Der emeritierte Wirtschaftsprofessor Hans Geiger kämpft für Ecopop. Im Interview sagt er, warum ihn die Initiative fasziniert und wieso die Personenfreizügigkeit dem Arbeitnehmer nichts bringt.
Hans Geiger: Ich bin ein Bewunderer von Thomas Minder, doch ich habe nicht so blaue Augen. (Lacht.)
Der heute 71-Jährige verantwortete einst bei der Schweizerischen Kreditanstalt das Kreditgeschäft in Europa und Afrika. Von 1997 bis 2008 war er Professor am Institut für schweizerisches Bankwesen der Uni Zürich. Seit 1979 ist er Mitglied der SVP.
Es ist ein legitimer Traum, ein eigenes Haus zu besitzen. Daran ist nichts falsch. Dennoch ist es notwendig, verdichtet zu bauen.
Die Schweiz ist eine Oase. Uns geht es viel besser als den meisten anderen Ländern. Da ist es völlig normal, dass es zahlreiche Menschen in diese Oase zieht. Aber es hat hier nicht unendlich viel Platz. Wir müssen haushälterischer mit dem Boden umgehen. Eine Nettozuwanderung von über 80 000 pro Jahr ist einfach zu stark.
Ich bin für tiefe Steuern für alle. Steuerliche Anreize nur für ausländische Firmen lehne ich ab. Wir haben tatsächlich Spielraum, eine künstliche Attraktivität zu verringern. Doch wir müssen realistisch bleiben: Die Steuern sind nur ein Faktor unter vielen. Firmen wie Google kommen nicht wegen tiefer Steuern nach Zürich. Hier waren die Nähe zur ETH oder zum IBM-Forschungszentrum und die gute Infrastruktur ausschlaggebend.
Nein. Heute verlassen jährlich fast 100 000 Personen die Schweiz. Mit Ecopop könnten weiterhin fast 117 000 Personen einwandern. Das reicht bei weitem aus, um die Bedürfnisse der Wirtschaft nach Fachkräften zu befriedigen.
Dafür hat Ecopop vorgesorgt. Die Nettoeinwanderung muss im Durchschnitt von drei Jahren bei maximal 17 000 Personen liegen. Abweichungen in einem Jahr werden im nächsten ausgeglichen. Die Initiative ist klar und einfach, das fasziniert mich.
Schon heute ist jeder zweite Einwanderer keine Arbeitskraft. Von diesen Zuwanderern brauchen wir tatsächlich weniger.
Dann muss halt die Wirtschaft Mass halten. Die Personenfreizügigkeit ist ein wunderbares Instrument für Manager und Unternehmer. Sie können unbeschränkt billige Arbeitskräfte rekrutieren. Als Manager würde ich das auch toll finden. Doch aus der Sicht der Arbeitnehmer und Konsumenten geht die Rechnung nicht auf. Sie bezahlen den Preis mit tieferen Löhnen, steigenden Mieten, Landverbrauch und vollgestopften Zügen.
Deutschland geht es auch gut bei viel weniger Zuwanderung. Es muss uns gelingen, ein Wachstum zu generieren, das nicht ausschliesslich durch Zuwanderung angetrieben wird. Nehmen wir die boomende Bauwirtschaft. Hier holen wir ausländische Fachkräfte ins Land, um neue Häuser und Wohnungen für immer mehr Zuwanderer zu bauen. Ein absurder Kreislauf.
Einverstanden. Aber sie verschärfen die Probleme massiv. Ich sage ja nicht: Die Schweiz braucht keine Zuwanderer mehr. Es dürfen weiterhin über 100 000 kommen, wenn die Auswanderung so konstant hoch bleibt wie in den vergangenen 10 Jahren. Aber wir müssen die Zuwanderung drosseln. Das machen andere erfolgreiche Länder wie Kanada oder Australien auch.
Das stimmt nicht.
Juristisch haben Sie recht. Doch politisch sieht der Fall anders aus. Die Bilateralen I sind viel zu wichtig für die EU. Italien und Deutschland haben ein fundamentales Interesse etwa am Landverkehrsabkommen. Diese Staaten werden die Bilateralen niemals kündigen.
Nein. Die EU wird diesen Prozess aus Eigeninteresse stoppen. Brüssel ist an einem möglichst guten Verhältnis zur Schweiz, ihrem drittwichtigsten Handelspartner, interessiert. Wir haben ein Handelsbilanzdefizit mit der EU zwischen 20 und 30 Milliarden Franken. Einem solchen Kunden kündigt man die Freundschaft nicht.
Auf den ersten Blick nichts. Doch auf den zweiten sehr wohl. Das weltweite Bevölkerungswachstum geht uns alle an. Als ich auf die Welt kam, zählte man gut zwei Milliarden Menschen auf der Erde. Heute sind wir bei über sieben Milliarden. Die UNO geht bis 2050 von zwölf Milliarden aus. Es ist entscheidend, etwas gegen diese masslose Zunahme zu unternehmen.