Wer zukünftig ab Bahnhof Grenchen Nord mit dem Zug fahren will, kann das Billett nicht mehr am Schalter, sondern nur noch am Automaten oder im Internet lösen. Damit verliert ein geschichtsträchtiger Bahnhof nach 94 Jahren seine Verkaufsstelle.
Janine Aegerter
Nächsten Freitag wird die Verkaufsstelle des Bahnhofs Grenchen Nord geschlossen, und der Bahnhof wird fortan nur noch über Billettautomaten verfügen. Anlässlich dieses Ereignisses versammelten sich gestern Vertreter der SBB und der BLS, um Abschied zu nehmen. Daniel Hafner, Leiter der Geschäftsstelle Grenchen, eröffnete das Wort und las eine kleine Anekdote aus dem Jahr 1934 eines Beschwerdenbuchs des Bahnhofs Grenchen Nord vor.
Darin schrieb ein Zugreisender, dass sich ein paar Raucher in ein Nichtraucherabteil gesetzt und geraucht hätten. Als sich der Fahrgast bei den Rauchern beschwerte, da es Damen gebe, die den Rauch nicht ertragen könnten, hätten ihn diese «an den Haaren gezogen» und ihm «andere Grobheiten» angetan. Zudem hätten sie «gemeine Ausdrücke» benutzt.
Mag die Sprache auch etwas altertümlich erscheinen, so merkt man beim Durchlesen dieses Buches doch deutlich, dass sich die Sorgen und Nöte der Reisenden im Vergleich zu heute nicht gross geändert haben.
Der Bahnhof Grenchen Nord kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Eröffnet wurde er am 1. Oktober 1915. In jener Zeit sei dieser Bahnhof sehr wichtig gewesen, so Hafner. «Ich war früher als junger Disponent im Bahnhof Grenchen Süd tätig.» Damals sei es üblich gewesen, dass man den Angestellten des Nordbahnhofs vorgestellt worden sei.
«Ich war beeindruckt ob der damaligen Modernität des Bahnhofs Nord.» Damals hätte er es sich nicht träumen lassen, dass es einmal mit der Schliessung der Verkaufsstelle Grenchen Nord enden würde.
Sogar einen Direktzug nach Mos-kau habe es früher gegeben. «Wenn man heutzutage in Moskau ein Billet kaufen will, fragt einen der Angestellte der russischen Bahngesellschaft, ob man nach Grenchen Nord oder nach Grenchen Süd fahren will», fährt Hafner fort.
Der Bahnhof Grenchen Nord habe auch als Schauplatz eines Romans des Walliser Schriftstellers Maurice Zermatten gedient, mit dem Titel «amour fou à Grenchen Nord». Nicht zuletzt boomte er auch wegen den Pendlern, die dank der blühenden Uhrenindus-trie Arbeit in Grenchen fanden.
Mit den Jahren gewann jedoch der Südbahnhof an Wichtigkeit, und im Jahr 2000 war die Zukunft von Grenchen Nord ungewiss. Zwar wollten die SBB den Bahnhof um jeden Preis erhalten. Dies, nachdem sie 2006 die Führung von Grenchen Nord von der BLS übernommen hatten. «Während zwei Jahren arbeiteten wir deshalb mit einem Minimum an Personal», so Hafner.
Dadurch schrieb der Bahnhof «eine schwarze Null». Gleichzeitig wurde schnell einmal klar, dass der Bahnhof Süd ausgebaut werden musste. So entschied man sich schliesslich dafür, die Verkaufsstelle des Bahnhofs Grenchen Nord zu schliessen. Doch, wie Hafner abschliessend erklärt: «Grenchen Nord verschwindet nicht aus der Geschichte des öV. Es wird einfach kein Personal mehr hier sein.»