglichkeit in Gebärdensprache - übersetzt werden. Eine Hotline wird im Vorfeld Fragen in den drei Landessprachen beantworten.
Die meisten Parteien haben in Zeiten der Coronakrise auch digitale Formate entwickelt, um mit ihren Wählern in Kontakt zu bleiben. Die SVP führt am Sonntag «SVP bi de Lüüt» auf Facebook durch. Auch die SP bietet auf Facebook Gespräche mit Fraktionsmitgliedern an. Wer zusieht, kann Fragen stellen.
Die FDP wiederum hat zehn Tage nach dem Lockdown digitale Stammtische ins Leben gerufen. Über 70 solcher Anlässe mit 2000 Teilnehmern fanden inzwischen statt. «Das ist echt cool», sagt Kampagnenleiter Marcel Schuler. «Die Leute waren sehr diszipliniert.» Es habe bislang nur drei Störer gegeben.
Auch die GLP erwägt den Einsatz von BigBlueButton für eine DV noch vor den Sommerferien. Die FDP prüft, ob sie ihre statutarischen Geschäfte im Juni per digitale Delegiertenversammlung abhalten kann. «Das dazugehörige Abstimmungstool evaluieren wir zurzeit», sagt Generalsekretär Samuel Lanz. Und auch die Grünen bereiten sich auf eine Online-DV vor in den nächsten Wochen. Sie denken an eine Videokonferenz über die Open-Source-Software Jitsi.
Knackpunkt von Online-DVs sind aber nicht die Videokonferenzen per se, sondern die Wahlen und Abstimmungen, die dabei durchgeführt werden müssen. Die SP ist auch hier am weitesten fortgeschritten. Sie hat ein eigenes Umfragetool - Limesurvey - programmiert, über das sie integriert in die Videokonferenz Wahlen und Abstimmungen durchführen will. «Entscheidend ist die Verifizierbarkeit», sagt Co-Generalsekretärin Wyler. «Jeder muss sehen, dass er abgestimmt hat.»
Die Grünen engagieren für die Abstimmungen möglicherweise einen externen Anbieter, der Erfahrungen hat mit Generalversammlungen. Oder sie suchen eine Lösung über die Umfragemöglichkeiten, die ihr internes Kommunikationstool Rocket.Chat bietet.
Im Alltag der Parteien ist vor allem Zoom omnipräsent, die Software für Videokonferenzen aus den USA. Sie wurde durch die Coronakrise über Nacht zur weltbekannten Marke, steht aber wegen Datenschutz- und Sicherheitsmängeln in der Kritik. CVP, FDP, SP und SVP führten mit Zoom schon Medienkonferenzen durch. Sogar Fraktionssitzungen von SP und Grünen fanden über das US-Tool statt. Genauso wie eine Sitzung des Fraktionsvorstands der CVP.
Man habe Zoom «mit einem schlechten Gewissen» benutzt, räumt Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli ein. «In einer Krise hat aber jenes Produkt einen Vorteil, das am besten funktioniert.» Zoom sei «nicht das böseste aller bösen Tools in Sachen Datenschutz». Auch für die SP ist Zoom «kein absolutes No-Go», wie Sprecher Nicolas Häsler sagt. Man schaue aber in Sachen Datenschutz genau hin.
Für Delegiertenversammlungen scheint den Parteien Zoom aber zu heikel. Die GLP des Kantons Zürich hat zwar eine Mitgliederversammlung über Zoom durchgeführt. Für die nationale DV bevorzugt GLP-Nationalrat und Softwareentwickler Jörg Mäder aber die Open-Source-Software BigBlueButton. «Zoom greift beim Installieren sehr tief ins System ein», sagt er. «Viel tiefer, als es nötig wäre.»
Bei BigBlueButton brauche es für die Teilnahme keine Installation wie bei Zoom. Die Open-Source-Software sei «datenschutzmässig wesentlich besser aufgestellt als Zoom». Das deutsche Aussenministerium hat Zoom inzwischen auf dienstlichen Geräten sogar untersagt.
Eine nationale digitale Generalversammlung gab es inzwischen: jene der FDP Frauen. Am Samstag nahmen 85 Mitglieder und Sympathisantinnen teil. Dabei wurde Susanne Vincenz-Stauffacher zur neuen Präsidentin der FDP-Frauen gewählt.
Vincenz-Stauffacher war bereits einstimmig gewählt, als die Videokonferenz mit Zoom begann. Die Teilnehmerinnen konnten über Google Forms bereits im Vorfeld der Versammlung abstimmen. Die FDP-Frauen hatten dieses Tool ausgesucht, weil es «das beste System» sei, wie Tamara Blank vom FDP-Generalsekretariat sagt. Alles habe gut funktioniert. «Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen.»