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Schweiz
Am 13. Juni stimmt die Schweiz über die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative ab. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» verlangt, dass nur noch Landwirtschaftsbetriebe Subventionen oder Direktzahlungen erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden verzichten und ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung auskommen. Die Betriebe sollen ihre Tiere ausschliesslich mit betriebseigenem Futter versorgen. Auch die landwirtschaftliche Forschung und Ausbildung soll nur unter diesen Bedingungen Geld vom Bund erhalten. Es gilt eine Umsetzungsfrist von acht Jahren.
Die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» will den Einsatz synthetischer Pestizide (zum Beispiel Glyphosat) in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege verbieten. Auch der Import von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mit solchen produziert wurden, soll verboten werden. Die Umsetzungsfrist beträgt zehn Jahre.
Die Pestizidinitiative ist vom Westschweizer Bündnis «Future 3.0» rund um den Neuenburger Winzer Jean-Denis Perrochet lanciert worden. Mitglieder sind unter anderen auch ein Biologie-Professor, ein Lebensmittelhändler, ein Garagist und ein Topograf. Das Komitee ist nach eigenen Angaben «agrarpolitisch, parteipolitisch und ideologisch unabhängig». Die Trinkwasserinitiative wurde von Franziska Herren und dem Verein «Sauberes Wasser für alle» lanciert. Zu den Unterstützern gehören verschiedene Wissenschaftler, Biobauern sowie Umwelt- und Naturorganisationen wie der Fischerei-Verband, Greenpeace oder Pro Natura.
Beide Initiativen verfolgen eine nachhaltigere Landwirtschaft. Sie unterscheiden sich allerdings in ihren Forderungen. Die Pestizidinitiative betrifft im Gegensatz zur Trinkwasserinitiative nicht nur die inländische Produktion, sondern auch die Importe. Die Trinkwasser-Initiative wiederum zielt nicht nur auf die Pestizide ab, sondern auch auf Antibiotika und die Überdüngung.
Für grossen Widerstand gegen die Trinkwasserinitiative sorgt die Bestimmung zum Futter. Initianten und Gegner streiten sich darüber, welche Folgen der Initiativtext hätte. Die Gegner sagen, Bauern könnten gar kein Futter mehr zukaufen; die Befürworter bestreiten dies. Sie kritisieren, die Tierbestände für die Produktion von Fleisch und Eiern in der Schweiz seien wegen des Futterimports von 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr künstlich überhöht. Die Folge seien Gülleüberschüsse, die zu krebserregendem Nitrat im Trinkwasser führen. Die Gegner sagen, durch die Initiative würde die inländische Produktion sinken, denn viele Landwirte könnten aufgrund von beschränkten Ackerflächen und klimatischen Bedingungen kein eigenes Futter herstellen.
SP, Grüne und EVP unterstützen beide Volksbegehren. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentieren, dass Wasser und Nahrungsmittel, die frei von Arzneimitteln, Antibiotika und Pestiziden, Nitrat und anderen Giftstoffen sind, einen neuen Standard setzen und für die ganze Bevölkerung erschwinglich würden. Es gehe darum, die Qualität des Trinkwassers und der Nahrung sowie die Biodiversität, das Klima und die Luft zu erhöhen. Dies, um die Gesundheit und die Ernährungssicherheit der Bevölkerung langfristig zu gewährleisten.
Der Bauernverband und die bürgerlichen Parteien Die Mitte, FDP und SVP lehnen beide Initiativen ab. Ebenso Economiesuisse und der Gewerbeverband. Der Bauernverbandspräsident Markus Ritter hat beide Initiativen als «extrem wirtschaftsfeindlich» quittiert. Die Initiativen würden faktisch ein «Bioland Schweiz» fordern und die Produkte der Bauern massiv verteuern. Auch Bundesrat und Parlament lehnen beide Anliegen ab. Ohne synthetische Biozide werde die Verarbeitung und Lagerung von Lebensmitteln erschwert, was höhere Produktionskosten zur Folge hätte und deshalb zu teureren Lebensmitteln führen würde.
Bio Suisse, der Dachverband der Schweizer Knospe-Betriebe, stellt sich zwar gegen die Trinkwasser-, befürwortet aber die Pestizidinitiative. Die Trinkwasserinitiative, so Bio Suisse, würde die Existenz mancher Biobetriebe gefährden, da viele Grünlandbetriebe auf Bio umstellen würden, was zu tieferen Preisen für Bio-Milch und -Fleisch führen könnte. Zudem könnten gewisse Bio-Betriebe die Futter-Bestimmung nicht einhalten. Auch die Kleinbauern-Vereinigung und die Westschweizer Bauerngewerkschaft Uniterre unterstützen nur die Pestizid-Initiative. Die Grünliberalen wiederum haben sich für die Trinkwasserinitiative ausgesprochen, bei der Pestizidinitiative aber Stimmfreigabe beschlossen.